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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

sie auch noch immer durch den leichtgläubigen, einbildungsreichen Charakter der Laienwelt begünstigt werden. Gediegene Untersuchungen, klare Experimente, gehaltvolle statistische Zusammenstellungen, nüchterne aber desto haltbarere Fortschritte vom Einzelnen und Untergeordneten zum Allgemeineren und Höheren bezeichnen den Geist der heutigen Medicin. Wir stehen jetzt in der wissenschaftlichen Heilkunde auf einem festen Felsen, und dieser Felsen heißt Rokitansky!

Soweit, lieber Leser, die kurze Skizze über Rokitansky’s wissenschaftliche Bedeutung. Nun noch ein paar Worte über Rokitansky’s fernere Schicksale, zugleich zur Erläuterung unseres zweiten Bildchens.

So lange das Metternich’sche System in Oesterreich herrschte, hatte man Rokitansky in seinem Leichenhof so zu sagen eben nur gewähren lassen. Selbst dies verdankte er nur seiner gänzlichen Harmlosigkeit in politischer und jeder anderen Hinsicht. Denn ein Paar seiner Schüler, welche zu sehr sich als ärztliche Freidenker bemerkbar machten und „die würdigen berühmten Professoren der alten Schule für Ignoranten erklärten“, wurden theils gemaßregelt, theils polizeilich beaufsichtigt. Mit dem Umschwunge des Jahres 1848 änderte sich dies. Die neue Schule, längst im Auslande hochgeehrt, kam nun auch im österreichischen Inlande zu Ehren und mit ihr (fast möchte man sagen, zu allerletzt) unser Rokitansky. Er ward Ehrendoctor der Prager Universität und Mitglied der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien (1848), erhielt jetzt auch eine Erhöhung seines bis dahin unbedeutenden Gehaltes, ward Decan der medicinischen Facultät (1849) und Rector der Wiener Universität (1850), endlich Vorsitzender der berühmten k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien, welche zwei weitverbreitete medicinische Zeitschriften herausgiebt. Mehrere dieser Posten hat er seitdem wiederholt verwaltet. Im Jahre 1858 ernannte ihn die k. k. Regierung „in Würdigung seiner vielfältigen und mehrjährigen Verdienste um die Wissenschaft und um die leidende Menschheit“, wie es in dem betreffenden Patent heißt, zum Regierungsrath. Diese Ernennung gewinnt dadurch an Gewicht, daß sie wenig Wochen nachher erfolgte, nachdem Rokitansky zum ersten Mal vor das größere Publicum mit einem ganz von den freisinnigen Grundsätzen der neueren Naturwissenschaft ausgehenden Glaubensbekenntniß aufgetreten war. Er hatte nämlich von der Akademie der Wissenschaften den Auftrag erhalten, bei deren feierlicher Sitzung am 31. Mai 1858 den öffentlichen Vortrag zu halten und wählte dazu das Thema: „Zur Orientirung über die Medicin und deren Praxis.“ (Abgedruckt in der Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte zu Wien 1858.) Offen und unbefangen entwickelte er darin den Standpunkt der neueren Naturforschung und der auf diese begründeten Heilwissenschaft, schilderte deren Verfahrungsweise zur Ermittelung der Wahrheit und zur Uebertragung der gewonnenen Ergebnisse auf die Praxis und beleuchtete die Aufgaben und Schwierigkeiten der letzteren und die sittliche (ethische) Bedeutung des ärztlichen Wirkens. Aus letzterem Abschnitte gestatten wir uns eine kurze Mittheilung, die unsern Mann am besten kennzeichnen wird.

