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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

verschiedenartigen Geschirre und Geräthschaften, daß bei einer nicht genauen Kenntniß der Eigenschaften und Einwirkungen auf einander, bei nicht außerordentlicher Reinlichkeit und Sorgfalt, das Hineingelangen fremdartiger und oft giftiger Stoffe in die Speisen gar nicht zu vermeiden ist.

Am gefährlichsten erscheinen in dieser Beziehung die kupfernen Gefäße; einerseits weil sich in ihnen Kupferoxyd bildet, welches leicht auflöslich ist und daher von den Speisen leicht aufgenommen werden kann, und andererseits, weil alle Kupferverbindungen für den menschlichen Organismus höchst verderbliche Gifte sind. Wie bald aber Kupfer in die Nahrungsmittel gelangen kann, davon nur einige Beispiele. In einem der besten Kochbücher (dem Scheibler’schen, bei Amelang in Berlin) heißt die Vorschrift zum Einmachen grüner Bohnen in Essig und Zucker:

„Ganz junge grüne Bohnen werden von den Fäden befreit und in Wasser mit ganz wenig Salz in einem kupfernen unverzinnten Geschirr gar, aber nicht zu weich gekocht, in kaltem Wasser abgekühlt und zum Abtropfen auf ein Sieb gelegt. Zu 1 Pfund Bohnen koche man 3/8 Quart Essig mit 3/4 Pfund Zucker, einigen Nelken und einem Stück Zimmt auf, und gieße ihn durch ein Sieb kochend auf die in einen Napf gelegten Bohnen. Am nächsten Tage koche man diese in einem kupfernen Kessel einmal auf, nehme sie mit einem Schaumlöffel heraus, lege sie in Gläser, koche den Essig noch ein wenig ein und gieße ihn auf die Bohnen, die damit bedeckt sein müssen.“

Wenn hierzu nicht von vornherein der „unverzinnte“ kupferne Kessel durchaus blank gescheuert ist, jede Fuge, Falte, Beule und jeder Flick mit verdünnter Schwefelsäure (Sauerwasser) und kochendem Wasser gereinigt wurde, dann löst sich das dort sitzengebliebene Kupferoxyd mit Hülfe des Salzes sofort auf. Ebenso entsteht auf dem Drahtsiebe durch die nassen und salzigen Bohnen jedenfalls Eisenrost, der jedoch für die Gesundheit nicht nachtheilig ist. Bleiben dagegen die Bohnen in dem kupfernen Kessel über Nacht oder auch nur bis zum Kaltwerden stehen, so enthalten sie jedenfalls eine bedeutende Menge von essigsaurem Kupferoxyd – den bekannten Grünspan. Dies geschieht oft genug aus Unwissenheit oder Nachlässigkeit, zuweilen aber sogar absichtlich, damit die Bohnen eben die erwähnte schöne, frischgrüne Farbe von dem Grünspan erhalten. Wenn beim Einkochen von Fruchtsäften und Gelee’s, bei der Zubereitung salziger oder Alkalien enthaltender Speisen, saurer Saucen etc. diese bis zum Erkalten in den kupfernen oder Messingkesseln stehen bleiben, so nehmen sie in jedem Falle Kupferoxyd auf. Wird ferner kohlensaures Ammoniak, das sogenannte Flüchtig-, Hirschhorn- oder Kuchensalz in einem Messingmörser gestoßen, der nicht durchaus rein und trocken ist, so wird es sehr giftig und muß sogleich fortgeworfen werden.

Dies Alles wissen die Köchinnen meistens recht gut – wie viel Unheil vermögen aber dennoch Nachlässigkeit, Leichtsinn oder gar böser Wille anzurichten!

