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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

überlassen, und nun sah man sie theils in der Festhalle, theils in den Restaurationslocalen auf dem Festplatze aufgepflanzt, um den Sammelplatz für die Turngenossen jener Städte zu bezeichnen. Man würde sich indeß sehr getäuscht haben, wenn man die in der Nähe einer solchen Standarte Sitzenden immer ohne Ausnahme für Söhne der bezeichneten Stadt halten wollte, denn eine solche Absonderung hätte dem Charakter des schönen Festes auch geradezu widersprochen. Es war im Gegentheil eine fortwährende fröhliche Wanderschaft, auf welcher man dem ganzen deutschen Reiche seinen Besuch machte, und überall sah man, wie sich der Norden mit dem Süden und wie sich Ost und West verbrüderten. Die wenigen Tage des Beisammenseins wollte man nützen, um sich Alle zu Freunden zu machen; denn wie bald lagen ja wieder Hunderte von Meilen trennend zwischen den hier so eng vereinten Festgenossen! Wie begeistert aber wurden überall, wo sie sich nur zeigten, die hervorragenden Männer der Wissenschaft, der Dichtkunst und der Volksvertretung aufgenommen! Die Schleswig-Holsteiner besonders waren es, die nicht müde wurden, den Größen deutschen Geistes ihre Huldigungen darzubringen; sie glaubten dadurch am eindringlichsten das ganze Brudervolk zu ehren.

Immer inniger war aber auch der Verkehr zwischen den lieben Gästen und ihren glücklichen Wirthsleuten geworden, und wo man nur fragte, überall hörte man die herzlichsten Versicherungen gegenseitiger Zufriedenheit. Auf dem Festplatze suchte man sich auf und war glücklich, wenn man sich fand, um auch hier einige Stunden gemeinschaftlich verbringen zu können. War dann die Mitternachtsstunde gekommen, wo der Platz sich leerte, dann suchte man wieder das gastliche Obdach auf, sich freudig der herrlichen Eindrücke des Tages erinnernd. War aber ein Turner, dessen zögernder Schritt in den Straßen die Unkenntniß der fremden Stadt verrieht, so brauchte er den Heimweg nicht erst bittend zu erfragen, sondern auf der Stelle waren heimkehrende Bewohner der Stadt bereit, die fremden Gäste bis an Ort und Stelle zu bringen.

Es war jedoch nicht allein die Stadt, welche sich so bereitwillig zur Aufnahme der fremden Turner erboten hatte, auch die umliegenden Dörfer wetteiferten hierin mit der großen Nachbarin auf die edelste Weise. Diese Dörfer gleichen aber sowohl an Ausdehnung als an Bauart ansehnlichen Landstädtchen, und die dort einquartierten Turner waren über den festlichen Empfang und die reiche Ausschmückung in jenen Ortschaften nicht wenig erstaunt. Mehrere dieser Dörfer, besonders aber Eutritzsch, hatten zur Nachtzeit auf dem ganzen Wege von der Stadt an in gewissen Entfernungen oder an Kreuzwegen Posten aufgestellt, welche die heimkehrenden Turngäste zurechtwiesen, gewiß eine anzuerkennende Opferfähigkeit, die solch ein Nachtwachposten voraussetzen läßt.