Nachdem Rokitansky erörtert, wie kein Beruf so sehr wie der ärztliche den ganzen Menschen in Anspruch nehme, – wie derselbe, weit entfernt, das Gemüth abzunutzen, vielmehr zum reinsten und aufopferndsten Wohlwollen zu führen pflege, – wie die Aerzte deshalb an allen menschenfreundlichen (philanthropischen) Bestrebungen Theil zu nehmen pflegen, – so fährt er fort: Die hervorragende Geltung der ärztlichen Leistung liege jedoch darin, daß der Arzt in seiner Berufserfüllung dasjenige einsetzt, was er dem Anderen zu retten strebt – das Leben! Gegenüber dem Werke solcher Nächstenliebe schrumpft die Belohnung, welche dem Arzte zu Theil wird, so glänzend sie auch sein mag, zu einer sehr mäßigen zusammen. Zunächst bleibt er angewiesen auf sein Gefühl der inneren Befriedigung. Ueber dieses hinaus ringt er um die Anerkennung seiner Standesgenossen, – als Einer, dem die Wissenschaft den Organismus erschlossen, – als Einer, dessen Gemüth die empfindlichsten Leiden der Menschen in sich aufgenommen, der aber inmitten ihrer erschütternden Einwirkungen besonnen und stark geblieben, – als Einer, dem es vor vielen Anderen beschieden ist, jenen Standpunkt zu erklimmen, von welchem aus sich ein tiefer Einblick in die Bedeutung des Daseins und die Zwecke der Vorsehung eröffnet und von welchem aus er mit dem Sänger ruft: „Der Busen wird ruhig, das Auge wird helle!“

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Neue Reinigungsmittel für Luft und Wasser. Vor etwa fünf Jahren lasen wir in der „Gartenlaube“ von einer neuen, sehr ausdehnungsfähigen, patentirten Nutzanwendung der Kohle für industrielle und Gesundheitszwecke und sahen auch Zeichnungen von verschiedenen Kohlenapparaten dazu. Diese Erfindung des Mechanikers Herrn Carl Bühring in London gründete sich auf eine ungeheure Porosität und chemische Kraft der Kohle. In den zahllosen Poren, Löchern, Höhlen und Winkln der Kohle, die einem quadratfußgroßen Stück in eine Ebene auseinander gelegt die Ausdehnung von vielleicht funfzig Quadratfuß geben würde, verbirgt sich eine ungeheure Menge Luft, welche durch die Kohle die Eigenschaft erhält, chemisch reinigend auf alle Flüssigkeiten zu wirken, welche durch die Kohle hindurch filtrirt werden. Die Kohle hat Aehnlichkeit mit der lebendigen Lunge im Körper. Diese besteht auch aus einem großartigen, feinen Gewebe von Poren, in welchen die Luft durch Aus- und Einathmen chemisch reinigend, Sauerstoff gebend, Nahrung, Leben, Wärme erzeugend auf das Blut wirkt.

Die ganz unübertreffliche chemische Reinigungs- und Filtrirungsfähigkeit der Kohle und deren Conservirungskraft gegen Fäulniß etc. war längst bekannt; aber es fehlte bis zu Bühring’s Erfindung an einer praktischen, wohlfeilen Zubereitung und Gestaltung der Kohle zu diesen Zwecken. Dem Erfinder ist es jetzt nach jahrelangen Kämpfen (die jede Erfindung durchzumachen hat und in denen viele erliegen) endlich gelungen, die Kohle fabrikmäßig zu Filtrirapparaten, Platten für Treibhausbekleidung und Hospitäler, zur Prüfung der Keimfähigkeit verschiedener Sämereien, als Kesselsteinsammler, für elektrische und chemische Schmelzzwecke, zu Blumentöpfen und sogar Tabaksrauchfiltern zu verarbeiten. Die Fabrik befindet sich in Hamburg, Billwärder Deich Nummer 82, von wo jetzt alle Bestellungen Einzelner oder von Wiederverkäufern für Niederlagen oder Agenturen befriedigt werden können. Aehnliche Fabriken in London, Berlin etc. sind Anwendungen der Bühring’schen Erfindung, aber ohne und gegen ihn und dabei mit so fabelhaften Preisen, daß sie entweder die praktische Fabrikation nicht verstehen oder bis 500 Procent Profit nehmen. Anders sind die Preise kaum erklärlich.

