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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

ganzen Einrichtung frappirte mich eben so sehr durch ihre Neuheit als durch das Gefühl der Zweckmäßigkeit für diesen Stand. Bei den 22 anwesenden und sehr tapfer zulangenden rothbäckigen Zöglingen machten augenblicklich die Honneurs der Bootsmann und der zweite Unteroffizier, wie denn solche abwechselnd Tag und Nacht, bei irgend größerer Anzahl Versammelter, von einem oder mehreren dieser unmittelbar Vorgesetzten überwacht, geleitet und in seemännisch-geschäftlichen Handgriffen (z. B. Splissen, Knotenmachen, Malen u. dgl. m.) unterrichtet werden. Die sämmtliche Nahrung der jungen Leute besteht schon jetzt in einfacher Seemannskost, schiffsmäßig zugerichtet und, wie ich zu bemerken glaubte, gern genossen.

Vom Speisesaal begaben wir uns in die verschiedenen Magazine, Kabelgatt (ein Raum zur Aufbewahrung von Tauwerk, Segeltuch u. s. w.), Waschlocal, und von da nach oben in den Schlafsaal. – Wer je im Innern eines großen Kriegsschiffes gewesen, dem wird dieser weitgedehnte Raum mit seinen die Balken tragenden Stützen voll Hängematten ganz den Eindruck des Zwischendecks eines mäßigen Linienschiffs machen, nur daß der vorliegende zum Vortheil der Benutzer etwas höher und luftiger ist. Mehrere Reihen sogenannter Schiffskisten, die bekanntlich in seltener Compendiosität den Kleiderschrank, die Wäsch-Kommode, Schreib-Secretair, Geldschatulle, ja nicht selten sogar den Speiseschrank in sich vereinigen, waren so geordnet und gestellt, daß jede als Stufe zu dem schwebenden Nachtlager dienen konnte, in das hinein zu gelangen übrigens nicht so leicht ist, als es sich Mancher etwa denken mag. Der Neuling oder Unvorsichtige geht oft eben so schnell wieder jenseits hinaus, als er diesseits hineingekommen.


Der Takelboden der deutschen Seemannsschule.

Nicht minder interessant erschien mir der große Takelboden, wo eben in der Zeit meines Besuchs die Vorbereitungen zur Instandbringung der Takelage für das erwähnte Schulschiff unter unmittelbarer Leitung des Bootsmanns und abwechselnd der Unterofficiere getroffen wurde. Zu andern Zeiten wird daselbst vorzugsweise Tauwerk bearbeitet oder, wie die Seemannssprache es nennt, „geschiemannt“. Von hier bestiegen wir das auf dem Giebel des Hauses errichtete niedliche Observatorium, dessen ostensibler Zweck (abgesehen von der prachtvollen bis über Harburg hinausreichenden Fernsicht) den nothwendigen Unterricht im Gebrauch nautischer Instrumente in sich befaßt; denn der Unterricht in dieser umsichtig geordneten und trefflich geleiteten Anstalt umfaßt das ganze Gebiet der Navigation, Praxis und Theorie, vom Schiffsjungen bis zum Capitain hinauf.

Von den überall durchschrittenen Räumen erwähne ich nur noch das geräumige, helle und freundliche Schullocal für Sprachunterricht, so wie namentlich das Navigationsschullocal, wo in Mathematik und Nautik von einem fest angestellten Lehrer unterrichtet wird, und das ich mit den gewöhnlichen Schulbänken und Tischen höherer Lehranstalten, nebst einem kleinen Katheder und Wandkarten für mathematische Geographie u. s. w. zweckmäßig eingerichtet fand.

Der Geist, der in dieser neubegründeten Anstalt herrscht, ist, wie ich mich belehren ließ und nach der flüchtigen Uebersicht glaublich fand, der Natur des Seemannsstandes nach, ein zwar disciplinirt ernster und strenger, jedoch durch Humanität gemilderter, der auch ohne Kopfhängerei der Religiosität ihren bescheidenen Antheil nicht versagt. Es kommen gewaltig ernste Momente im Leben des Seemanns vor, wo er Gelegenheit und dringenden Anlaß findet, den Blick hoch über die brausende Woge und die Wolken hinaus in eine unbekannte Ferne zu senden.

Später begaben wir uns auf das eigentliche Element der munteren Burschen, auf den Strom, wo wir den eleganten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_493.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)