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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


sie die Helden des Tages wurden, ihr Ruhm ist in der heimathlichen und auswärtigen Turngenossenschaft für immer begründet, und das Prädicat „Sieger beim großen Turnfest zu Leipzig“ wird ihnen ein mächtiger Freibrief für alle turnerischen Kreise sein.

Jener Alpenblumenstrauß ist seiner schönen Bestimmung gemäß mit hinaufgezogen gen Norden. Der junge Eichbaum aus Jahn’s Geburtsorte Lanz aber hat seinen Platz vor der neuen Turnhalle in Leipzig gefunden, wo er hoffentlich noch künftigen Geschlechtern ein immer frisches Erinnerungszeichen an das herrliche Fest sein wird.




Wilhelm Bauer’s unterseeische Fahrten.
Von Friedrich Hofmann.
2.

Wie am Schlusse von Nr. 1 dieses Artikels bemerkt ist, kam W. Bauer am 26. Mai 1856, früh 3 Uhr, auf seinem Apparat stehend, von dem nur der schmale Kopf und der breite Rücken, beide schwarz, sich über die Oberfläche erhoben, vor Kronstadt an.

Wer verargt der Schildwache am Thore des Kriegshafens den Schrecken, der sie packte, als plötzlich, wie ein Seegespenst im Morgengrauen aus der Tiefe aufgetaucht, auf den Wogen ihr eine Gestalt näher und näher rückt – und sie endlich sogar mit russischem Commandowort anruft? Hätte der Mann Fassung genug gehabt, auf den fürchterlichen Meergeist zu schießen, wie viel Aerger und Sorge hätte er vielleicht allen Denen erspart, welchen die Störung der ewigen Ruhe des „Ludwig“ im Bodensee so ein Gräuel gewesen ist! – Anstatt zu schießen, lief der Soldat schreiend zum Wachthaus, und ehe man dort über das grause Wunder einig geworden, rannte die Wucht des Seeteufels die Barrière durch, und er hielt auf diese neue Manier seinen Einzug in des Kaisers Hafen.

Nach kurzer Rast begannen die Exercitien mit Schiff und Mannschaft, welche letztere außer Bauer aus einem Officier, 10 Matrosen und einem Schlosser bestand, denen später noch, als beständiger Begleiter Bauer’s im Apparat, ein Lieutenant Fedorowitsch beigegeben wurde.

Bauer nahm zunächst 1800 Pud (1 Pud = 40 Pfd.) Eisenballast auf, wozu noch 540 Pud gußeiserner Auswurfballast in eigenen Hülsen kam. Während dieser Vorarbeiten fuhr der Großfürst Constantin heran, um den ersten Versuchen der Tauchfähigkeit des Boots beizuwohnen. Nachdem das Einlassen von 45,000 Pfund Wasser in die Cylinder begonnen hatte, schloß sich die Luke über der in dem eisernen Ungeheuer eingeschlossenen Mannschaft. Der Apparat hatte jetzt, durch Ballast und Cylinderfüllung, die specifische Schwere des Volumens Wasser, das er verdrängen mußte, um sinkfähig zu werden, erreicht; nur die Deckfenster standen noch über dem Wasser. Alle diese Vorrichtungen waren der Mannschaft neu. Bangen und Neugierde stritt in allen Gesichtern. Nachdem die Cylinder gefüllt sind, geht Bauer zum Directionscylinder und läßt nur 5 Pfund Wasser in ihn eindringen. Da verschwindet das Sonnenlicht von den Fenstern der Decke, die Wogen spielen über sie hin, – völlig gleichmäßig sinkt das Schiff – schreckensstarr, mit offenem Mund, stehen die Matrosen, die Blicke an die Fenster geheftet. Alles schweigt. Da preßt Bauer, mittels der Forcepumpe, das doppelte Quantum Wasser wieder aus, und in fast gleichem Tempo steigt das Schiff zum Niveau, – das Wasser weicht von den Fenstern, – das Licht des Tages dringt wieder in den Raum – und „Staba Bochu!“ – Gott sei Dank! – rufen die aus der Todesangst aufathmenden Russen und bekreuzen sich inbrünstiglich. Es mußte Bauer vor Allem daran liegen, die armen Menschen, die zu diesen Uebungen commandirt waren und denen er nicht das beruhigende und ermuthigende Verständniß der Sachen des Princips, des ewigen Naturgesetzes, nach welchem das Schiff sank und wieder stieg, beibringen konnte, durch die Erfahrung von der Unschädlichkeit dieses Untersinkens bei der Sicherheit des Wiederaufsteigens zu beruhigen und mit Vertrauen zu seiner Führung und mit Stolz auf ihr Schiff zu erfüllen. Und dies gelang ihm schon an diesem ersten Tage. Noch fünf oder sechs Male erbleichten die Gesichter beim Sinken und preßte die gehobene Angst des „Staba Bochu!“ aus, dann war das Submarinefieber für sie vorbei und an die Stelle des Stoßgebets traten gemüthliche, oft recht sinnige und witzige Bemerkungen.

