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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Bildeten diese Bestrebungen die Glanzpunkte für den Winter, so brachte Frühling und Sommer wiederum andere Vergnügungen. Da die Gesellschaft mehr und mehr an Wachsthum und Ansehen gewann, so fanden sich auch die Mittel, für die schöne Jahreszeit ein Gartenlocal zu gewinnen. Dasselbe befand sich eine Reihe von Jahren in der Kaiserstraße.

In den bedeutsamsten Festlichkeiten, für welche zugleich die größten und zeitraubendsten Vorbereitungen getroffen wurden, gehörten während einiger Jahre die Frühlingsfeste. Sie wurden indeß nicht häufig gefeiert, weil sie sich in Beziehung auf Zeit und Geld zu kostspielig erwiesen. Die Stätten, wo sie abgehalten wurden, waren der Bilkerbusch und der Grafenberg. Im Jahre 1852 machte man die Sache so brillant, daß, soviel ich weiß, keine spätere mehr zu Stande kam. Aber auch manche ernsthafte Kämpfe haben im Schooße der Gesellschaft stattgefunden. Trotz der idealen Zwecke, welche die Kunst verfolgt, sind und bleiben die Künstler doch Menschen und haben so gut ihre Streitigkeiten wie die andern Söhne dieser Erde. Und so machten sich denn in der Schule schon von vorneherein allerlei Differenzen geltend. Zuerst hatten sich Rheinländer und Berliner mitunter in den Haaren gelegen. Später machte man einen Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten. Schließlich gab es eine akademische und eine außerakademische Partei. Die erstere, kleinere war conservativ, die zweite größere war liberal. Dazu stifteten die letztern den Malkasten. Es lag in der Natur der Sache, daß sie ihren Verein auch benutzten, um ihre künstlerischen und gesellschaftlichen Zwecke durchzuführen.

In der Zeit der politischen Aufregung hielten sich natürlich die Akademiker dem etwas ungebundenen Treiben der heißblütigen Jugend fern. Es war dies namentlich in jenen Tagen der Fall, wo der Malkasten seine eigenen Possen aufführte, in denen er weder Freund noch Feind schonte. Als die Gemüther sich beruhigten und Shakespeare auf die Bühne kam, hin und wieder eine Vorlesung gehalten wurde – ich selbst habe mitunter über deutsche Literatur gesprochen – als man Compositionsvereine zu bilden suchte, da fanden auch wieder Annäherungen der Conservativen statt. Man hatte sich außerdem zu gemeinschaftlichen Festen nöthig, wie bei der Feier des hundertjährigen Geburtstages Goethe’s und des fünfundzwanzigjährigen Directorats Schadow’s an der Akademie. So kamen denn auch in diesen Perioden der alte Meister, die Professoren der Akademie und ihre Anhänger. Künstler sind eben keine Leute, die sich einen langen Haß nachtragen. Heute wurde gezankt, morgen reichte man sich die Hand. Heute erklärte man sich den Krieg, morgen schloß man mit Thränen in den Augen den herzlichsten Frieden.

Den Lesern wird es vielleicht interessant sein, einige der Hauptchorführer der Gesellschaft kennen zu lernen. Indem ich unternehme, ihre Portraits zu skizziren, muß ich Emanuel Leutze an die Spitze stellen. Derselbe weilte schon längere Zeit in Düsseldorf und hatte sich in der Profangeschichte als einer der besten Künstler hervorgethan. Geboren in Gemünd in Schwaben, war er als Knabe nach Amerika gekommen, hatte sich als Jüngling der Malerei gewidmet und wählte dann, nach Europa zurückkehrend, Düsseldorf zu seiner Bildungsstätte. Durch seine Arbeiten gewann er sich großes Ansehen unter den Genossen. Dazu war er stets lebendig, anregend, leidenschaftlich in der Gesellschaft gewesen. Seine Unruhe wuchs in der Zeit der Revolution. Man nennt ihn den Stifter des Malkastens. Von ihm soll der Verein seinen Bestand erhalten haben. Als Erfinder des Namens nennen die Einen Chr. Böttcher, die Andern Karl Hübner. Leutze wurde indeß in der Folge sein thätigstes Mitglied, überall ordnend, anfeuernd, oft heftig bis zu entschiedener Tyrannei. Was man aber auch sagen mag, er meinte es stets gut und trug nie einen Groll nach. Zudem muß man gestehen, daß ohne die zähe Art, mit welcher er stets seine Zwecke verfolgte, manche treffliche Dinge nicht in’s Leben getreten wären. Nicht allein für die Gesellschaft opferte er Zeit und Mittel, er ist auch bei der Gründung der deutschen Kunstgenossenschaft, die nun über ganz Deutschland verbreitet ist, an erster Stelle zu nennen.