In vielen Fällen ist die Vergiftung gar nicht wahrzunehmen, weder zu sehen, noch zu schmecken; warum also soll das Dienstmädchen sich den Aerger machen, den das Eingeständniß ihrer Nachlässigkeit bringen würde – mag’s daher nur so bleiben! Oder das Hirschhornsalz ist nur ein klein wenig grün geworden, weshalb soll die sparsame Hausfrau es fortwerfen – ’s wird ja nichts schaden! Und doch ist in beiden Fällen das Kupfer hinreichend, um, mindestens bei den schwächlicheren Mitgliedern des Hausstandes, arges Unwohlsein hervorzurufen. Unwillkürliches Grausen und Entsetzen müßte uns ergreifen, wenn wir bedenken, wie schon durch die kupfernen Geräthe allein unsere Gesundheit und unser Leben so vielfach von scheußlichem Gift bedroht ist. Diese Furcht verliert sich jedoch bedeutend in Betracht dessen, daß unter der Herrschaft einer verständigen Hausfrau, welche das Wohl der Ihrigen gewissenhaft überwacht, solche Fälle wohl niemals eintreten können. Völlig beruhigt können wir aber erst im Hinblick auf unsere Wissenschaft, die Küchenchemie, sein, denn sie lehrt uns den Weg kennen, auf dem wir in einfachster und zugleich sicherster Weise die Kupfervergiftungen in den Speisen u. s. w. entdecken können. Zum Glück ist diese chemische Analyse so gar leicht, daß sie jede Hausfrau sofort unternehmen kann. In das verdächtige Gericht, sei es Gemüse, Eingemachtes oder was es wolle, wird eine Stricknadel oder ein blankgescheuertes eisernes Messer hineingetaucht und unberührt über Nacht stehen gelassen. Ist das Eisen am anderen Tage roth überzogen, so liegt der Kupfergehalt klar am Tage, und auf diese Art läßt sich dies noch in so geringen Quantitäten entdecken, daß, wenn die Nadel gar nicht roth oder röthlich angelaufen erscheint, wir von der Abwesenheit des Giftes fest überzeugt sein dürfen.

Diese treffliche Probe beruht auf dem bekannten Vorgange der galvanisch-chemischen Reduction des Kupfers.

K. R.





Blätter und Blüthen.

Problematische Existenzen. Berlin hat wie jede andere große Stadt gewisse problematische Existenzen, Menschen, deren Dasein für alle Nichteingeweihte ein verborgenes sociales Räthsel bleibt. Wir sehen eine Menge von Männern und Frauen, welche durchaus kein bestimmtes Gewerbe, kein sichtbares Geschäft treiben und doch in Lust und Freuden leben; von ihnen gilt der Spruch des Evangeliums von den Lilien des Feldes, daß sie weder säen noch spinnen und doch dastehen in Pracht und Herrlichkeit, wenn sie auch sonst mit den Lilien wenig oder nichts gemein haben. Wir wollen auf gut Glück einige dieser dunklen Existenzen herausgreifen und das Räthsel ihres Daseins zu lösen suchen.