In den folgenden Tagen konnte Bauer mit den Experimenten des Sinkens und Steigens schon weiter gehen und damit nach und nach die der Inclination, des Vor- und Rückwärtsfahrens, des Steuerns, Wendens etc. verbinden. Bis zum 12. Juni waren alle Principbewegungen erprobt und bis auf die Fortbewegungsweise durch Menschenkraft mittelst der Propellerschraube (für die Bauer jetzt eine andere Kraft einsetzt), dem Zweck des Tauchschiffs vollkommen entsprechend gefunden. Daher beging W. Bauer an diesem Tage die stille Feier seiner Erfindung, indem er in 17 Fuß Tiefe den Apparat beharren ließ und hier ein Danksagungsschreiben an den Großfürsten Constantin und an den König Max von Baiern und einige Zeilen an seine Eltern schrieb. Das Schreiben an den Großfürsten unterzeichnete Lieutenant Fedorowitsch mit, für das andere verweigerte er dies, weil ihm der gemessenste Befehl ertheilt sei, alle Experimente mit dem Tauchapparat als strengstes Staatsgeheimniß zu betrachten. Die Schreiben gelangten jedoch sämmtlich an ihre Adresse.

An den nächstfolgenden Fahrten betheiligten sich, auf Bauer’s besondere Bitte und des Großfürsten und des Seeministers Baron v. Wrangel Anordnung, die Akademiker Lenz und Fritsch, um naturwissenschaftliche Beobachtungen in der Meerestiefe anzustellen. Als erstes Resultat dieser Forschungen fand Lenz, und zwar in drei verschiedenen Höhenstellungen, daß der Compaß unter dem Wasser genau so wie über dem Wasser wirke.

Sehr interessante Experimente stellte Bauer über die Beschaffenheit der eingeschlossenen Luft und die Möglichkeit, in ihr zu existiren, in verschiedenen Zeiträumen des Aufenthalts im Schiffe an. Am 2. Juli (1856) nahm er 12 Fläschchen und 12 Pfund Quecksilber in den Apparat und stieg mit dem Lieutnant Fedorowitsch, einem Schlosser und 8 Matrosen Mittags 12 Uhr 30 Minuten in die Tiefe. Jeder Luftzutritt war abgeschnitten, und der Apparat wurde in allen möglichen Bewegungen unterm Niveau und abwechselnd wieder 30 bis 40 Minuten lang und in Tiefen von 12, 15, 17 und 19 Fuß Kiel an der Stelle beharrend erhalten, um die Mannschaft zur äußersten Luftcomsumtion zu veranlassen. Die Temperatur, die beim Einsteigen im Freien 15° R., im Apparat 20° R. war, sank hier nach 30 Minuten bis auf 8° R. und schwankte während des ganzen Experiments zwischen 8 und 10° R. Die Luft wurde von Stunde zu Stunde in ein Fläschchen eingeschlossen und dieses mit genauer Angabe über den Thermometer und Hydrometer, die Flammenlänge brennender Wachs-, Talg- und Stearinkerzen und über menschliche Respiration versehen. Schon nach zwei Stunden zeigte das Talglicht nur noch die halbe Flammenlänge, und nach 4 Stunden 10 Minuten erlosch es. Der Docht desselben konnte von keiner Flamme mehr in Brand gebracht werden; sobald man ihn aber mit Wachs oder Stearin bestrich, brannte er, bis diese Theilchen verzehrt waren, ein Beweis, daß Wachs und Stearin den Sauerstoff noch an sich zieht, wo es der Talg nicht mehr vermag. Das Wachslicht erlosch nach 5 Stunden 5 Minuten, das Stearinlicht nach 6 Stunden 25 Minuten; letzteres hatte gegen sein Ende nur noch eine Beleuchtungskraft von 9 Zoll Durchmesser und zeigte am Flämmchen keine weiße, sondern eine hochrote Spitze. Die im Apparate durch Respiration erzeugte Feuchtigkeit war so groß, daß auf allen Gegenständen große Schweißtropfen sich bildeten und der Docht mit dem Erlöschen der Flamme nicht den mindesten glühenden Rest zeigte. (Hauff, S. 27.)

Da nach dieser Zeit das Athmen in der bereits so sauerstoffarmen Luft noch keine Beschwerden verursachte, die Matrosen sogar ihr vollkommenes Wohlbefinden versicherten, so ließ Bauer aus den großen Cylindern die 45,000 Pfd. Wasser auspressen. Dadurch stieg zwar der Apparat an das Niveau, aber die Luft ward zugleich um so viel verdünnt, als das ausgepreßte Wasser Volumen eingenommen hatte. Ohne den Zutritt frischer Luft zu gestatten, vertheilte er Cigarren an die Mannschaft, die mittelst Feuerschwammes

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_604.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)