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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

vier Tage bei Leipzig den verbündeten Armeen gekostet. Auf Meilen weit sind die Felder mit Todten, Verstümmelten und Verwundeten bedeckt, und rings um Leipzig her ist die Erde mit Blut getränkt – ein jammervolles Schauspiel des höchsten menschlichen Elends!“

Aber war mit all diesem unermeßlichen Jammer „die Freiheit der Welt“ wirklich erkauft? Nein, dafür aber die Heilige-Allianz-Politik, d. h. nach der ruchlosen napoleonisch-thatensüchtigen, aber auch Thaten zeugenden Tyrannei die nicht minder ruchlose Tyrannei der Impotenz, aus „christlich-germanischer“ Heuchelei, muckerischem Gesüßel und mühlsteinharter Grausamkeit abscheulich gemischt.

Und so hätten die Tausende von deutschen Jünglingen und Männern, die auf alle den Walstätten von Lützen bis Leipzig ihr Blut vergossen, es vergeblich gethan? Abermals nein! Denn aus dieser kostbaren Blutsaat ist die Idee der Einheit Deutschlands hervorgewachsen und zur Vollreife einer sittlichen Macht, zu einer deutschen, ja zu einer europäischen Lebensmacht emporgereift. Und darum, „wenn heut’ ein Geist herniederstiege,“ würde er, über alles das Untröstliche der Gegenwart hinweg den Blick in die Zukunft wendend, trotz alledem und allediesem sprechen können, sprechen müssen: – Tödtet diese sittliche Macht, wenn ihr könnt! Thut euer Schlimmstes, Germania lebt doch in den Herzen von Millionen ihrer Söhne und wird Kämpfer finden, nicht weniger brave als die, welche bei Leipzig gestritten und gestorben – Kämpfer, die weder ihre Losung in der Eschenheimer Gasse, noch ihre Schwerter in den Kyffhäusern einer abgestandenen Romantik holen werden. Ja, thut immerhin euer Schlimmstes, zettelt Ränke mit äußeren Feinden und inneren Verräthern an, ersinnt noch tausend elende Listen, zappelt euch ab in ohnmächtiger Wuth: trotz alledem und allediesem „einst wird kommen der Tag“ – der Siegestag, denn sein Vater ist ein unsterblicher Gedanke und seine Mutter die allmächtige Zeit!




Blätter und Blüthen.

Die ersten Erstürmer von Leipzig. Allgemein hat es bis jetzt als feststehend gegolten, daß Major Friccius, welcher am 19. Oct. 1813 mit seinem Bataillon als stürmender Sieger durch das äußere Grimmaische Thor in die Stadt Leipzig eindrang, zugleich der Erste gewesen sei, der von den Freundesheeren die innere Stadt betrat. Eine Mittheilung, die der Gartenlaube soeben zugeht, macht jener tapfern Schaar wenigstens diese Ehre streitig. Der jetzige preußische Hauptmann a. D. Herr Mayer, zu Dortmund in Westphalen, damals freiwilliger Jäger im Jägerdetachement des Fusilirbataillons des 1. pommerischen, gegenwärtig 2. preußischen Infanterieregimentes „König von Preußen“, erzählt nach der „Tagesgeschichte“ der genannten Truppenabtheilung den Hergang an jenem Sturmtage wörtlich wie folgt und steht mit seinem Namen für die Wahrheit des Berichtes ein:

„Das Füsilierbataillon des 1. pommerischen Regimentes und sein Jägerdetachement waren vom Geschick vorzugsweise ersehen, den Schlußstein dem ewig denkwürdigen Heldenwerke hinzuzufügen, welches Preußens Krieger an diesem Schreckenstage durch die Erstürmung Leipzigs vollbrachten. – Der Feind war auf dem Rückzuge nach dem Naustädter Thore, als etwa 20 Füsiliere und 10 freiwillige Jäger unter Leitung der Lieutenants von Hohendorff und von Sommerfeld die Esplanade erreichten und nachzügelnde Feinde, welche bei dem daselbst aufgefahrenen Wagen-Train sich aufhielten, verjagten. Sie erbrachen eine kleine, in der Stadtmauer angebrachte Pforte und wurden auf solche Weise die ersten, welche von den vielen tausend Stürmenden die Stadt Leipzig betraten. Mit Hurrah schritt dies Häuflein auf einer langen zum Markte führenden Straße vorwärts; mit tausendfachem Hurrah wurde seine Siegeslust von Leipzigs Bewohnern erwidert, welche aus allen Fenstern mit Tüchern ihren Befreiern ein herzliches Willkommen entgegen jubelten. Doch stutzen mußten die Braven, als links beim Einbiegen auf dem Markte Hunderte von Bärenmützen in Reih und Glied sichtbar wurden; aber an diesem Tage wurden vor dem Angriffe die Feinde nicht gezählt, und deshalb machte die kleine Schaar sich fertig die Feuerröhre auf die Menge zu richten. Da indeß die vermeintlichen Feinde in ruhiger Haltung blieben, die Gewehrkolben zum Zeichen friedlicher Absicht nach oben richteten und ein Adjutant mit weißem Tuche winkend näher kam und die Träger der Bärenmützen als die Garde des in Leipzig gebliebenen Königs von Sachsen bezeichnete: so wurde der Marsch unter der Führung eines jungen Leipziger Bürgers in Begleitung einer jetzt schon ziemlich großen Schaar von Einwohnern nach dem Commandanten-Hause fortgesetzt, vor welchem der Gouverneur der Stadt, der General Bertrand, nebst sieben französischen und polnischen Generalen und mehreren hundert Stabs- und Subaltern-Officieren und Gemeinen sich versammelt hatten. Der Gouverneur ging dem Lieutenant von Hohendorff entgegen, übergab demselben seinen Degen und erklärte sich und die ihn umgebenden Officiere kriegsgefangen mit dem Ersuchen, daß es ihm vergönnt bleiben möge, in dem seither bewohnten Commandanten-Hause bis auf weitere höhere Entscheidung bleiben zu dürfen, welches demselben auch sofort gestattet wurde.“

Wir theilen diese interessante Notiz mit, indem wir dazu ausdrücklich bemerken, daß sie der Ehre und dem Verdienst des Majors Friccius und seiner tapfern Landwehrmänner nicht den geringsten Eintrag thun soll und kann, da ihre That ein Heldenwerk bleibt, ob sie nun die Ersten oder die Zweiten in dem siegjubelnden Leipzig gewesen sein mögen.


Erinnerungen an die Leipziger Völkerschlacht und ihre Jubelfeier. Dem jetzt lebenden deutschen Geschlechte wird die Erinnerung an diese Feier eine unverlöschliche sein, es wird also keines Denkzeichens bedürfen, das jene auffrischt; dennoch aber wird sich Jeder gern auch ein äußeres Andenken an die nationale Feier, den großen deutschen Städtetag aneignen, welches noch späteren Generationen vom 18. und 19. October des Jahres 1863 Kunde bringen könne.

Die Gartenlaube glaubt demnach nur auf den Dank ihrer Leser rechnen zu dürfen, wenn sie dieselben auf die von Herrn E. Wengler in Leipzig veröffentlichte Denkmünze zum Jubiläum der Leipziger Völkerschlacht vorzugsweise aufmerksam macht. Die Medaille ist durch Idee und Ausführung gleich empfehlenswert und in vier verschiedenen Arten von Material: in Brit. Metall zu 10 Ngr., in Bronze zu 22½ Ngr., in Silber zu 2 Thlr. 10 Ngr, und in Gold zu 35 Thlr. – entweder direct von Herrn Wengler selbst oder im Wege des Buchhandels zu beziehen.