Der unberechenbare Nutzen der Bühring’schen Kohlenapparate ergiebt sich aus folgenden Thatsachen. Reine Luft und reines Wasser sind die ersten Bedingungen für alles Leben, thierisches und pflanzliches. Ohne sie kann nichts Lebendiges gedeihen. Durch die Erfindung der plastisch-porösen Kohle von Herrn Bühring, dieselbe in beliebigen Formen für alle Luft- und Wasserreinigungszwecke anwendbar zu machen, hat die Kohle erst die Wichtigkeit erlangt, zu der sie ihrer Natur nach fähig ist. Daß die Kohle die Eigenschaft besitzt, trübes und ungesundes Wasser klar und gesund zu machen, und in der Luft schädliche Ausdünstungen zerstört, auch faule, Giftluft erzeugende Gährungen verhindert, ist längst bekannt, und daher hat auch die Bühring’sche Erfindung bereits die Beachtung gebildeter Industrieller, Agriculturfreunde, Chemiker und Gesundheitsbehörden auf sich gezogen. Aber jeder Mensch braucht gesunde Luft und reines Wasser. Deshalb sollte Niemandem ein Filtrir-Apparat aus Bühring’s Fabrik fehlen, und sei’s nur ein kleiner in der Tasche.

Die gewöhnlichen Wasserfiltrir-Apparate bestehen zunächst aus einem plastisch gepreßten Balle von einer Mischung reiner Holz- und Knochenkohle, und sind nicht hohl, ohne Coaksbeimischung, ohne Metalle, Baumwolle, Haarsieb oder sonstige Hülfsmittel. Sie liefern gegen andere Filter den Vortheil einer chemischen Reinigung, namentlich dadurch, daß sie die giftigen Schwefelwasserstoffgasverbindungen verhindern, das Wasser von allen sonstigen Unreinigkeiten läutern, außerdem selbst sehr leicht zu reinigen, zu tragen und für alle mögliche Zwecke anwendbar sind. So dienen dieselben Bälle zu Hausstandsfiltern mit Glasrohr und Gummischlauch, wodurch man ohne Weiteres aus jedem beliebigen Gefäße in jedes andere fillriren kann, zu immerwährend laufenden Fontainen filtrirten Wassers für Küchen, Comptoirs, Fabriken, die direct mit der Wasserleitung in Verbindung stehen (waren in der Ausstellung zu Hamburg sehr viel im Gange) zu Tischfiltern mit Glastrichter und Flasche, Taschem- und Reisefiltern in Blechdosen, Filtern für Pumpen, Filter-Blöcken für Spiritus- und Oelklärung u. s. w.

Die Kohlen-Platten für Treibhäuser und Hospitäler u. s. w. bewirken als Wandbekleidungen in ersteren durch den fortwährenden Zerstörungs-Proceß schädlicher Luftarten in den Poren einen kräftigen Pflanzenwuchs, in letzteren, wie in jedem anderen geschlossenen Raume, eine fortwährende Luftreinigung. Als schlechte Wärmeleiter halten diese Kohlenplatten die eingezogene Sommerwärme zurück und geben sie während der Nacht langsam wieder aus, weshalb Nachtfröste nicht so leicht möglich sind. Auch befördern sie als Wände sehr bedeutend die Reife und Süßigkeit der Weintrauben. Wasser auf diese Kohlenplatten gespritzt verdunstet langsam und versorgt deshalb Pflanzen stets mit gehöriger Feuchtigkeit. In Hospitälern, Krankenzimmern sind Thüren oder Betten mit diesen Platten bekleidet wirkungsvolle Luftreiniger und deshalb besser als ganze Reihen von Medicinflaschen. Fleisch- und Eisschränke von solchen Kohlenplatten sind

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_750.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)