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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

voll von Details solcher Abscheulichkeiten. Ich erinnere mich noch einzelner Mittheilungen, die mich wahrhaft empörten. So wurde unter Andern berichtet, seine liebste Kurzweil sei das Schlachten; er sei nicht nur ein trefflicher Jäger, sondern auch ein guter Metzger und tauche seine Hände gern in Blut. Genug, Dom Miguel wurde für ein Scheusal ausgeschrieen, das unter den Lebenden nicht seines Gleichen hatte, und sein Ruf brachte den Haß aller Liberalen gegen die aristokratisch-klerikale Partei aller Länder zum Siedepunkte. Und es ging ein wahrer Jubel durch die civilisirte Welt, als den beiden Nachbarssöhnen, Schwägern und Gesinnungsgenossen, die die ganze pyrenäische Halbinsel in blutige Verwirrung gestürzt und an den Rand des Verderbens gedrängt hatten, schnell hintereinander das treulose Handwerk gelegt und sie vom Schauplatz ihrer volksfeindlichen Thaten verjagt wurden.

Don Carlos, der Prätendent von Spanien, mußte, von seinem Bruder, dem König Ferdinand VII., nach Portugal verwiesen, bald nach dessen Tode (29. Septbr. 1833) sich nach England einschiffen, während Dom Miguel vom Heere seines in Portugal gelandeten Bruders Dom Pedro, der unterdessen auch durch eine brasilianische Revolution vom dortigen Kaiserthrone vertrieben war, geschlagen und von der Quadrupelallianz zwischen Spanien, Portugal, England und Frankreich feindlich behandelt, sich in einer Capitulation verpflichten mußte, ferner in Rom zu leben und allen Ansprüchen auf die portugiesische Krone zu entsagen. Daß aber diesem Prinzen Eide und Versprechungen nichts galten, hatte er bereits sattsam bewiesen, und so widerrief er denn auch schon nach wenigen Tagen in Genua seine Verzichtleistung; wodurch er der ihm von der portugiesischen Regierung ausgesetzten Jahresgelder verlustig ging. Dagegen wurde er, in Rom angekommen, vom Papste als König von Portugal anerkannt, wofür Se. Heiligkeit die Ehre hatte, diesen König standesgemäß zu unterhalten.

So lange Gregor XVI. lebte, mochte dies Verhältniß halbweg erträglich sein, zumal die aristotratisch-klerikale Partei bei den fortdauernden fieberhaften Zuckungen des portugiesischen Staatskörpers stets in der Hoffnung erhalten wurde, ihren Schützling Dom Miguel noch auf den dortigen Königsthron zu bringen. Als aber Pius IX. die päpstliche Regierung unter Auspicien antrat, welche Dom Miguel’s Hoffnungen nicht begünstigen zu wollen schienen, obgleich es sich, wie sich bald zeigte, anders verhielt; als in Folge dieser merkwürdigen Täuschung der gute Papst aus Rom flüchten mußte, wie Dom Miguel schon zweimal aus Portugal; als dann nach der Wiederkehr des Papstes (150) die französische freundschaftliche Unterstützung eintrat: da mochte Dom Miguel ein lästiger Kostgänger Roms sein und auf der andern Seite seine unsichere Lage ihm unerträglich werden. Er that dazu, sich derselben zu entziehen, indem er, der fast fünfzigjährige Mann, sich mit einer in Rom lebenden zwanzigjährigen deutschen Prinzessin vermählte (Septbr. 1851). Die Gemahlin des Herzogs von Braganza ist die Tochter des verstorbenen Erbprinzen von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg aus Heubach am Untermain. Daß Dom Miguel von seinen Hoffnungen auf die portugiesische Königskrone keine aufgegeben, zeigte sich bei der Geburt seiner ältesten Tochter, wo von ihm und seiner Partei unzweideutige Demonstrationen in dieser Richtung gemacht wurden, welche, von den durch den schwankenden Charakter der Königin von Portugal herbeigeführten neuen Wirren unterstützt, zu Tage brachten, daß Dom Miguel unter dem alten Adel und der Pfaffheit in Portugal noch eine Partei habe, die nur auf eine günstige Gelegenheit lauere, um die Königin mit ihrem Gemahle, Herzog Ferdinand von Coburg, zu verdrängen und Dom Miguel oder dessen Tochter auf den Thron zu heben. Der unerwartete Tod der vierunddreißigjährigen Königin Donna Maria da Gloria (15. Nov. 1853) brachte diese Bestrebungen vor der Hand zur Ruhe.

In Deutschland hat es die öffentliche Aufmerksamkeit nicht weiter erregt, daß Dom Miguel mit seiner Gemahlin in deren Heimath zog und von der Residenz der katholischen Linie des fürstlich Löwenstein’schen Hauses, wo er anfangs wohnte, die seinige in die ehemalige Abtei Brombach, eine Besitzung der Löwenstein-Rosenberg’schen Familie, verlegte. Mir wenigstens war Alles neu, was ich in Wertheim über Wohnung, Familienverhältnisse und Lebensverhältnisse des Herzogs von Braganza erfuhr.