Wer sich mit einem Andenken an die Jubelfeier zugleich einen wirklichen Zimmerschmuck verschaffen will, der ihm eine der ruhmvollsten Episoden aus der gewaltigen Schlacht begeisternd vor die Augen führt, der kaufe sich die nach Bleibtreu’s bekanntem Gemälde „Die Erstürmung des Grimmaischen Thores durch die Königsberger Landwehr unter Anführung des Majors Friccius am 19. October 1818“ meisterhaft auf Stein gezeichnete Nachbildung von J. Engelbach, die soeben bei Wilh. Korn in Berlin erschienen ist.


Gärtnerantwort. Wir sind zufällig in den Besitz eines Originalmanuscripts aus dem Jahre 1813 gekommen, welches unter andern Zeitgedichten auch folgende sehr hübsche Persiflage enthält. Napoleon verlangt von seinem Hofgärtner ein Bouquet, und dieser antwortet:

Erhabner, mächtig großer Herr,
Ich habe keine Blumen mehr,
Denn die Granaten sind verloren,
Die alten Lorbeern sind erfroren,
Die Immortellen sind geraubt,
Die Palmen hat der Wind entlaubt,
Die Kaiserkrone will verdorren,
Verwelkt sind auch die Rittersporen,
Die Königsblum’ und Löwenmaul
Sind längst schon in der Wurzel faul,
Der Rebenblumen Eisenhut
Zerstörte jüngst des Nordwinds Wuth,
Und Wunderblumen giebt’s nicht mehr,
Nur Tollkraut wuchert noch umher,
Und Kreuzdorn treibet einzig Blüthen,
Drum kann ich Dir nichts Bessres bieten.


Erklärung. Das unter dem Namen Fluid-Ozon durch eines der ehrenhaftesten Handelshäuser Münchens in den Handel gebrachte Waschwasser ist in England unter dem Namen Condy’s Fluid allgemein im Gebrauch, und Condy hat, indem er dessen Wirkungen denen des Ozon’s gleichstellt, damit eine seiner wesentlichen Eigenschaften hervorgehoben.

Der in Nummer 36 unter dem Titel: „Reclame überall“ erschienene Artikel sagt ganz richtig, daß jeder Chemiker (man kann hinzufügen jeder Apotheker) auf den ersten Blick erkennt, daß dieses Waschmittel eine Lösung von übermangansaurem Alkali ist, und dies schließt es in der That aus der Reihe verdächtiger Geheimmittel völlig aus. Da über die Nützlichkeit dieses Waschmittels für die hervorgehobenen Zwecke bei allen Aerzten, die es kennen und anwenden, kein Zweifel besteht, so kann nur der Preis beanstandet werden. Dieser muß natürlich nach dessen Gehalt und Reinheit bemessen werden, und da 2¼ Unzen mit Glas und Verpackung nur 24 kr. kosten und diese Quantität bei seiner Concentration für eine Person auf Monate hinaus reicht, so kann der Preis wohl schwerlich auf die Ausbeutung des Publicums berechnet sein. Der Debit dieses Waschwassers ist bis jetzt ausschließlich nur Apothekern übergeben worden. Um überhaupt die Erlaubniß zu dessen Betrieb in Baiern zu erhalten, mußte den Vorschriften gemäß die Zusammensetzung desselben dem königl. Ministerium des Innern mitgetheilt und von den Sachverständigen festgestellt werden, daß das Mittel dem bezeichneten Zwecke entspreche und dessen Preis im angemessenen Verhältniß stehe.

Man darf wohl voraussetzen, daß ich meinen Namen zur Uebervortheilung des Publicums nicht herleihe, und wenn ich dieses Waschwasser ausnahmsweise empfohlen habe, so geschah dies im Interesse der Verbreitung einer guten und für viele Menschen wohlthätigen Sache; daß ich in keiner andern Weise daran betheiligt bin, bedarf wohl keiner besondern Versicherung.

München, den 26. September 1863. Justus von Liebig.     


Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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