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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Verlobung gilt ohnehin nichts. Eine gestohlene Echte bringt Unglück und ewigen Fluch in’s Haus!“

„Mein armes, armes Kind!“

Die betrübte Frau begann zu weinen. Heinz Osten aber kümmerte sich nicht um sie. Seine Gedanken waren nur bei dem entwendeten Schatze, für dessen Wiedergewinnung er gern das Doppelte seines Werthes ausgegeben haben würde. Nach längerem Schweigen und Sinnen legte er seine Hand sanft auf das Haupt der noch immer weinenden Frau, die gebückt vor der offen stehenden Kiste saß.

„Laß jetzt das Greinen sein, Mutter!“ sprach er. „Mir ist, hoff’ ich, ein guter Gedanke gekommen. Unser Kind wollen wir nicht verschimpfiren, die falsche Echte aber muß der Capitain wieder zurücknehmen! Morgen schon gehe ich zu Krahn. Er muß wissen, wie der Jakobsthaler in sein Haus gekommen ist. Ich denke mir, er hat ihn erhandelt! Es ist seine Art, auf alte Münzen ein scharfes Auge zu haben, und wer mit solchen Dingen handelt, den kennt auch der Krahn. Kennen wir aber erst den Verkäufer, so sind wir auf der rechten Spur, auch den Dieb zu entdecken, der mir diesen Streich gespielt hat. Ich vermuthe, es ist ein verkappter Freund oder ein unversöhnlicher Feind früherer Jahre, der mir den Tod geschworen.“




5.

Dortchen ward sehr betrübt, als der Vater ihr am nächsten Morgen die von Moritz Krahn erhaltene Echte wieder abforderte. Osten ging dabei sehr offen zu Werke, da Sentimentalität durchaus nicht in seinem Wesen lag. Die Tochter ward von dem Diebstahle, der wahrscheinlich schon vor längerer Zeit verübt worden war, unterrichtet und ihr dabei bedeutet, daß nicht von einer Rückgabe, sondern nur von einem Tausch des Verlobungsgeschenkes die Rede sei. Vorher aber habe allerdings entweder der Capitain oder dessen Vater den Nachweis zu liefern, auf welche Weise sie in den Besitz des merkwürdigen Jakobsthalers gekommen seien.

Ohne viel auf die Niedergeschlagenheit der Tochter und die Bekümmerniß der Mutter zu achten, verließ Heinz Osten frühzeitig den Baumhof, die Echte, die ihm ein Gräuel war, in der Tasche. Krahn wollte eben an Bord seines Ewers „Die Glorie“ gehen, als er den Vater seiner zukünftigen Schwiegertochter den Deichsteg herabsteigen sah. Dieser unerwartete Besuch fiel ihm auf und hielt ihn zurück.

„Ist der Capitain daheim?“ rief ihm Osten zu.

„Noch ist er’s, aber er hat Eile. Die Rheder in Hamburg erwarten ihn. Ich will ihn begleiten und Einkäufe zur Hochzeit machen, ’s giebt noch vielerlei herzurichten.“

„Jetzt nicht, vielleicht später! Aus der Fahrt nach Hamburg kann nichts werden!“

„Oho!“

„Ist die Wahrheit. Mußt mir Rede stehen!“

„Worüber?“

„Drinnen im Hause, gegenüber dem Capitain!“

Krahn schlang die gelöste Kette wieder um den Uferpfahl und rief den beiden Knechten zu, sie möchten an ihre ländliche Arbeit gehen. Dann erst gab er Osten die Hand und führte ihn in’s Haus.

Ohne Antwort auf dessen rasche Fragen zu geben, verlangte der Vater Dortchens nur ein Gespräch unter sechs Augen, und legte, als Krahn ihm willfahrte, die mitgebrachte Echte, ganz wieder so verpackt, wie der Capitain sie dem jungen Mädchen überreicht hatte, vor diesen hin, indem er, einen eisig kalten Blick auf ihn richtend, sagte:

„Das da gilt nichts, weil es Dir nicht rechtmäßig zugehört!“

Vater und Sohn fuhren gleichzeitig beleidigt empor und nahmen eine drohende Haltung an. Der kaltblütige und entschlossene Osten ließ sich dadurch nicht irre machen.

„Nur still!“ fuhr er fort. „Ich will Euch nicht zu nahe treten und am wenigsten Euch Unrecht thun. Aber Ihr müßt mir Rede stehen, oder ich nehme mein Wort zurück! Da liegt die Echte! Oeffne das Packet, Moritz, und sieh’ zu, ob Du Alles darin findest, was Du hineinlegtest!“

Der Capitain that es murrend und finster. Er besah und zählte die einzelnen Silbermünzen und bejahte die Frage.

