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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

No. 2.   1864.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.





Das ewige Licht.
Von Carl August Heigel.


1. Im tiefen Keller.

Ein Kloster an der Donau nicht weit von X. Hohe Felsen tauchen ihre Brust in das grüne Gewässer, eine düstre, verwitterte Gesteinsstrecke, ursprünglich vielleicht eine ungeheure Höhle, unter deren Wölbung in Finsterniß und Stille, gleich dem Acheron, die Donau dahinzieht.

Am rechten Ufer treten die Steinmassen plötzlich zurück und lassen einen schmalen Landstrich frei, auf dem seit Jahrhunderten das Kloster steht. Es führt kein anderer Weg zu ihm, als der Fluß. So liegt dieses Kloster fast abgeschlossen von der übrigen Welt, in einer Natur voll strenger Größe.

Steht man im Klosterhof, so bildet der steile Felsen den Hintergrund; zwei Flügelgebäude ziehen sich flußwärts und werden am Ufersaum durch die Kirche verbunden. Derjenige Flügel, dessen Thorweg der einzige Ein- und Ausgang ist, enthält eine Brauerei, die Vorratskammern und Keller; bewohnt wird er von wenigen weltlichen Wirthschaftsknechten. Der andere Flügel ist das eigentliche Kloster. In seinem ersten Stock liegen Zellen für zwanzig Mönche, im Erdgeschoß befindet sich außer einigen Gastzimmern für hochgestellte Geistliche das Refectorium und die Bibliothek. Alle Gemächer gehen nach einem Garten hinaus, den man der Landzunge noch zur Noth abgerungen hat; die Fenster der Corridore aber führen nach dem Hof.

Zur Zeit, da unsere Geschichte sich im Kloster ereignete, bewohnten es zwölf, mit dem Prior dreizehn, Benedictiner. Sie dürfen abwechselnd zu Zweien wöchentlich im Klosterkahn einen Ausflug nach den nächstgelegenen Dörfern machen. Sonst beschränkt sich ihre Bewegung auf den Garten, den Hof und die Corridore.

Die Einkünfte der Brauerei bilden den Hauptunterhalt des gering dotirten Klosters. An jeder Mittwoch bringt ein Marktschiff aus der benachbarten Kreisstadt die Nahrungsproducte und andern Lebensbedarf. Am Sonnabend und Sonntag pflegen die Landleute und nicht wenige Städter aus der Umgebung zur Beichte und Predigt zu kommen.




Es waren späte Ostern, aber ein früher Lenz. Unter immer blauem Himmel war der Schnee längst von den Höhen geschmolzen, die Landschaft grünte, und schon gab es sommerlich heiße Tage. Eines Nachmittags ward die Schwüle selbst an diesem felsigen, wasserreichen Ort empfunden. Das volle Sonnenlicht lag auf den Steinen und Rasenflecken des Klosterhofes, strahlte vom verwitterten Felsen wie von den weißgetünchten Wänden der Corridore, ergoß sich wie ein heißer Athem durch Säle und Zellen und brach stellenweise durch die langgestreckten, bemalten Bogenfenster in das geheimnißvolle Düster der Kirche, wo matt und fahl das ewige Licht in der Altarlampe brannte. Alles lag still und in träger Ruhe, wellenlos glitt selbst der Fluß dahin.

Weil es denn oben keine Flucht vor Hitze und greller Helle gab, hatten sich zwei Mönche unter die Erde geflüchtet. Im kühlen Gelaß, das eine Art Vorgemach im tiefen Felsenkeller bildete, saß Pater Eusebius mit dem Bruder Kellermeister. Auf dem Tisch vor ihnen stand eine schmutzige, brennende Laterne und warf ihren Flackerschein auf den Weinkrug und die beiden Zecher, auf die feuchten, schwarzen Wände und die steile Steintreppe. Nur vier schwach schimmernde Streifen Tagelichts zeichneten die Kellerthür, zu der die Stufen aufwärts führten.

„Wenn jetzt der Prior käme!“ sagte Eusebius.

„Ver …. heilige Jungfrau!“ rief der Andere und nahm erschrocken den Krug vom Munde. „Ach, sprich nicht so aufregende Dinge,“ fuhr er dann bittend fort. „Pater Gregor schläft jetzt so sicher, wie zweimal zwei vier ist. Alle schlafen. Wenn Du einem schlichten Bruder nicht grollen wolltest, möchte ich mir fast die Bemerkung erlauben, daß Ihr Herren Patres nicht viel anderes zu thun habt!“

Silentium! nicht vorwitzig, Herr Frater! Nichtsdestoweniger, sollst leben, alter Freund! War doch eine schöne Zeit, als wir noch zusammen in die Dorfschule gingen!“

„Gott soll mich bewahren, ja sie war schön – aber gelernt habe ich wenig,“ versetzte eifrig der Andere. „Vom Latein verstehe ich nur das Ergo bibamus und Vivat. Im tiefen Keller ist mein Reich; die alten Fässer sind meine Bibliothek. Durch langen Umgang mit ihnen habe ich sie studiren gelernt, ohne Kopfweh davon zu bekommen. Im Wein ist Wahrheit. Im Wein ist fröhliche Musik; er erheitert das Gemüth und stimmt die Menschen gesellig. Die Bücher dagegen sind Urheber der Schwermuth, der Unduldsamkeit, und unter den Gelehrten herrscht ewige Zwietracht. – Sieh unsern Prior und Pater Benedict! Waren sie früher nicht die besten Freunde und sind sie sich jetzt nicht spinnefeind? Und wer ist daran schuld? Die Bücher und alten Pergamente, in denen Benedictus den lieben langen Tag seine Nase hat. Jeder will mehr und besser wissen als der Andere … Laßt mich mit Eurer Gelehrsamkeit!“

Beim Namen Benedict flog ein grimmiger Ausdruck über des Paters Gesicht; aber er bezwang sich und sagte, die Achsel zuckend: „Ich will Benedictus nichts Uebles nachreden, aber er ist ein Schwärmer, ein überspannter Kopf! Willst Du das Feuer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_017.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2021)