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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Meinung in der kurzen Zeit von zwei Jahren zu Gunsten unseres Gartens geändert hat. Die Gesellschaft unternehmender Männer, welche ihn begründete, hat Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, welche gegenwärtig Jedem ein Lächeln abnöthigen, zur bezüglichen Zeit aber als sehr ernste betrachtet wurden, ja Senat und Bürgerschaft, welche mit anerkennenswerther Freigebigkeit der Gesellschaft einen überaus günstig gelegenen Platz unter höchst vortheilhaften Bedingungen überlassen wollten, mußten mancherlei Anfechtungen erleiden, und die Gesellschaft, welche ihr Geld zu einem wirklich gemeinnützigen Unternehmen hergab, förmliche Schmähungen erdulden.

Dies Alles ist jetzt vorüber, und wohl für immer vorüber. Eine gerade entgegengesetzte Meinung hat in allen Schichten der Bevölkerung Platz gegriffen, und selbst die, welche früher schmähten, sind jetzt verstummt.

Hart vor dem Dammthore, kaum zehn Minuten vom Jungfernstieg entfernt, lag noch vor zwei Jahren ein mit wenig Bäumen bepflanzter, sonst aber wüster Platz, auf der einen Seite begrenzt durch Kirchhöfe, auf der andern durch bis heutigen Tags noch unbenutzte Wiesen, nach der dritten Seite endlich in einen noch musterhafteren, die sogenannte Sternschanze, übergehend. Ein kleiner Teich und ein tiefer Graben, von wenig Gebüsch umstanden, unterbrach diese Wüstenei. Besagter Teich diente als Badeplatz der erfrischungsbedürftigen Jugend und wurde in den heißen Sommertagen zahlreich benutzt. Auf diesen Platz richtete die zoologische Gesellschaft ihr Augenmerk, obwohl sie die Schwierigkeiten, aus der Einöde eine parkähnliche Anlage zu schaffen, keineswegs unterschätzte. Der größte Theil der Hamburger Bevölkerung war sicherlich überzeugt, daß dieser Platz eine günstigere Umwandlung niemals würde erfahren können; einige Schreier und Unzufriedene, mit ihrem Jahrhundert Zerfallene, aber waren freilich anderer Meinung. In dem Wasser des Badeteiches hatte man Spuren von Eisen entdeckt und verwahrte sich nun gegen die Absicht, den Teich mit moorigem Alsterwasser zu vertauschen, während Andere in wirklich rührender Weise darauf hinwiesen, daß es der einzige Platz sei, wo die Kinder der Armen, sowie die Mittelclasse, ein Bad ohne Kosten nehmen könnten. Sie flehten „dringend und inständig, daß die Bürgerschaft nicht die Grausamkeit begehen möge, gedachten Badeplatz, der so manchem Tausend armer Kinder die Gesundheit gewähre, gedachten lieben Kindern zu nehmen,“ und Andere endlich befürchteten, daß die Hyänen, angelockt durch den zuweilen allerdings sehr bemerklichen Leichengeruch der Kirchhöfe ihre Käfige durchbrechen und auf den Friedhöfen, ihrer afrikanischen Natur getreu, allerhand Unfug stiften möchten. „Daß die Annehmlichkeit und jetzige Sicherheit der dortigen Gegend,“ sagt Einer, „durch die Nähe der wilden und zahmen Thiere dieser Menagerie nicht gerade gewinnen wird, ist wohl unzweifelhaft; mindestens wird man mit Sicherheit darauf rechnen können, daß der Miethbegehr nach Anlage und Vollendung des zoologischen Gartens sinken wird. Es ist doch immerhin möglich, wenn auch die Wahrscheinlichkeit nicht eine sehr große sein mag, daß durch Unvorsichtigkeit oder mangelhafte Einrichtung eine der Bestien sich veranlaßt fühlen möge, die Umgegend zu besuchen. Daß das aus einer Menagerie herrührende Geheul, das sich bekanntlich Nachts meist verstärkt und ohnedies dann empfindlich anzuhören ist, gerade keine Annehmlichkeit für die Bewohner der Umgegend ist, versteht sich von selbst.“ Von dem Nutzen, welchen ein zoologischer Garten bringt, schien man auch nicht gerade eine richtige Vorstellung gewonnen zu haben; wenigstens sagt Einer: „Von eigentlichem Nutzen kann doch durchaus nicht die Rede sein; denn einen Löwen von einem Tiger zu unterscheiden, weiß jeder Schulbube von sechs Jahren, da er so etwas aus Büchern, Menagerien u. dergl. längst gelernt hat.“ In dieser und ähnlicher Weise tummelte man sich auf dem in Hamburg keineswegs streng umschrankten Felde der Presse weidlich umher, und alle die angeregten Gründe schienen so wichtig, daß der von der Bürgerschaft zum Bericht niedergesetzte Ausschuß sie besonders widerlegen und u. A. ausdrücklich hervorheben zu müssen glaubte, daß außer den Hyänen und einigen Vögeln kein Raubthier Leichen frißt, und diese daher nicht durch Leichengeruch gereizt werden können.

