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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Carl Ernst Bock.

Von diesem Bildungsgange her schreibt sich aber auch jener radical-realistische Charakter, welcher unserem B. in wissenschaftlicher und anderer Hinsicht von jeher eigen ist. Beim ihm handelt es sich stets um die Sache, sehr wenig um die Form, gar nicht um romantische, ästhetische, zartfühlige Ansprüche oder Zuthaten. Es kann gar nicht anders sein. Wer von Jugend auf das wirkliche Innere des Menschen bei Leichenöffnungen beschaut, und tagtäglich die Strebungen des Menschen mit diesem unserem schließlichen unabwendbaren Endziele vergleicht, – wer mit Schädeln und Gerippen wie mit seines Gleichen umgeht und in jedem lebenden Mitmenschen nur ein unsecirtes Präparat sieht: für den giebt es (wenn er überhaupt ein denkender Mensch ist) gewiß wenig Täuschungen. Aberglaube, Gespensterfurcht, Priestertrug, Gesellschaftsheuchelei, Prüderie und Vornehmthun müssen an einem solchen wie Wasser vom Wachsteller abrinnen. Irdische Größen können ihm nicht imponiren. Wenn es einmal dahin käme, daß Jedermann schon in der Schule den Bau und die Verrichtungen des menschlichen Körpers durch eigene Anschauung am Leichnam kennen lernte, so würden wir eine Menge von Vorurtheilen, welche heutzutage noch in den Köpfen des Volkes herrschen, spurlos dahin schwinden sehen. Und zwar gewiß zum Vortheil aller Betheiligten, mit Ausnahme der Dunkelmänner und der Unterdrücker.[1]

  1. Man erzählte vom alten Bock eine Anekdote, die seine gänzliche Furchtlosigkeit veranschaulicht. Eines Abends hielt er eine Leiche in beiden Armen aufrecht, an welcher sein Professor R. ein feines Präparat herausarbeitete. Letzterer löscht das Licht aus. Er geht, um es wieder anzuzünden, und bittet Bock: „Die Leiche ja nicht aus den Händen zu lassen, damit nichts verderbe.“ In den Korridors des Paulinum forttappend findet er in einer Stube lustige Gesellschaft. Er muß ein Glas Grog mittrinken, muß sich einsetzen, einen Robber Whist zu spielen: seine schwache Seite! Endlich – nach einer Stunde – fällt ihm sein Profector ein! und dieser (Bock sen.) hatte während der ganzen Zeit mit der Leiche in den Armen gemüthsruhig im Finstern gewartet!
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_485.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)