Leutze hatte dabei treffliche Adjutanten. War er der Präsident der Gesellschaft, so war Hermann Becker, der geistvolle Kritiker, sein Staatssecretair. Eine reiche Bildung, eine feine Ironie, eine gewandte Feder machten ihn den meisten Künstlern in der Geselligkeit überlegen. Er war lange Schriftführer des Malkastens, in welchem Amt ihn später der Landschaftsmaler Alexander Michelis ablöste. Zu diesen gesellte sich zu seinen Lebzeiten der Maler des deutschen Philisters, J. P. Hasenklever, der sich beim Glase Wein überaus behaglich fühlte und diesen Eindruck auch auf den Beschauer machte. Karl Hübner, der durch seine socialen Bilder berühmt geworden war, schloß sich an. Auch er war ein eifriger Förderer der Gesellschaft. Papa Weber, der Landschaftsmaler, erschien als einer der unverwüstlichsten Stammgäste, dem es nie an der gehörigen Derbheit fehlte. Wieschebrink that sich durch seinen trockenen Humor hervor. Ludwig Knaus, der damals noch sehr jung war, wurde mitunter als Sänger auf der Bühne benutzt. Er hatte eine sehr tiefe Stimme, aber sein Gehör war so vernachlässigt, daß sich bei seinen Liedern ein unauslöschliches Gelächter erhob. Und um diese Häupter vereinigte sich nun die ganze brausende rauschende Jugend, die, wenn sie den Pinsel bei Seite gelegt hatte, Lieder sang, Komödie spielte und nach allen Seiten hin den blühendsten Unsinn trieb.

Nach diesen agitatorischen Elementen, die stets in Feuer und Flammen standen, fehlte es aber auch nicht an besonnenen und ruhigen Männern, deren Haltung, so wenig es auch den Anschein hatte, den eigentlichen Kitt und Zusammenhang für die oft zu wild dahinlebende Geselligkeit abgab. Und hier muß ich vor allen andern der beiden Achenbach gedenken. Andreas Achenbach galt schon längst als die erste Größe im landschaftlichen Fach. So ernst er seinen Weg in der Kunst verfolgte, so heiter war er im Leben. Voller Humor, Witz, Satire, Laune, die er stets bunt und toll hervorsprudeln ließ, hielt er doch in den geselligen Angelegenheiten das rechte Maß. So bewahrte er sich das Ansehen nach innen, nach außen aber schützte sein Ansehen die Gesellschaft. In Oswald Achenbach besaß der Malkasten gleichfalls ein sehr nützliches Mitglied. Er war milder, stiller als sein Bruder und befliß sich feiner Formen. In ähnlicher Weise ist der Genremaler Ch. Böttcher zu nennen, der in den letzten Jahren so poetische rheinische Bilder geliefert hat. Schon seltner erschien der phantastische Scheuren, der nicht allein in seinen künstlerischen Entwürfen, sondern auch in seinem Worte, wenn er sich ungenirt fühlt, höchst originell ist. Eine andere eigenthümliche Erscheinung war Theodor Mintrop, der bis zu seinem dreißigsten Jahre hinter dem Pfluge gegangen war und dann durch den Genremaler Eduard Gesellschap, seinen steten Leiter und Begleiter, an die Kunst kam. Man kennt den unendlichen Formenreichthum seiner Gestalten. In seiner Geselligkeit entwickelte er ein außerordentliches Erzählertalent. Die Episoden aus seinem Lehen hörten sich wie die schönsten Dorfgeschichten an. Auch die geistvollen Norweger A. Tideman und Hans Gude erschienen in diesem Kreise. Aus der ältern Generation standen außerdem namentlich Hildebrand, Köhler, Stilke und der Inspector Wintergast in freundschaftlichen Verhältnissen zu der Genossenschaft.

Noch mehr als alle diese Mitglieder gereichte es dem Malkasten zur Ehre, daß C. F. Lessing sich unverbrüchlich zu der jungen Welt hielt. Er ließ den alten guten Spruch gelten: „Jugendblut hat Uebermuth“ und nahm nicht, wie es von andern Seiten geschah, die lustige Art und Weise der frischen Anschößlinge krumm und übel. So viel ich mich erinnere, war er fast immer Mitglied des Vorstandes. Man achtete und ehrte ihn. Seine Anwesenheit hat gewiß manche Uebereilung gehindert, so wenig er auch bei seiner passiven Natur einen directen Einfluß geltend zu machen suchte. Die stille bescheidene Art seines Wesens, die gewissermaßen in einer kindlichen Männlichkeit bestand, mit welcher er sich stets unter der Schaar der jungen Künstler befand, machte einen überaus wohlthätigen Eindruck. Die Anhänglichkeit, welche er der Gesellschaft bewahrte, mußte allen vernünftigen Leuten die Bürgschaft geben, daß der Malkasten auch in seiner übermüthigsten Zeit kein so übles Institut war. Adolph Schrödter, Lessing’s Schwager, zog 1848 nach Frankfurt. Als er zurückkehrte, wurde er, bis die beiden Künstler nach Carlsruhe übersiedelten, dem Malkasten ein treuer Freund.

Als später zeitweise und in den letzten Jahren, wie es scheint, für alle Zukunft eine Vereinigung der ganzen Künstlerschaft erzielt wurde, erhielt der Malkasten aus der Mitte der ältern Künstler noch eine Menge von Elementen, welche nicht wenig zur Belebung der Gesellschaft beitrugen. So betheiligte sich namentlich W. Camphausen, der in der That ein vortreffliches dramatisches Talent besitzt, bei den Theateraufführungen, während Rudolph Jordan durch seine eigenthümliche Komik in Rede und Bewegung stets vielfach zur Erheiterung beizutragen verstand. Und so zählt der Verein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_587.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)