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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Der Kurfürst und der Geldfürst.
Novelle von Louise Mühlbach.
(Schluß.)

Der Landgraf hatte mit abgewandtem Gesicht dagestanden; als Gudula und Mayer Anselm über die Schwelle dahinschritten, sprang er vorwärts, zur Thür hin, aber dann blieb er stehen, seine Hände klammerten sich um den Thürpfeiler, als wolle er sich selber zwingen, nicht weiter zu gehen, ein schwerer Seufzer rang sich aus seiner Brust hervor und Thränen entströmten seinen Augen, Thränen des Zornes, der Beschimpfung und der gekränkten Eigenliebe.

Hand in Hand, mit beflügelten Schritten, war das junge Paar indeß durch den Garten dahingegangen. Niemand hiel sie auf, Niemand sah sie; der Mond schaute groß und glänzend auf sie nieder, beleuchtete ihren Pfad, zeigte ihnen die kleine Pforte, durch die Mayer Anselm eingetreten war, und geleitete sie freundlich und schützend auf ihrem weiten einsamen Wege.

Sie sprachen Beide nicht, ihre Herzen waren zu voll, als daß sie es hätten wagen mögen, das heilige Schweigen durch Worte zu entweihen. Nur einmal fragte Gudula: „Aengstigt sich mein Vater sehr?“

„Ja, Gudula,“ erwiderte Mayer Anselm, „er ängstigt sich sehr. Aber er ist ein frommer Mann und er betet.“

„Laß uns eilen,“ sagte Gudula, und sie schritt rascher vorwärts.

Und endlich jetzt hatten sie das Ziel ihrer Wanderung erreicht, jetzt schritten sie durch das Thor hinein in die Judengasse. Nur wenige Schritte, und sie hatten jenes Haus erreicht, aus dessen untern Fenstern ein heller Lichtschein ihnen entgegemflammte, das Haus, in welchem der alte Baruch Schnapper in Todesangst seiner Tochter harrte.

Sie schritten rascher vorwärts, hinein in das schweigende Haus. Ein Freudenruf ertönte aus dem Innern der Stube bei dem Schall ihrer Tritte, die Thür ward heftig geöffnet, und Vater und Tochter lagen sich weinend in den Armen.

„Vater Baruch,“ sagte Gudula nach einer Pause, auf Mayer Anselm hindeutend, „der hat mich gerettet vom Tode und von der Schande. Ihm dankst Du es, daß wir wieder vereinigt sind.“

„Ich werde für ihn beten Abends und Morgens,“ rief Baruch, ihm seine beiden Hände darreichend. „Ich werde ihn lieben, als wenn er wäre mein eigener Sohn.“

„Laßt mich Euer Sohn sein, Baruch,“ sagte Mayer Anselm, „gebt mir das Recht Euch zu lieben als meinen Vater!“

„Wie meinst du denn das, Mayer Anselm?“ fragte Baruch staunend.

„Ich will’s Euch sagen, Vater Baruch, und besonders will ich es Dir sagen, Gudula. Ich nenne Dich nicht mehr Schwester Gudula, wie ich es that heute Abend. Die wenigen Stunden haben Alles in mir umgewandelt, sie haben mir ein großes Geheimniß offenbart, das in mir geruht hat von Kindheit auf, und das ich selber nicht habe gekannt. Als ich dahinschritt in die Nacht hinaus in der Angst und Sorge um Dich, Gudula, da war’s auf einmal, als wenn sich in meinem Herzen die goldenen Pforten des Allerheiligsten aufthäten, und ich sah darin Dich, den Engel meines Lebens, Dich, das Gebet meines Lebens, die Hoffnung meiner Zukunft, und ich erkannt’ auf einmal, was ich bis dahin nimmer gewußt, daß ich Dich grenzenlos liebe, daß das Leben nur Werth für mich hat, wenn Du es mit mir theilen willst, Gudula. Und so frag’ ich Dich denn, Gudula, ob Du meine Lieb’ und mein Herz willst annehmen, ob Du mich machen willst zu einem glücklichen Menschen, indem Du mir Dein Herz giebst und Deine Liebe? Hab’ mühsam an mich gehalten, sonst hätt ich es Dir schon gesagt auf dem Wege hierher, daß ich Dich grenzenlos liebe, hätt’ Dich gebeten, mein Weib zu sein. Aber ich schwieg, weil ich weiß, daß ein tugendhaftes Mädchen nur Antwort giebt auf solche Frage im Beisein ihres Vaters. Und darum, Baruch, frag’ ich, bevor die Gudula mir Antwort giebt, nur Dich, ob Du mich willst haben zu Deinem Tochtermann und willst mir geben die Gudula zum Weibe?“

„Mit Freuden will ich Dich annehmen zu meinem Tochtermann,“ rief der Alte mit frohem Angesicht, „will Dir geben die Gudula zum Weibe und dazu meinen inbrünstigen Segen. Aber nein, nein,“ unterbrach er sich selber, „es geht ja nicht, Du bist ja nicht mehr im Stand, um irgend ein Mädchen zu werben. Mayer Anselm, muß ich Dich daran mahnen, daß Du der Bräutigam bist der reichen Veilchen Rahel, die Dich so herzlich liebt, daß sie Dir will geben ihre Hand und ihr Vermögen? Muß ich Dich daran mahnen, daß Du Dein Herz nicht mehr verschenken darfst, daß es der Veilchen gehört? Erst ein paar Stunden sind’s her, daß Du uns hast um Rath gefragt, ob Du die Veilchen Rahel heirathen sollst, die Dich zu einem reichen Manne macht, und wir haben Beid’ gesagt, daß Du es thun sollst. So kann ich Dir jetzt nur wieder sagen: geh’ hin und heirathe des reichen Nathan’s Tochter und werde ein reicher Mann!“

„Du meinst, erst ein paar Stunden wär’s her, daß Du mir das gesagt hast?“ fragte Mayer Anselm, indem er seine Augen fest auf Gudula heftete. „Nein, Du weißt, eine Ewigkeit ist es

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 817. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_817.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)