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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

so weit und so lange entfernt sind wie sie wollen, ihnen verjährt ihr Heimathschein nicht und ihr Staatsbürgerrecht geht ihnen nie verloren. Aber auch die Schweizer im Inland hatten den Gabentempel reich bedacht, so daß es nicht weniger als 565 Preise waren. Die beiden höchsten, nämlich je 6000 Francs, waren vom schweizerischen Bundesrath und von der Regierung des Cantons Neuenburg gestiftet, der niedrigste Preis, von einer kleinen Schützengesellschaft herrührend, waren 6 Francs. Die höchsten Preise, die überhaupt gewonnen werden konnten, waren den beiden Scheiben „Vaterland“ im Standkehr und Feldkehr zugetheilt. Sie konnten nur von Schweizern gewonnen werden und hatten beide einen Werth von 2800 Francs. Der eine von diesen beiden höchsten Preisen bestand in Gold- und Silberbarren von Schweizern in Schanghai, der andere bestand in 2000 Francs in baar und einem silbernen Becher von Schweizern in Rio de Janeiro sowie in mehreren Flaschen Wein und in Cigarren aus der Schweiz selbst.

Unter den Gaben selbst befanden sich nicht so viele und nicht so schöne Kunstwerke wie in Frankfurt, dagegen mehr Geldpreise. Gaben, wie das Trinkhorn des Nationalvereins und des Herzogs Ernst von Coburg, oder der Elfenbeinbecher der Stadt Wien, oder die Fruchtschale der preußischen Fortschrittspartei habe ich in La Chaux de Fonds nicht gesehen. Doch befanden sich auch einzelne sehr schöne Kunstsachen dort, so: eine silberne Bierkanne mit zwei Bechern und einem Teller (1500 Francs an Werth) von den Schweizern in Paris; eine silberne Vase, das Ehrengeschenk der Direction des italienischen Nationalschießens zu Turin (1200 Francs an Werth), der silberne Candelaber, der Becher, ein Gemskopf auf Rehbockstangen ruhend, und eine Carasine von Krystall mit silbernem Rebenlaub und goldenen Trauben (zusammen im Werte von 1725 Francs) von dem Schützenverein zu Frankfurt. Sehr reich war auch die Gabe der Freimaurerloge in La Chaux de Fonds, ein silbernes Besteck im Werth von 1200 Francs; sehr praktisch waren die 39 Ordonnanzstutzen und die zahllosen goldenen und silbernen Uhren; sehr ansprechend, wenigstens für uns Deutsche, war ein Geldpreis von 400 Francs, gestiftet von „vier preußischen Fortschrittsmännern“.

Schon am Mittwoch Morgen gingen wohl an hundert von unseren Leuten fort, um in den savoyischen oder den Alpen des Berner Oberlandes sich auch ein wenig umzusehen; fast eben so viele folgten am Donnerstag und Freitag, und mich selbst litt es in dem Lärm und Gewühl des Festes nicht länger als bis zum Sonnabend. Wir alle sind geschieden voll Dank gegen die gastliche freie Schweiz, voll Dank auch gegen die liebenswürdigen Bewohner von La Chaux de Fonds, voll hoher Achtung vor der sittlichen Tüchtigkeit einer Nation, die uns, ohne von einer Polizei überwacht zu sein, in Mäßigkeit, Friedfertigkeit und in ihrem freien Anstand während des ganzen Verlaufes des Festes ein glänzendes Beispiel von öffentlicher Volkserziehung gegeben hat. Für den erhebendsten Tag aber, den wir auf unserer Schützenfahrt in der Schweiz erlebt, haben wir schon in La Chaux de Fonds öffentlich unseren Dank ausgesprochen, und dessen Wortlaut mag denn auch hier den Schluß meines Berichtes bilden:

„Abschied der deutschen Schützen.

Liebe Eidgenossen! Ihr habt den deutschen Schützen einen Empfang bereitet, der uns tief gerührt hat, der unvergeßlich für alle Theilnehmer, ehrend für unser ganzes Vaterland ist. Glich doch unsere Fahrt durch Euer schönes Land mehr einem Triumphzug Euerer eigenen Söhne! Nehmt dafür unseren heißesten Dank. Ihr habt uns Euer Herz erschlossen, wie nie ein Volk! Möge der in der Festesfreude geschlossene Freundschaftsbund dauern für alle Zeit. Auf Wiedersehen in Bremen!“




Nach der Schlacht bei Großbeeren.

Am Morgen des 23. August 1813 befand sich ganz Berlin in einer aufgeregten, bangen Stimmung. Die Arbeit ruhte, leer waren die meisten Werkstätten, die Läden zum Theil geschlossen. Trotz des umwölkten Himmels und des in einzelnen Schauern niederströmenden Regens gingen auf den Straßen Tausende unruhig auf und ab, blieben stehen, sprachen mit einander, Männer mit Männern, die sich nie zuvorgesehen, allein die Besorgniß, welche aus Aller Augen blickte, hatte schnell ein Band zwischen ihnen geknüpft. Kanonendonner hallte bald einzeln, bald in schneller Aufeinanderfolge dumpf und erschütternd in der Stadt wieder. Er war der Grund der aufgeregten, bangen Stimmung. Nur wenige Stunden von Berlin entfernt hatte ein Kampf begonnen, von dessen Ausgange das Geschick der ganzen Stadt abhing, abgesehen von den unberechenbaren weiteren Folgen, welche ein Sieg oder eine Niederlage für den ganzen Krieg mit sich bringen mußte.

