Seite:Die Gartenlaube (1863) 606.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

entzündet werden mußten, weil die Zündhölzchen nicht mehr brannten, sondern der Phosphor nur flammenlos sprudelte. Dagegen bot der Schwamm die interessante Erscheinung, „daß die Luft bei der eigenen Verarmung an Sauerstoff so gierig nach Ergänzung desselben war, daß sie sich selbst in den Verbrennungsproceß der einzelnen Salpetertheilchen theilte und das sonst kaum sichtbare Flämmchen zu einer langen Flamme zog, gleich elektrischen Funken.“ Alle die veränderten Umstände zusammen genommen, Tabaksrauch und Phosphorgeruch, verursachten allgemeine Kopfschmerzen und bei Einigen bereits Schwindel. Es waren somit alle Grade der Luftverschlechterung durchmessen. Bauer schloß die heutige Fahrt, aber nicht ohne eine Art Knalleffect; da der Apparat jetzt am Niveau schwamm, so konnte er plötzlich einen frischen Luftstrom eindringen lassen, um die Wirkung desselben zu beobachten, und so öffnete er denn den großen Lufthahn von 5 Zoll Durchmesser. Die Wirkung war zum Erschrecken stark, denn im Moment des Lufteintritts „erfolgte ein solcher Schlag, daß jeder Einzelne einen Druck auf der Brust und am ganzen Körper fühlte.“ Die Fläschchen mit den verschiedenen Luftsorten wurden den Akademikern zur Untersuchung übergeben.

„Diese Versuche,“ sagt Bauer, „warfen eine alte Behauptung um, denn es war nun erwiesen, daß der Mensch nicht durchaus auf den Sauerstoff aus 180 Kubikfuß für die Stunde zum Leben angewiesen sei, sondern daß er unter Verhältnissen auch bei dem Consum aus 31 Kubikfuß arbeitsfähig bleibe.“

Die Fortsetzung dieser Versuche führte auf einer spätern Fahrt zur Erprobung der Lufterneuerung durch künstlichen Regen. Als die Luft bereits so sauerstoffarm war, daß die Stearinlichter zu erlöschen drohten, preßte Bauer mittelst Pumpe durch die feingelöcherte, S. 556 bereits genannte Röhre einen Sprühregen in den Raum. Sofort lebten die Kerzenflammen wieder auf, und vierzehn Menschen konnten noch dritthalb Stunden in einem Raume von 3060 Kubikfuß aushalten. „Dagegen klagte die Mannschaft bei der chemischen Ergänzung der Luft durch Sauerstoff aus chlorsaurem Kali sehr bald über Kopfschmerzen.“

Auf derselben Fahrt stellte sich heraus, daß zur Lufterneuerung aus der atmosphärischen Luft keine Luftpumpe nöthig sei, sondern daß Röhren von 4 Zoll Durchmesser, vom Apparate aus mit der Atmosphäre in Verbindung gebracht, den Luftwechsel für den innern Raum binnen sechs Minuten vermittelten, wobei (bei 1/3 Atmosphärendruck) auf allen schlechten Wärmeleitern sich Reif zeigte und das Thermometer auf + 4° R. fiel.

Höchst interessant waren die Beobachtungen der Lichtwirkung in der Tiefe. Außer den S. 556 genannten fünf Fenstern im Kopf des Apparats ist der ganze übrige Raum mit noch 10 Fenstern von je 11 Zoll Durchmesser und 2 Zoll Dicke und zwar aus reinstem Krystallglas, nach oben, nach den Seiten und nach der Tiefe versehen. Die Erhellung des Raums durch die Ober- und Seitenfenster hängt natürlich ebenso von der Reinheit des Wassers wie von der Tiefe der Stellung des Schiffes ab, denn während Bauer bei Kronstadt, wenn die Newa nach Regentagen ihren Unrath daher trug, nur 6 Fuß tief schon kaum 4 Fuß weit sehen konnte, vermochte er, als er mit seinem schleswig-holsteinischen Seeteufel im Kieler Hafen lebendig begraben lag in einer Tiefe von 52 Fuß die schlechtgedruckte Aufschrift eines Tabakspacketes ganz gut zu lesen.

Ruhige See und klares Wasser vorausgesetzt, wirkt das Sonnenlicht bis in sehr große Tiefen, und wie die oben auf dem Niveau daherfahrenden Schiffe ihren Schatten in die Tiefe werfen und bei hohem Sonnenstande ihr Nahen oft schon in ziemlicher Ferne an ihrem Schatten zu erkennen ist, so begleitet auch die Gegenstände im Wasser ihr Schatten, und Peter Schlemihl würde, um Leidensgefährten in der Schattenlosigkeit zu finden, vergebens in’s Meer gesprungen sein. Bauer schreibt hierüber: „Allerdings sind auf dem Niveau des Wassers schwimmende Gegenstände, wie Schiffe, Balken u. s. w., von dem Apparat in der Tiefe beobachtet, nur so weit zu sehen, als diese in das Wasser eintauchen, aber ihr körperliches Abfangen des Lichts erzeugt unter ihnen eine lichtlose Stelle, welche sich, je nach der Höhenstellung der Sonne oder des Mondes oder auch künstlichen Lichtes, in die verticale oder seitliche Tiefe zieht und je nach Größe des Gegenstandes und Schärfe der Beleuchtung von 100 bis 500 Schritt als verfolgbare Stelle zum Führer wird. Ich hatte leider nicht Gelegenheit, die Beobachtung eines in einer Glaskugel versenkten Lichtes soweit auszudehnen, daß diese zu einer Scala verzeichnet werden konnte, und mußte die angestrebten Versuche für submarine optische Signale mit farbigen Laternen zu früh aufgeben.“