„Wer gab Dir dieses Stück?“ sprach Heinz Osten, den Jakobsthaler aufhebend und ihn klingend wieder hinwerfend. „Ist’s etwa ein Erbstück?“

Moritz Krahn sah seinen Vater fragend an und reichte ihm die seltene Münze.

„Es ist Dein Geschenk für meine Braut,“ sagte er mit erzwungenem Lächeln.

Der alte Krahn verfärbte sich, den Jakobsthaler um und um wendend.

„Ein Erbstück ist’s nicht,“ sprach er nach einer Weile, „aber es gehört mir, und weil ich es für besonders werthvoll hielt, bestimmte ich es meiner Schwiegertochter zum Geschenk.“

„Besitzest Du es schon lange?“ fragte Osten.

„Seit vorigem Herbst.“

„Du hast’s gekauft?“

„Nein!“

„Oder in Zahlung genommen?“

„Auch nicht.“

„Wie bist Du denn dazu gekommen?“

„Mußt Du’s wissen?“

„Wenn Dortchen die Frau Deines Sohnes werden soll!“

Krahn zauderte ein paar Secunden. Dann sagte er ärgerlich:

„Nun denn – ich hab’s gewonnen!“

Die Blicke beider Männer begegneten sich, und Einer suchte die Gedanken des Andern zu errathen.

„Gewonnen!“ wiederholte Osten. „Im Spiel gewonnen! Wer war’s, der solches Stück auf eine Karte setzte?“

„Du hast kein Recht danach zu fragen,“ erwiderte Krahn trotzig. „Im Spiel nimmt man’s nicht immer genau, weder mit den Geldsorten, noch mit den Partnern. Die besten sind immer die, welche das meiste Geld haben und nicht damit geizen. Du bist selbst kein Kostverächter!“

„Seit zwölf Jahren habe ich keine Karte und keinen Würfel mehr in die Hand genommen,“ entgegnete Osten. „Doch darauf kommt es hier nicht an. Spiele, wer Gefallen daran findet, nur hüte sich Jeder, daß er weder mit falschem, noch mit gestohlenem Gelde sich bezahlen läßt! Dieser Jakobsthaler gehört mir und ist mir vor längerer Zeit mit vielen anderen Werthsachen durch einen schlauen Dieb entwendet worden!“

Diese Mittheilung versetzte beide Krahn in große Unruhe. Der Capitain namentlich war in hohem Grade unglücklich; denn er erblickte in dem unseligen Zufall, daß er seiner Braut ein gestohlenes Geldstück als Echte gegeben hatte, ein böses Omen.

„Es ist sehr unrecht von Dir, Heinz,“ sprach der alte Krahn, „daß Du keine Anzeige von dem in Deinem Hause verübten Diebstahle gemacht hast. Es sieht’s Niemand einer Münze an, wem sie von Rechtswegen zugehört.“

Osten erzählte nun, daß er erst bei dem Erblicken des ihm wohlbekannten Jakobsthalers stutzig geworden sei und sich veranlaßt gefunden habe, die Kiste nachzusehen, in welcher seine Frau ihren Schmuck aufbewahre. „Du begreifst also,“ schloß er, „daß ich den Namen des Spielers wissen muß, von dem Du das Stück gewannst!“

„Ich kenne ihn selber nicht,“ versetzte Krahn, „und wahrscheinlich weiß er eben so wenig, an wen er den alten Thaler verlor, den er nur einsetzte, weil er kein anderes Geld mehr bei sich hatte. Uebrigens bin ich fest überzeugt, daß Du von ihm, auch wenn ich Dir ihn nennen könnte, den Dieb eben so wenig erfahren würdest, wie ich Dir ihn namhaft machen kann“

„Du weißt aber doch den Ort, wo Du den Mann trafst?“

„Gewiß! In Hamburg.“

„Die Stadt ist groß.“

„Dicht am Hafen giebt es Verkehrsorte, die viel von unseren Landsleuten besucht werden, da sie bequem für uns liegen und verhältnißmäßig billiges Logis in ihnen zu finden ist. Ueber einem dieser Häuser hängt ein Schild, das ein Schiff im Sturme darstellt. An der Gaffel flattert die Helgolander Flagge. In diesem Hause gewann ich den verhängnißvollen Thaler. Es verging kein Abend, an dem nicht hoch daselbst gespielt wurde, und immer war der mir unbekannte Mann der Erste und Eifrigste unter den Spielern.“

„Würdest Du ihn wieder erkennen ?“

„Sicherlich!“

„Wir müssen nach Hamburg,“ sprach Osten, rasch aufstehend. „Spieler sind pünktliche Leute, wenn sie ihrer Leidenschaft fröhnen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_579.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2019)