Mit 80,000 Mann, die zum größten Theil aus Sachsen bestanden, war Oudinot gegen Berlin herangerückt, um nach Napoleon’s Plan: Berlin, Breslau und Prag zu nehmen und zu besetzen, mit der preußischen Hauptstadt den Anfang zu machen. Ihm gegenüber stand das Nordheer der Verbündeten unter dem Befehle Bernadotte’s, des Kronprinzen von Schweden. Eine Schlacht zwischen beiden Heeren hatte begonnen.

Großes stand auf dem Spiele. Für Preußen vielleicht Alles. Mit der festen Zuversicht, in Berlin einzuziehen und an der ihnen in mancher Beziehung verhaßten Stadt Rache zu üben, waren die Franzosen und Sachsen herangerückt. Noch war Napoleon’s Kriegsglück und Ruhm zu wenig erschüttert, das Selbstbewußtsein des deutschen Volkes war noch zu jung, um ohne Besorgniß ein solches Heer, wie es Oudinot führte, herannahen zu sehen. Dazu kam noch, daß man auf Bernadotte mit wenig Vertrauen blickte. Er hielt fest an dem von den preußischen, österreichischen, russischen Herrschern und ihm bestimmten allgemeinen Kriegsplane, welcher so lange ein Zurückweichen des angegriffenen Armeekorps vorschrieb, bis es den drei verbündeten Heeren gelungen sei, sich möglichst zu vereinigen und den französischen Herrscher mit Uebermacht zu erdrücken. Er zögerte deshalb, mit einem Würfel Alles auf das Spiel zu setzen, und mochte vielleicht auch für seine Schweden allzu besorgt sein. Dazu kam noch, daß er bei der Berathung über einen Rückzüg nach Norden und das Aufgeben Berlins auf Bülow’s Einrede ausgerufen hatte: „Was ist Berlin? eine Stadt, nichts weiter!“ Die Aufregung der Berliner, welche zunächst um das Geschick ihrer Stadt besorgt waren, war dadurch noch gesteigert. Zwar hatte Bernadotte nachher die Versicherung gegeben, daß die Stadt vom Feinde nichts zu besorgen habe, doch man vertraute derselben nicht mehr.

Wenn der Kampf für das Nordheer unglücklich ausfiel, oder wenn dasselbe zurückgedrängt die Stadt aufgeben mußte, so war sie verloren. Zwar waren während des Waffenstillstandes auf dem Kreuzberge und am Schafgraben Schanzen aufgeworfen, und hierher eilte an diesem Tage mancher entschlossene Landstürmer, unter ihnen Buttmann und Schleiermacher mit ihren „weithin schattenden Lanzen“, Fichte mit zwei Paar Pistolen in dem breiten Ledergürtel und Iffland mit dem Helm und dem Brustharnisch der Jungfrau von Orleans angethan, um die Stadt zu vertheidigen; allein jedem nur etwas unbefangenen Auge konnte es nicht entgehen, daß durch jene Schanzen das Geschick Berlins nicht abgewandt, ja vielleicht nicht einmal um eine Stunde verzögert werden konnte.

Die Unruhe und Angst wuchs mit jeder Minute. Versprengte und Verwundete aus dem Gefechte, welches am Tage zuvor bei Blankenfelde stattgefunden hatte, kamen in die Stadt und steigerten die Aufregung, weil man sie anfangs für Flüchtlinge aus dem an diesem Tage stattgefundenem Kampfe hielt. Der Donner der Geschütze schien bald näher zu kommen, bald sich mehr zu entfernen, und mit ihm wechselten Furcht und Hoffnung. Lange, angstvolle Minuten und Stunden schwanden hin. Vergebens suchte man von den Thürmen und dem Kreuzberge südlich von der Stadt durch Fernrohre etwas über den Fortgang der Schlacht zu erfahren.

Schon am Morgen, sobald der erste Donner der Kanonen gehört war, hatten sich Manche zu Roß und Wagen nach der Gegend begeben, aus welcher der Schall der Geschütze kam, um so schnell als möglich Auskunft über den Fortgang und den Erfolg der Schlacht zu erhalten. Von ihnen kamen am Nachmittage einige zurück, oder von ihnen abgesandte Boten, welche die Nachricht brachten, daß der Hauptkampf um und in der Nähe des Dorfes Großbeeren stattfinde, daß die preußischen Truppen im Vortheil seien und namentlich die Landwehr unter Bülow Wunder der Tapferkeit thue. Der Sieg sei fast schon gesichert. Boten auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_523.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2019)