Ein ebenso origineller als komischer Aufzug versetzte am Dienstag diejenigen, welche so glücklich waren, ihn beobachten zu können, in die größte Heiterkeit. Es wird gewiß Niemand auffällig erscheinen, daß sich unter den sechszehntausend fremden Turnern eine ziemliche Anzahl befanden, die trotz des Turnens einen ganz beträchtlichen Leibesumfang zeigten und die vielleicht das Turnen theilweise als wirksames Gegenmittel der Körperfülle betrachteten; im letzteren Falle war freilich von einem großen Erfolge bei den Betreffenden noch nichts zu bemerken, wenn man nicht Einsicht in die Gewichtaufzeichnungen ihrer Vergangenheit nehmen konnte. Jeder dieser dicken Herren hatte daheim wahrscheinlich gefürchtet, er möchte der einzige dicke Turner sein, der zum Feste in Leipzig erscheinen würde, und man kann sich deshalb auch die Freude und Beruhigung jedes Einzelnen vorstellen, als er unter den Turngenossen noch eine ziemliche Anzahl dicker Leidensgefährten antraf. Da nun gemeinschaftliche Leiden die Herzen fast noch rascher binden, als gleiche Freuden, so wird ein rasch geschlossener Sonderbund der Dicken leicht erklärlich scheinen. Der Gewichtigste unter ihnen, ein trotz seiner gewaltigen Körperfülle ungemein lebendiger und heiterer preußischer Gutsbesitzer, hatte schon am Montage den Plan gefaßt, die zum Feste anwesenden wohlbeleibten Turner auf einem Platze zu versammeln, und man hatte für den nächsten Morgen den unmittelbar vor dem Polizeiamte gelegenen Naschmarkt bestimmt. Hier war nun eine Brückenwage aufgestellt und das Minimalgewicht, welches zum Eintritt in die „dicke Riege“ berechtigte, auf 180 Zollpfund festgesetzt. Jeder erscheinende Adspirant mußte sich der Gewichtsprüfung unterziehen; die Mindergewichtigen wurden von dem dicken Gutsbesitzer der Ehre, in die dicke Riege eintreten zu können, für untheilhaft erklärt, denjenigen aber, die 50 oder gar 100 Pfund Uebergewicht aufwiesen, wurden die Ehrenplätze zugetheilt, und dann setzte sich der ganze Zug, der 40 bis 50 Mann zählen mochte, unter dem Jubel der Zuschauer in Bewegung hinaus nach dem Festplatze, wo sie im Schweiße ihres Angesichtes anlangten. Die von ihnen später abgelegten Proben turnerischer Befähigung sollen zum Theil überraschendsten Resultate ergeben haben; noch mehr aber erwarb sich ihr liebenswürdiger Humor Aller Herzen, und man wurde lebhaft an Silen erinnert, als einer der dicken Herren sich auf ein Faß setzte und mit diesem auf den Schultern von vier seiner kräftigen Genossen in Triumph über den Festplatz getragen wurde, wobei er in improvisirten Versen der Feststadt und der Turnerei, das mächtige Trinkhorn schwingend, ein Hoch brachte.



Kleiner Briefkasten.


V. in L. – Gesuche um Zulassung zur deutschen Seemannsschule in Hamburg, so wie um Mittheilung der Aufnahmebedingungen, Prospecte etc. sind an den Vorstand der Anstalt unter der Adresse „An den Vorstand der deutschen Seemannsschule in Hamburg, abzugeben in Hommer’s Hotel“, zu richten.

M. E. Sp. in Sch. (Baiern.) – Sie beschweren sich bei uns, daß Ihnen sowohl, wie auch Anderen die „Gartenlaube“ von der dortigen Post nicht selten zu spät zugestellt wird, und theilen uns den Grund hiervon in der Ihnen auf Ihre desfallsige Reclamation gewordenen Antwort mit, dahin lautend, „daß der Postexpeditor – ohne wirklicher Mitleser zu sein – immer ein Exemplar selbst lese und es hierauf erst dem Abonnenten zustellen lasse.“ Wenn solche Ungehörigkeit in einer geordneten Postverwaltung, wie wir sie bei Ihnen annehmen, noch vorkommt, so haben Sie sich bei der betreffenden vorgesetzten Behörde selbst zu beschweren, oder wenn Sie wünschen, daß wir diesem Mißstande abhelfen, so müssen wir um Nennung des Namens des betreffenden Beamten bitten, um ihn als schlechten Verwalter entweder verklagen, oder, Behufs gehöriger Controle Seitens des Publicums, hier namhaft machen zu können. Die „Gartenlaube“ erscheint regelmäßig Freitags und muß durch die dortige Post spätestens am darauf folgenden Sonntage in Ihre Hände kommen.

J. L. in Nürnberg. Ihr Brief ist Herrn Bauer mitgetheilt.

M. R. in Oschatz. In dieser Beziehung: Ja!

H. E. in Gotha. „Die Rache“ steht zur Verfügung.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_560.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)