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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

„Nur Vermutungen, gnädige Frau,“ mußte ich ihr erwidern, „die ich eben darum Ihnen noch nicht mittheilen darf. Hätten Sie die Güte, mir ein Zimmer anweisen zu lassen, in dem ich ungestört verweilen kann? Ich werde Sie nachher hier wieder aufsuchen.“

Sie klingelte. Ein alter Diener erschien.

„Georg, führe Er den Herrn in das grüne Zimmer.“

Es war der alte Kutscher Georg, vor dem Holm sich hatte dürfen sehen lassen. Die andere Dienerschaft war bei dem Feste beschäftigt. Dem alten Mann durfte ich vertrauen.

„Gnädige Frau,“ bat ich die Hausfrau, „hätten Sie noch die Güte, mir den alten Georg zur Disposition zu stellen?“

„Georg, Er empfängt die Befehle des Herrn Kreisjustizraths.“

„Folgen Sie mir, Georg.“

Ich verließ mit ihm das Zimmer.

„Ist der Baron Föhrenbach noch im Garten?“

„Ja, Herr. Er war zwei Mal in das Haus gekommen, seitdem die gnädige Frau in ihrem Zimmer ist. Er fragte nach dem Herrn Holm. Als aber Niemand von dem wußte, kehrte er wieder zurück.“

Ich ging in den Garten, zu dem Festplatz. Es wurde getanzt. Der Baron Föhrenbach war da. Er tanzte nicht mit, sondern sah dem Tanze zu. Seie Braut tanzte. Die Arme! Der Herr von Föhrenbach kam mir doch verändert vor. Er sah noch finster genug aus. Aber seine Züge waren erschlafft. Er schien mehr in sich gekehrt zu sein. Ich trat zu ihm.

„Mein Herr, dürfte ich Sie bitten, mich in das Haus zu begleiten?“

Er fuhr zusammen. Aber er faßte sich eben so schnell wieder, und nun war das finstere Gesicht wieder hart und trotzig.

„Zu welchem Zweck, mein Herr?“ fragte er.

„Sie werden es erfahren.“

„Mein Herr, ich finde die Antwort eigenthümlich.“

„Sie werden auch die Gründe für diese Eigenthümlichkeit erfahren.“

„Mein Herr, Sie fordern mich in sonderbarer Weise heraus!“

„Herr von Föhrenbach, ich spreche als Beamter mit Ihnen Sie kennen mich doch?“

„Sie sind mir ja als der Herr Kreisjustizrath vorgestellt,“ sagte er vornehm.

„Ja, und als Kreisjustizrath hätte ich ein paar Fragen an Sie.“

„Sie dürfen Sie hier nicht an mich richten?“

„Ich dürfte es wohl, aber ich wünsche es nicht.“

Er hatte sich doch besonnen.

„Wohlan, so werde ich Ihren Wünschen entgegenkommen.“

Wir gingen zum Hause. Der alte Georg folgte uns. Im Hause wollte er mich zu seinem Zimmer führen.

„Darf ich bitten, mir zu folgen,“ sagte ich. „Georg, führen Sie uns in das grüne Zimmer.“

Er machte keine Einwendung weiter. Georg führte uns in das grüne Zimmer.

„Sie warten draußen,“ befahl ich ihm.

Ich war mit dem Baron Föhrenbach in dem Zimmer allein. Ich hatte noch immer nur sehr entfernte Vermutungen gegen ihn. Seine Abwesenheit zur Zeit des Verbrechens war zwar festgestellt; aber er hatte die Aufträge der Frau Bertossa besorgt, und wenn er nun jene Nacht in dem Städtchen zugebracht hätte? Wenn er gar selbst am Sonntag Abend da gewesen wäre und der Schmuggler Joes Lubatis sich in seiner Person geirrt, oder wenn dieser Holm, oder Holm mir die Unwahrheit gesagt hätte? Ich durfte ihm nichts auf den Kopf zusagen. Ich durfte ihm nicht einmal von dem Morde sprechen. Aber an etwas Anderes durfte, konnte, mußte ich am Ende anknüpfen, und riß dann der Faden nicht, so war ich gegen ihn der völlig berechtigte Inquirent auch für den Mord an der Grenze.

„Mein Herr, Ihr Name?“ fragte ich ihn.

„Sie nannten mich ja selbst schon Baron Föhrenbach,“ antwortete er.

