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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


vor welchem sein stummer Diener ihn mit Gebehrden des Schreckens empfing. „Ein Omen,“ murmelte er, das Haupt senkend, „ein Omen!“

Eine Stunde später pochte es leise an die Thür seines Arbeitszimmers. Auf Kunckel’s Ruf trat einer seiner Laboranten ein. „Was bringt Ihr?“ fragte der Adept, von dem großen Buche, in dem er las, aufblickend.

„Eine Trauernachricht, Meister,“ entgegnete der Gefragte.

„Ich weiß es,“ rief Kunckel, „der Kurfürst – –“

„Seine kurfürstliche Gnaden sind heute Morgen um neun Uhr auf Ihrem Schlosse zu Potsdam im Herrn entschlafen.“


Ein Jahr lang ward Kunckel noch in Ruhe gelassen. Endlich traten seine Feinde offen gegen ihn hervor. Ein Befehl des Kurfürsten Friedrich III. verlangte eine Untersuchung über den Verbleib der an Kunckel gezahlten Gelder. Offenbar war die Verhängung eines richterlichen Verfahrens das Werk einer Cabale gegen den Alchymisten, denn Kurfürst Friedrich, ein eifriger Beschützer der Künste, wäre gewiß der Letzte gewesen, der Kunckel in seinem Frieden gestört hätte. Indessen ward der Angeschuldigte vorgeladen. Es ward specificirt, daß er 30,190 Thaler erhalten habe. Kunckel bewies, wie seine Arbeiten einen großen Geldverbrauch bedingt hätten und daß es überhaupt schwer sei, bei Versuchen, wie er sie hätte machen müssen, eine genaue Berechnung aufzustellen. Er zeigte die Briefe des seligen Kurfürsten und berief sich auf das Zeugniß der im Sterbezimmer gewesenen Diener, nach welchem jede Verantwortung von ihm genommen war.

Obwohl man dagegen einwarf, daß Kunckel nach Abzug aller Kosten immer noch 17,000 Thaler zurückzuzahlen habe, so wußte der Angeklagte doch durch Briefe des verstorbenen Kurfürsten nachzuweisen, daß ihm alle Beträge geschenkt worden seien, und Kurfürst Friedrich entschied darauf, daß alle Untersuchung niedergeschlagen werden solle. Kunckel habe eidlich zu erhärten, daß er die Gelder nur zu chemischen Arbeiten verwendet habe. Indessen solle er 8000 Thaler in vier Terminen zahlen, und zu dem Ende die Erlaubniß erhalten, sein Haus in der Klosterstraße zu Berlin verkaufen zu dürfen. Die Kosten für Bauten etc. wurden nicht mehr beansprucht und Kunckel in seinem Besitzthume gelassen. Er erhielt außerdem die Erlaubniß auf vier Jahre in fremde Dienste zu gehen, aber alles Laboriren sollte er in Zukunft auf seine eigene Gefahr unternehmen.

Kunckel blieb also auf der Insel und triumphirte über seine Feinde, wenngleich mit Opfern. Daß er noch weitere Arbeiten lieferte und außerdem Privilegien besaß, auf die er sich berufen konnte, geht aus einem Schreiben hervor, in welchem er sich auf’s Neue über die Versuche zur Brandstiftung beklagt und zugleich auf das Entschiedenste dagegen protestirt, daß der Holzschreiber Lauer gegen ihn intriguire und ein Privilegium zu einer Glashütte nachsuche. Er bittet, ihm kund zu thun, daß nur er (Kunckel) allein und keine andere Hütte gefärbte Gläser machen dürfe.

Wie lange Kunckel noch auf der Insel blieb, ist nicht genau zu ermitteln. Eines Tages aber war das Eiland öde. Das Gebell des unheimlichen Hundes erscholl nicht mehr. Die Schornsteine stießen keinen Rauch aus; kein Lichtschein strahlte durch die Fenster des Laboratoriums, und vergebens suchte man die dunkle Gestalt des verrufenen Adepten zu erblicken, der zuweilen am Ufer umhergegangen war. – Was konnte die Ursache des plötzlichen Verschwindens sein? „Endlich,“ so calculirten die frommen Gemüther der damaligen Zeit, „endlich ist das Maß voll gewesen. Der Teufelskünstler hat dem Satan nicht den Pakt halten können, und so hat denn seine schwarze Stunde geschlagen. Der Teufel hat die ganze Sippschaft, Herr, Diener und Hund, geholt. Gott sei Dank, daß sie von der Welt sind!“

Zum größten Erstaunen und Entsetzen der Gläubigen tauchte aber der verschrieene Schwarzkünstler zu Stockholm als königlicher Oberbergrath und Ritter, Baron Kunckel von Löwenstern, mit Ehrenbezeigungen aller Art überhäuft, wieder auf. König Carl XI. hatte ihn an seinen Hof berufen, und die Gesellschaft der schwedischen Naturforscher nahm den tüchtigen Mann, den Entdecker des Phosphors, unter ihre Mitglieder auf. In den Verzeichnissen der Gelehrten führt er den wissenschaftlichen Namen Hermes III.[1] Kunckel starb zu Anfang des 18. Jahrhunderts in sehr glänzenden Umständen.