In Wertheim kannte Jedermann die Person Dom Miguel’s, und sie wurde mir einstimmig als eine von Ansehen sehr unbedeutende geschildert. Mehr als einmal wurde mir gesagt: er sehe aus wie ein alter kleiner Jude. Was mich aber in das größte Erstaunen setzte, war die allgemeine Versicherung von Hoch und Niedrig, daß der Herzog von Braganza ein höchst gütiger, sanfter, liebenswürdiger und vor Allem ein ungemein wohlthätiger Herr sei, für den seine Dienerschaft schwärme, der von allen Menschen in Heubach, Wertheim, Brombach und in der ganzen dortigen Main- und Taubergegend geliebt und geehrt, von den Armen und Hülfsbedürftigen aber wahrhaft angebetet werde. Er thue keinem Thiere weh, geschweige einem Menschen, im Gegentheil wo und wie er einen Menschen erfreuen könne, besänne er sich nicht, sondern gebe im Nu hin, was er eben habe. So sei es buchstäblich schon vorgekommen, daß er den Rock vom Leibe, die Stiefeln von den Füßen an Bettler verschenkt habe. Es wurden mir wahrhaft rührende Beispiele von der Mildherzigkeit und dem Edelsinne des Herzogs erzählt, und sie kamen mir von so glaubhaften Personen und aus den verschiedensten Schichten der Bevölkerung zu, daß an ihrer Wahrheit durchaus nicht zu zweifeln war. Aber noch mehr: durch den Bruder einer Dame, die Dom Miguel in Rom jahrelang gekannt und zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte, erfuhr ich, daß er dort eben so sanft, gut und mildthätig gewesen war, wie jetzt in Franken. Ein ehrenwerther Mann, der den Herzog, gut kannte, sagte mir:

„Es ist keine Spur von Verstellung in ihm; er giebt sich stets und zu aller Zeit, wie er ist. Der Grundton seines Wesens ist Milde, Güte, Menschenfreundlichkeit; und deshalb muß er immer so gewesen sein, denn es ist doch ganz unmöglich, daß die menschliche Gemüthsart sich mit der Zeit in ihr Gegentheil verkehre und daß ein blutgieriges Ungeheuer zum sanftesten Menschenfreund werde. Die geschichtlichen Berichte über das frühere Leben und Gebahren des Herzogs und sein jetziger Lebenswandel, der doch offen vor Jedermanns Augen liegt, sind ein psychologischer Widerspruch, ein unauflösliches Räthsel. Ich bin deshalb fest überzeugt, daß die schlimmen Dinge, die über den Herzog in Umlauf gesetzt worden sind, entweder Erfindungen des Parteihasses waren, oder von Andern, von seinen Anhängern, auf seinen Namen begangen wurden. In Brasilien von der leidenschaftlichen Mutter verzogen, ohne Bildung aufgewachsen, von Weibern und Pfaffen gegängelt und gemißbraucht, beging er natürlich Verkehrtheiten, und Unbesonnenheiten in Menge, und besonders seinem bis zur Verächtlichkeit schwachen Vater gegenüber, sobald man ihm die Ueberzeugung beigebracht, daß er die alleinige Hoffnung und Stütze des Thrones und des Altars in Portugal sei. Seine Thaten sind aus der alten Weltanschauung des König- und des Priesterthums, die er ja mit Tausenden theilt, aus Leichtsinn und Verführung entstanden. Man sollte bei seiner Beurtheilung wenigstens das Eine fest in’s Auge fassen, daß er nie Heuchler war, sondern seine Ueberzeugung stets offen bekannte und für sie als eine ihm heilige Sache nie den Kampf scheute.“

Dies ist die Ansicht eines ehrlichen vorurtheilsfreien Mannes, der den Herzog genau kannte. Ich gebe sie ohne Zusatz wieder und lasse sie an ihren Ort gestellt sein. –

Wir gingen an einem der schönsten Junimorgen über die Berge und theilweise durch Wald, den sehr anmuthigen tiefen Taubergrund, in den uns oft die freundliche Einsicht vergönnt war, zur Rechten, nach dem nur eine Meile entfernten Löwenstein-Rosenberg’schen Gute Brombach. Von weitem schon sahen wir es von einer Berghöhe liegen, und der Anblick erweckt bedeutende Erwartungen, deren größere Hälfte freilich nachher nicht erfüllt wird. Die ehemalige stattliche Abtei liegt auf einer sanft aufsteigenden Fläche der linken Thalseite, ziemlich nahe am Flusse. Der Taubergrund trägt fast in seiner ganzen sechszehnmeiligen Länge denselben Charakter eines tiefen Einschnittes mit steilen Bergwänden, die auf der Südseite mit Wein, auf der Nordseite mit Holz bestanden sind. Die Thalsohle selbst besteht aus üppigen Wiesen. Die Fruchtbarkeit des Thales wird gerühmt; die Tauberweine sind beliebt. Die meist tiefe Einsamkeit des Thals trägt zuweilen das Gepräge der Schwermuth. Dies ist namentlich um Brombach der Fall. Ein weit ausgedehnter hochbewaldeter Berg liegt dem Kloster gegenüber, aus dessen Fenstern das Auge vom hellen Grün der Wiesen sich zum dunklern des prächtigen Waldes erhebt.

Die Geschichte Brombachs, welches 1151 gegründet wurde, ist die aller Cistercienserklöster von hoher Blüthe bis zum Fall durch innere Verderbniß und den Untergang durch den siegenden Protestantismus. Drei Mal war es den Bischöfen von Würzburg gelungen, die Mönche

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