Vor uns erscheint ein junger Mann in höchst eleganter Toilette; er läßt sich nur in den feinsten und gesuchtesten Restaurationen sehen, wo er die Bekanntschaft junger Officiere und Cavaliere sucht, die sich merkwürdiger Weise zu unserem Freunde hingezogen fühlen. Bald ist er der Vertraute ihrer kleinen und großen Abenteuer, er kennt ihre Verhältnisse auf das Genaueste, ihre Aussichten, Hoffnungen und Verlegenheiten, den Stand ihrer Finanzen und besonders ihrer Schulden. Mit anscheinender Uneigennützigkeit bietet er ihnen seine Dienste an, welche auch gern angenommen werden. Wenn es ihnen an Geld fehlt, so kennt er einen Geschäftsmann, einen gefälligen, liebenswürdigen Herrn, der sich ein Vergnügen daraus macht, gegen einen mäßigen Zinsfuß seinen Freunden zu helfen. Das Anerbieten wird natürlich mit dem größten Dank acceptirt, ein Wechsel ausgestellt, der gewöhnlich am Verfalltage nicht eingelöst werden kann. Durch die Vermittelung des jungen, liebenswürdigen Mannes wird der Wechsel gegen eine entsprechende Entschädigung prolongirt und, da der Schuldner zum zweiten Mal noch weniger die anwachsende Summe zahlen kann, von neuem unter den früheren oder noch lästigeren Bedingungen verlängert, bis endlich der gefällige Gläubiger die Geduld verliert und mit der Strenge des Gesetzes droht. Zu spät erkennt der junge Officier oder Baron, in welche Hände er gefallen ist; er hat sein Ehrenwort gegeben, und wenn er nicht den Abschied nehmen will, bleibt ihm nichts übrig als sich seinen Angehörigen zu entdecken, welche meist mit schweren Opfern und oft um den dreifachen Preis den verfallenen Wechsel einlösen müssen. Unser Freund, dessen problematische Existenz die Welt sich nicht zu erklären vermag, ist der Lockvogel eines oder mehrerer Wucherer von Profession, die ihn unterhalten, elegant kleiden und mit dem nöthigen Taschengelde versehen, um die Rolle eines vollkommenen Gentlemans im Kreise seiner aristokratischen Bekannten und Freunde zu spielen.

Nicht minder räthselhaft ist das Dasein eines andern jungen Mannes, der den ganzen Tag in Lesecabinets und Kaffeehäusern zubringt, wo er emsig die Zeitungen studirt und sich öfters kleine Notizen in seine von schöner Hand gestickte Brieftasche macht. Seinem Aeußeren und seinem Betragen nach wäre man versucht, ihn für einen Gelehrten oder angehenden Schriftsteller zu halten, obgleich er für keine irgend namhafte Zeitung schreibt. Häufig sieht man ihn in Gesellschaft dieses oder jenes berühmten Künstlers, Schauspielers oder Sängers, mit denen er auf einem freundschaftlichen Fuße steht. Auch die Damen der Oper und des Ballets empfangen ihn mit größter Zuvorkommenheit und Rücksicht, obgleich er, wie bekannt, mit der Kritik nichts zu schaffen hat. Er macht verhältnißmäßig einen bedeutenden Aufwand und erscheint Abend für Abend im Theater, und zwar gewöhnlich in den theueren Prosceniumslogen. Nie wird er bei einem Debut, bei einer ersten Aufführung oder bei einem Benefiz fehlen. Er ist ein großer Enthusiast und verschwendet große Summen auf Blumen und Kränze, die er bei solchen Gelegenheiten den Künstlern zuwirft. Gewöhnlich giebt er auch mit seinen in die feinsten Glacéhandschube gekleideten Händen das Zeichen zum Applaus, ohne daß es dem Publicum einfällt, den feinen, jungen Mann in der Prosceniumsloge für einen gewöhnlichen Claqueur zu halten. Vergehens fragt man, woher er die Mittel zu einem so kostspieligen Leben nimmt, da er kein Vermögen besitzt und notorisch kein Geld bei seiner Lebensweise erwerben kann. Dieses Räthsel löst sich, wenn wir erfahren, daß der uneigennützige Theaterfreund auf Kosten eines oder mehrerer Künstler lebt, für die er in jeder möglichen Weise Reclame macht, indem er ihre selbstgeschriebenen Kritiken in die betreffenden Journale bringt, ihre selbstgekauften Blumen und Kränze ihnen zuwirft, kurz Alles das für sie thut, was sie selbst nicht thun können, mit einem Worte ihre lebendige Reclame ist.

Ueberhaupt ist das Theater und Alles, was damit zusammenhängt, ein höchst fruchtbarer Boden für die problematischen Existenzen, besonders für die gewöhnliche Claque, welche in Berlin zwar noch nicht die Höhe und Ausbildung der Pariser Claque erreicht hat, aber doch ihren Mann

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_703.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)