„Haben Sie den Namen immer geführt?“

„Man hat mir nie einen andern Namen beigelegt.“

„Kennen Sie den Criminalrath Heitmann in L.?“

Ich hatte ihm den Namen meines Freundes, jenes Inquirenten genannt, der vor vier Jahren die Untersuchung wegen Ermordung des Viehhändlers gegen ihn geführt, und in dessen Gegenwart ich ihn in seinem Gefängnisse gesehen hatte. Er konnte auf die Frage vorbereitet sein; er mußte es sein, von dem Momente an, da ich das Verlangen an ihn gestellt hatte, ihn allein zu sprechen, wenngleich ich mit keiner Miene nur angedeutet hatte, daß ich ihn kenne. Die plötzliche Frage machte ihn dennoch verlegen, verwirrt. Er wechselte die Farbe, er schlug die Augen nieder.

„Den Criminalrath Heitmann?“ fragte er zögernd, wie sich besinnend.

Dies gab mir auf einmal ein Uebergewicht über ihn, das ich, diesem eben so frechen wie gewandten Menschen gegenüber, doppelt benutzen mußte.

„Mein Herr,“ sagte ich ihm auf den Kopf zu, „warum hat meine Frage Sie verwirrt gemacht?“

„Verwirrt?“ erwiderte er, indem er sich zusammenzunehmen suchte.

„Nun ja. Was anders war es, wenn Sie sich auf einen Mann und einen Namen besannen, der Ihnen seit vier Jahren keinen Augenblick aus dem Gedächtniß gekommen ist?“

Ich war in der That sein Herr geworden. Er hätte mir einfach erwidern können, er habe keine Lust gehabt und habe sie auch noch nicht, mir auf etwas zu antworten, was mich nichts angehe. Ich hatte dann, für den heutigen Abend wenigstens, ein schweres oder gar ein verlorenes Spiel gegen ihn.

„Ich konnte mich in der That nicht sogleich besinnen,“ erwiderte er.

„Sie haben sich also jetzt besonnen?“ fragte ich.

„Ja.“

Und mit dem Worte schlug ihm die helle Gluth des Zornes in das Gesicht, des Zornes gegen sich, gegen mich, daß er sich von mir hatte imponiren lassen, daß ich ihn in einer Falle gefangen hatte, die ihm eine sehr verhängnißvolle werden konnte. Das einzige Wort Ja brachte ihn zum Bewußtsein; er konnte nicht mehr zurück.

„Dann,“ fuhr ich rasch fort, „werden Sie sich auch wohl auf den Namen des Viehhändlers besinnen, wegen dessen Ermordung Sie damals in Untersuchung und Haft waren?“

„Ja,“ sagte er wieder, mit unterdrückter, aber desto mehr in ihm glühender Wut.

„Und der Mann hieß?“ fragte ich.

Ich spielte durch die Frage mit ihm. Ich mußte es, um ihm ganz mein Uebergewicht über ihn zu zeigen. Er nannte den Namen. (Schluß folgt.)

Ein Pharus der deutschen Zukunft.
Von Ludwig Storch.

Es ist ein sehr charakteristischer Zug unsres heutigen Geschlechts, und es unterscheidet sich darin scharf von seinem Vorgänger, daß es von einem mächtigen Seelendrange zu den schönsten Berghöhen unseres herrlichen Vaterlandes immer und wiederholt geführt wird und besonders in die zerfallenden, meist um so malerischeren Mauern der alten Zwingburgen des brutalen Feudalismus, damit es an der Stätte finstrer Gewalt und scheußlichen Hasses die Lichtfeste der Freiheit und der Liebe feiere und sich die Seele mit Schönheit sättige, die das Sennenlicht von allen Seiten den stattlichen Berghöhen zuführt.

Das nördliche Deutschland hat schon viele solche Leuchtthürme und Wallfahrtsberge des nach Seelenfreude hungrigen, nach Sonnenschönheit durstigen jungen Deutschthums, und es tun sich dort mit jedem Frühling neue auf; das südliche ist in diesem modernen Bergcultus noch zurück, obgleich fürstliche Hand vorleuchtend die Walhalla und den Siegestempel auf schöne Donauberge baute und manche alte Burg prächtig restaurirte, Aber Licht, Leben und Liebe glühen in den süddeutschen Herzen so mächtig und schlagen in so prächtigen Liederflammen empor, daß der Norden fast davon beschämt wird; der Triumphwagen des Geistes der Neuzeit schwingt seine mit Feuersternen gestickte Wolkenfahne (in diesem Zeichen wirst Du siegen!) immer weiter auf der Eisenstraße durch die Thäler und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_468.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)