Die Sage, daß auf der Insel der Geist eines Goldmachers spuke, der früher da sein Wesen getrieben und, weil ihm der Ort so gefallen, sich jetzt nicht davon trennen könne, daß das Gespenst während des Sommers jede Nacht die Insel besuche und einen schwarzen Hund bei sich habe, diese Sage ist noch heute unter den Fischern verbreitet.

George Hiltl.




Eine deutsche Todtenfeier in Amerika.

Die Deutschen in Baltimore feierten am 20. August das Andenken an den Heldensänger Theodor Körner mit ebenso großer Pietät, als es an demselben Tage in Deutschland gefeiert wurde. Es wird den Lesern der Gartenlaube um so willkommener sein, einen Bericht über diese Feier an dem Ufer des Patapasco zu erhalten, als eben die Gartenlaube sehr viel dazu beitrug, die Erinnerung an den unsterblichen Heldensänger durch Wort und Bild lebhaft aufzufrischen.

Der Gedanke, eine solche Feier in unserer Mitte zu veranstalten, ging vom hiesigen „deutschen Union-Volksvereine zur Unterstützung verwundeter und kranker Krieger“ unserer heldenmüthigen Befreiungsarmee aus, dem sich sofort der sozialdemokratische Turnverein, die Turner-Liedertafel und der Arbeiter-Gesangverein anschlossen. Um die Feier so erhebend als möglich zu machen, beschloß das Festcomité, einen ehrwürdigen Kampfgenossen des Heldensängers dazu einzuladen. Dieser alte Lützower ist Dr. W. D. G. Pfeiffer, der seit etwa 30 Jahren in New-Oxford, Adams County, Pennsylvanien, nicht weit vom Schlachtfelde von Gettysburg lebt, und sich als praktischer Arzt, wie als echter freisinniger Patriot unter den Deutschen in Pennsylvanien und Maryland einen wohlverdienten Ruf erwarb. – Unsere deutschen und englischen Blätter brachten inzwischen Artikel über die Bedeutung der Körnerfeier in Deutschland und Amerika, sodaß auch der englisch sprechende Theil der Bevölkerung Baltimores, dem der Heldensänger wenig oder gar nicht bekannt ist, über seine Verdienste als Dichter und Freiheitskämpfer unterrichtet wurde.

Am Abend des 26. August strömte das Publicum herbei, um Deutschlands Liebling den Tribut der Achtung zu zollen. Unter den zahlreichen Gästen befanden sich viele deutsche Krieger für Amerika’s Einheit und Freiheit, die theils aus den umliegenden Forts, theils aus den Spitälern oder ihren Privatwohnungen herbeikamen, und worunter die Invaliden auf Krücken und Stelzbeinen einen rührenden Eindruck machten.

Die geräumige Festhalle, mit Laubgewinden, Eichenkränzen, Leyer und Schwert und prächtigen Sternenbannern geschmückt, bot im Lichtglanz der vielen Lampen einen imponirenden Anblick. An der verhüllten Schaubühne im Hintergrunde erhoben sich Pyramiden von Trommeln, und an den Wänden und andern passenden Stellen schimmerten Waffen, die wie die Sternenbanner vom Quartiermeisteramt der Vereinigten Staaten geliefert wurden. Die Mitglieder des Festcomité’s, sowie die Redner und sonstigen Mitwirkenden trugen Trauerflor am linken Arm und schwarz-roth-goldne Schleifen an der Brust.

Als der Vorhang der Schaubühne unter dem Vortrag von Körner’s „Gebet während der Schlacht“ emporgeschwebt, zeigte sich ein mit Tschako, Degen und Eichenkränzen geschmückter Katafalk, über welchem sich, an eine schwarz-roth-goldne Draperie gelehnt, die Büste des Gefeierten erhob. Sechs Krieger, in der Uniform der Lützower, hielten hier die Todtenwache. Der Prolog von J. Straubenmüller (unter den Deutschen in Amerika durch sein episches Gedicht „Pocahontas“ rühmlich bekannt) machte einen trefflichen Eindruck. Die Festrede, von Dr. Hugo Kühne gehalten, hob die Freiheitsbewegungen der Deutschen in den Jahren 1813 und


  1. In verschiedenen Werken wird Carl XII. als Derjenige genannt, der Kunckel nach Schweden berief. Dies scheint aber mit der Zeit nicht zu stimmen, da Carl XII. erst 1697 und 15 Jahr alt zur Regierung kam. Nach Zedler berief ihn Carl XI.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 780. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_780.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)