Dagegen machte Bauer auf einer späteren Fahrt einen andern Versuch, der ohne Zweifel auch zum ersten Mal da war. Er stellte nämlich durch die neben dem Kiel des Apparats angebrachten Fenster submarine Grund-Beobachtungen an, und dabei zeigte sich, daß das Sonnenlicht das moorige Wasser bei Kronstadt nicht genug durchdringe, um in der Tiefe selbst von 16 bis 18 Fuß liegende Gegenstände zu beleuchten. Um dies dennoch zu ermöglichen, wurde mittelst einer großen Reflexlampe durch ein Fenster der betreffende Gegenstand beleuchtet und durch das nächste Fenster beobachtet. Dies gelang so vortrefflich, daß Bauer sofort an eine photographische Aufnahme von Steinen, Wracks etc. ging. Wenn nun diese auch nicht sogleich gelang, wenn Ungeübtheit in der Handhabung des Instruments, Lichtreflex, Schrägstehen der Fenster und ein geringes Rollen des Schiffes durch die Seebewegung nur ein langgezogenes und verbranntes Bild zu Wege bringen ließen, so ist doch durch diese Versuche schon 1856 die Ueberzeugung gewonnen, daß man unter dem Meere photographiren kann.

Ein amüsantes Zwischenspiel gewährte die Beobachtung der stummen Bewohner des Meeres, die durch den neuen Gast in ihrem Reiche in große Aufregung versetzt waren. Besonders wenn im Apparate Lichter brannten, kamen die Fische in Schaaren heran und umdrängten mit den Köpfen die Fenster, folgten beim Fortbewegen in allen Richtungen, und nur ein Schlag mit dem Hammer an die Eisenwand des Schiffes vertrieb sie, aber dann so rasch, als ob sie mit einem Ruck in die Ferne geschleudert würden. Es liegt nahe, daß auch für den Fischfang das unterseeische Schiff sehr vortheilhaft ausgebeutet werden könnte.

Ueber die Seebewegung in der Tiefe schreibt Bauer: „Soweit ich solche (bei Kronstadt) beobachten konnte, reichte sie nur so tief, als die Wellen über die gewöhnliche Niveauhöhe stiegen, und war deren Höhe stets an dem Manometer abzulesen, daher die Behauptung, daß die Wellen keinen Druck nach unten äußerten, vollständig widerlegt ist. Unterhalb dieser Bewegung wirken nur Ströme, doch zeigten sich häufig in Folge der Winde und Aufstauungen von Wasser Wechselströme, welche in der Tiefe von 6 bis 8 Fuß und bei einer Stauhöhe von 5 Fuß oft bis 3 Fuß Stromschnelle hatten, während der gewöhnliche Strom in der Tiefe seine Richtung beibehielt; daher kreuzen sich wohl an einer Stelle von 20 Fuß Tiefe oft drei Ströme, falls nicht der Hauptstrom eines mündenden Flusses oder hohes Gefälle an Buchtenengen die anderen Strömungen in ihrer Wirkung stört.“

Es ist selbstverständlich, daß auch die Akustik in den Kreis der unterseeischen Untersuchungen gezogen wurde. Schon auf dem Grund des Kieler Hafens hatte Bauer die Erfahrung gemacht, daß das Geschrei aus den zahlreichen Booten, die über dem untergegangenen Seeteufel schwammen, bis zu ihm hinunterdrang, wie umgekehrt sein Anschlagen an die Wand des Apparats oben gehört wurde. Aus den Proben bei Kronstadt ergab sich, daß dieses Anschlagen auf mehr als 500 Schritt weit vernehmbar war. „Ein unter Wasser gelegtes Metallrohr“ – schreibt Bauer – „oder ein Schlauch, an beiden Enden auf Kautschukstulpen gestützt, pflanzt den Schall fort, und zwar so, daß er ganz gut zu einer submarinen aktstischen Telegraphie zu verwenden wäre.“

Der denkwürdigste akustische Versuch Bauer’s wird aber immer seine Musik unterm Wasser bleiben. Am 6. Septbr. (25. Aug. alten Styls), dem Krönungstage des Kaisers Alexander II., nahm Bauer außer dem Lieutnant Fedorowitsch und den Matrosen noch vier Trompeter von der Equipage der Flotte (Capitain B. v. Taube) mit an Bord. In dem Augenblicke, wo der erste Kanonenschuß von den Kronstadter Batterien den Beginn der Krönungsfeierlichkeit in Moskau verkündete, senkte sich der Apparat in die Tiefe, die Trompeter stimmten die russische Nationalhymne an, und die Matrosen sangen dazu. Wenn alles Kühne und Zukunftverheißende, das zum ersten Male geschieht, die Seelen der Teilnehmer tief ergreift, so mußte das wohl auch hier geschehen, wo offenbar zum ersten Mal, seit Menschen leben, Musik und Gesang unter den Wogen des Meeres hervorschallte. Die Festlichkeit im Boote, in Tiefen von 27 bis 40 Fuß, währte von 9 bis 1 Uhr, wo die von der russischen Flotte gegebene große Salve anzeigte, daß die Krönung vollendet sei. Im Apparat klang der Ton der Trompeten nicht schmetternd, sondern äußerst weich, wie entfernt, und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 606. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_606.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)