Doch Senat und Bürgerschaft bewilligten das Gesuch der Gesellschaft, die Arbeiten konnten beginnen, und begannen auch mit einem Eifer, welcher selbst den Hamburger in Erstannen setzte. die Herren Ernst von Merck, A. Meyer, Schiller, Booth, de Craecker, Droege, Föhring, Hanbury, Lieben, Möbius, Nölting und Ruperti, welche am 20. Januar 1860 zuerst als vorläufiger Ausschuß zur Gründung eines Thiergartens zusammengetreten waren, wurden von der inzwischen gebildeten Gesellschaft zum Verwaltungsrath ernannt, die zunächst festgestellten 250,000 Mark Banco zusammen gebracht, die Baumeister erwählt und zunächst mit der Entwüstung und Bearbeitung des Grund und Boden begonnen,

Eine Menge von Geschenken flossen der Gesellschaft zu, mehrere Thierhäuser wurden von freigebigen Hamburgern erbaut und andere wenigstens durch reichliche Beiträge ermöglicht. Selbst die Damen sammelten eifrig Gelder ein und erreichten ihren Zweck, sodaß von ihren Beiträgen ein Thierhaus erbaut werden konnte. Schon im November 1862 war der größte Theil der begonnenen Bauten vollendet, zugleich aber auch das Geld ausgegeben. Der Verwaltungsrath sah sich deshalb genöthigt, in einer Versammlung der Actionäre neue 100,000 Mark Banco zu beanspruchen. Sein Gesuch fand fast einstimmige Annahme, und die betreffende Summe war innerhalb 24. Stunden gedeckt. Der gelinde Winter von 1862 zu 1863 förderte die Arbeit in unerwarteter Weise, und so konnte der Verwaltungsrath schon am 16. Mai dieses Jahres den festlich geschmückten Garten der Oeffentlichkeit übergeben. Von diesem Tage an sind die Arbeiten ohne Unterbrechung fortgeschritten, und gegenwärtig denkt man bereits wieder daran, neue Gelder herbei zu schaffen, um das Unternehmen so schleunig als möglich seiner Vollendung zuzuführen; daß auch diese dritte Forderung des Verwaltungsrathes bewilligt werden wird, unterliegt keinem Zweifel.

Leider aber ist die Freude an dem Gedeihen und Blühen des Gartens keine ungetrübte. Auch unsere Anstalt erlitt durch das am 6. Juli erfolgte Hinscheiden des Freiherrn Ernst v. Merck einen überaus schweren Verlust. Die Beliebtheit dieses allverehrten Mannes, sein ewig reger Feuergeist und seine gewinnende Liebenswürdigkeit haben dem Garten unberechenbar genützt. Wie allgemein dies anerkannt wird, geht daraus hervor, daß man beabsichtigt, das dem Andenken Merck’s gewidmete Denkmal gerade im Garten, seiner liebsten Schöpfung, und zwar in Gestalt eines großen Gebäudes auszuführen.

Auf der Karte nimmt sich der Grundriß des Hamburger Thiergartens ziemlich sonderbar aus. Der Platz, welcher, beiläufig bemerkt, über 1 ½ Million Geviertfuß enthält, ist so unregelmäßig, als möglich, und namentlich durch eine sehr auffallende Verengung im ersten Drittheil seiner Länge unerquicklich eingeschnürt. Der Gartenbaumeister Jürgens aber hat es verstanden, demungeachtet eine höchst anziehende Anlage zu schaffen, und die beiden Baukünstler Meuron und Haller haben das Ihrige redlich gethan, durch passende Gebäude diese Anlage zu schmücken. Aus der früheren Ebene ist jetzt ein mannigfach bewegter Boden geworden. Das Erdreich, welches in und neben dem früheren Badeteiche lag, bildet jetzt einen Hügel, welchen man mit gleichem Rechte, wie viele andere unbedeutende Erhöhungen in der norddeutschen Ebene, „Berg“ nennen kann. Man hat künstliche Wasserläufe, selbst Wasserfälle geschaffen, Grotten erbaut und Felsen aufgethürmt, das landschaftliche Gepräge überhaupt so viel als möglich festgehalten und gerade hierdurch das Eine erreicht, jeden Besucher des Gartens zu befriedigen. Mit vieler Mühe und großem Kostenaufwand sind überall Bäume und Gesträuche gepflanzt worden, und wenn es auch bis jetzt noch sehr an Schatten fehlt, so wird diesem Mangel doch sicherlich abgeholfen werden, eher, als man denkt. Die Zahl der Gebäude ist bereits eine sehr namhafte, und die meisten sind bei aller Einfachheit höchst geschmackvoll ausgeführt. Dabei hat man das Wesen und die Eigenthümlichkeiten der Thiere so viel als möglich in Betracht gezogen und mit größter Sorgfalt für jedes einzelne Thierhaus die geeignetste Stelle herausgesucht.

In dem vordern Theil des Gartens, zu dem man durch ein einfaches, aber hübsches Thor gelangt, herbergen die Hirsche, Raubvögel, Hühner und eins der sonderbarsten und unschönsten Beutelthiere, der Wombat, welcher zur Bestätigung des oft gehörten Ausspruches, daß die Gegensätze sich berühren, in einem äußerst niedlichen Häuschen wohnt. An der schmalsten Stelle des Gartens steht das Affen- und Eichhörnchenhaus und das Maschinengebäude, welches die Anlagen mit Wasser zu versorgen hat. Unmittelbar neben dem Maschinengebäude beginnt oder endet der Wasserlauf. Man geht zuerst an einem längeren, bachartigen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_806.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2024)