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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Studien, namentlich über die eben damals brennend werdende Sclavenfrage, legte er in mehreren, mit gewohnter Feinheit und Klarheit geschriebenen Aufsätzen in R. Haym’s „Preußischen Jahrbüchern“ (1. Bd.) nieder.

Als im Jahre 1859 die Wogen der öffentlichen Meinung in Deutschland wieder höher zu gehen anfingen, blieb auch Riesser, mit seinem so warm patriotisch schlagenden Herzen, davon nicht unberührt. Zwar die erste Anregung zu einem tätigen Wiedereingreifen in den Gang der Ereignisse im Sinne der alten Parteibestrebungen von 1848, von damaligen Genossen an ihn im April 1859 gebracht, fand ihn noch

Gabriel Riesser.

ungläubig in Bezug auf die Möglichkeit einer Erneuerung jener Bestrebungen: er sah die Anhänger der strengeren Einheitspartei zum Theil in sich selbst gespalten, unklar oder schwankend, die allgemeine Stimmung (er verweilte damals eben in Frankfurt a. M.) im ganzen Süden heftig gegen Preußen eingenommen, und glaubte daher, daß die Einheitspartei kaum in der Lage sein werde, die Initiative für eine Verbesserung der deutschen Verfassung zu ergreifen, daß sie abwarten müsse, ob eine solche Initiative von anderer Seite ergriffen, oder durch den Gang der Verhältnisse selbst angebahnt werden möchte, um sich dann, nach gewissenhaftem Ermessen, dem anzuschließen, „was sie als das annähernd Beste erkennen würde.“ Als jedoch die Entwicklung der Ereignisse und das Bedürfniß einer Einigung über die brennenden nationalen Anliegen schneller, als es anfangs geschienen, zu einer persönlichen Annäherung und Verständigung der Nationalgesinnten hindrängte, da konnte auch Riesser, seiner ganzen Natur nach, einer solchen nicht fern bleiben. Schon im Juli zeigte er sich der Betheiligung an einem gemeinsamen öffentlichen Auftreten im Sinne einer neuen Nationalpartei nicht abgeneigt. Der Eisenacher Versammlung vom 13. August, zu der man ihn eingeladen, war er verhindert beizuwohnen; doch schloß er sich den dort Vereinbarten an, wenn schon die Schwierigkeiten des Unternehmens ihm auch jetzt noch überwiegend, die vorhandenen Hoffnungen und Kräfte zu deren Ueberwindung aber zur Zeit wenig Erfolg versprechend erschienen.

Auf der Frankfurter Versammlung, wo der Nationalverein zu Stande kam, war Riesser gegenwärtig, ward auch in den Ausschuß des Vereins gewählt. Doch schied er im Jahre 1861 freiwillig aus diesem letzteren wieder aus, da andere berufsmäßige Pflichten ihn ganz in Anspruch nahmen und überdies das zunehmende Alter bei ihm in dem Bedürfniß einer größeren Sammlung und in einer wachsenden Scheu vor Unternehmungen, deren Ziel nicht klar abzusehen schien, sich geltend machte. Doch hat er, wie schon ein Brief von ihm aus dem Juli 1859 bewies, und wie auch die „Wochenschrift des Nationalvereins“ in einem warmen Nachruf auf ihn anerkennend bestätigt, der Bildung einer neuen Freiheits- und Einheitspartei durch Verschmelzung der Constitutionellen und Demokraten rückhaltslos beigestimmt, ja er schien damals zu wünschen, daß die Ersteren, gemäß ihren Traditionen von 1848, die Initiative der neuen, auf ähnliche Ziele gerichteten Bewegung ergreifen möchten.

In seinen letzten Lebensjahren ward ihm noch die Freude zu Theil, in seiner Vaterstadt die Rechte und Ehren zu erlangen, die ihm längst gebührt hätten, von denen ihn aber früher eine unduldsame Gesetzgebung ausschloß, und damit zugleich – was ihm ungleich wichtiger war – das Princip thatsächlich zur Geltung gelangt zu sehen, für welches er sein Leben lang gekämpft hatte. Nachdem er im Jahre 1858 als Advocat in Hamburg immatriculirt, bald darauf bei der Neubesetzung der Vicepräsidentenstelle im Handelsgericht mit auf die weitere Wahl gesetzt worden war, ward er im Jahre 1859 zum Mitgliede des Obergerichts gewählt, – der erste Jude, nicht blos in Hamburg, sondern in ganz Deutschland, der ein richterliches Amt bekleidete! Gleichzeitig führten die auf Grund der Verfassung vorgenommenen Wahlen ihn in die Vertretung Hamburgs, die Bürgerschaft, und das Vertrauen dieser Versammlung berief ihn auf den Vicepräsidentenstuhl.

Leider sollte diese ohnehin so verspätete Befriedigung ihm nicht lange unverkümmert bleiben; die Reibung politischer Parteien in dem engen Rahmen eines so kleinen Gemeinweseus nimmt nur zu leicht einen geschärften, und namentlich einen persönlichen Charakter an. So erging es auch hier: Riesser, in seinen Ansichten weniger wohl über das letzte Ziel und Maß der anzubahnenden Reformen, als über das schnellere oder langsamere Tempo derselben, von einer entschiedener vorandrängenden Richtnug überholt, ward auch persönlich bei Seite geschoben und bei der Erneuerung der Versammlung im vorigen Jahre nicht wieder gewählt – eine Zurücksetzung, die ihm, im Bewußtsein seines langen, redlichen, immer nur dem Edelsten gewidmeten Strebens, mir Recht tief schmerzlich sein mochte. Indeß war Riesser einer von Jenen, die das Gute und Rechte thun, weil es das Gute und Rechte ist, und weil sie gar nicht anders können, nicht aus eigensüchtigen Beweggründen, aus Eitelkeit oder Ehrgeiz, und so wird ihn eben jenes innere Bewußtsein auch über die Verkennung, die ihm hier widerfuhr, erhoben und getröstet haben. Seinen Manen ward vollste Genugthuung dafür zu Theil durch das ehrende Gedächtniß, welches ihm die Bürgerschaft Hamburgs, ohne Unterschied der Parteien, in einem so glänzenden Begräbnisse, wie lange dort nicht gesehen worden, seine Glaubensgenossen in Frankfurt aber durch eine Stiftung widmeten, die seinen Namen verewigen soll – diesen Namen, der überdies mit der Geschichte der edelsten Toleranz- und Humanitätsbestrebungen, mit der Geschichte der Emancipation in Deutschland und zugleich mit der Geschichte der deutschen Einheitsbestrebungen und des deutschen Verfassungswerkes von 1848 unauflöslich verknüpft ist.




Aus dem Schweizer Schützenfest zu La Chaux de Fonds.

Wir haben unseren Lesern in Nr. 32 und 33 die Erinnerungen eines begeisterten Festgenossen von La Chaux de Fonds mitgetheilt, der umstehende Holzschnitt führt sie vor das Bild eines der bewegtesten Augenblicke dieses Volksjubels der freien Schweizer und ihrer deutschen, italienischen und französischen Gäste. Unter der Schaar unserer Landsleute werden die hervorragendsten von ihren Freunden und Bekannten wohl leicht herausgefunden werden. Die Portraitähnlichkeit derselben mag zugleich die Authenticität unserer Abbildung bezeugen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_536.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)