Seite:Die Gartenlaube (1863) 463.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

können Licht und Luft am besten einwirken, die Törfe völlig stärken und auch innerlich austrocknen.

Das Beste thut daran der Wind, der durch die durchlöcherten Ringeln hinzieht, wie dies auch schon Plinius, wo er in seiner Historia Naturalis vom Torfmachen im nordwestlichen Deutschland spricht, sehr richtig anmerkt, indem er von den alten Chauken sagt, daß sie „die brennbare Erde ihres Landes, mit der sie ihre Speisen kochten und ihren Leib wärmten, mehr mit Hülfe der Winde als der Sonne trockneten.“ Da der Wind natürlich die Spitzen der kleinen Kegel kräftiger angreift, als den Fuß, der auf dem feuchten Boden steht, und in den der Regen hinabsinkt, so wird es zuweilen nöthig gefunden, in diesen Pyramiden das Unterste zu oberst zu bringen oder, wie sie hier sagen, „umzuringeln“. Die kleinen mühsam gebauten Kegel werden umgerissen und dann so wieder aufgebaut, daß nun die bisher untersten Törfe der Wohlthat des Luftzugs, der auf die Spitzen wirk, theilhaftig werden.

Ist der Sommer, wie er es in Nordwestdeutschland oft zu sein pflegt, sehr naß, und kehren Gewitter und Regenschauer häufig wieder, so dürfen die armen geplagten Leute sich die Mühe nicht verdrießen lassen, wie Penelope ihre Arbeit zu zerstören und wieder herzustellen, ihre Pyramiden aufzubauen und einzureißen, unaufhörlich zu „ringeln“ und wieder „umzuringeln“.

Ist diese Bäckerei, bei der man, wie man sieht, nicht, wie beim Brodbacken, über Nacht zum Ziele kommt, die sich vielmehr durch mehrere Monate hinschleppt, endlich gelungen, sind die Torfkuchen innerlich ganz trocken, so beeilt man sich, um die fertige Waare vor ferneren Unfällen – beim Torf heißt das vor Naßwerden – zu schützen. Wie man sie zum Trocknen immer lockerer zerstreuen und vereinzeln mußte, so geht man umgekehrt nun darauf aus, sie immer mehr zu sammeln und in größeren Massen zu vereinigen. Wie jene Zerstreuung, so kann auch diese Vereinigung nur allmählich und stufenweise geschehen. Zunächst legen sie die Brocken noch auf dem Lagerplatze selbst schnell in sogenannte „Klikken“[1] zusammen. Es sind längliche Haufen von 8–10 Fuß Länge, 3 Fuß Breite und 5–6 Fuß Höhe. In diesen „Klikken“ steht der Torf meistens einen Theil des Spätsommers, und kann darin schon manchen Regenschauer, wie es in jener Zeit zu kommen pflegt, vertragen und abschütteln. Es schadet ihm nicht viel, wenn er nur innerlich ganz durchtrocknet ist.

Ist ein fahrbarer Canal in der Nähe, so kann er auch gleich aus den Klikken in die Schiffe verladen und in die Welt verfahren werden. Sonst wird er aus den Kliken zunächst zu den Schiffsplätzen gebracht und dort in großen „Hopen“ (Haufen) aufgestapelt. So kann er nun im Herbste wohl Monate lang liegen, und der bösen October- und November-Witterung trotzen, bis man die Schifffahrt mit ihm antreten und den Markt beziehen kann. Soll die Waare durchgewintert werden, so werden dafür noch größere „Hopen“ (Haufen) gebaut, die wohl 50 kleine Schiffsladungen und mehr enthalten.

(Schluss folgt.)



Blätter und Blüthen.

Die Hebung des „Ludwig“. „Rorschach, 3. Juli, 3 Uhr Nachm. – Ludwig gehoben auf achtzehn Fuß Grund. Alles gut gegangen. Brief mehr. Bauer.“

So lautete die telegraphische Freudenbotschaft über den Sieg einer Erfindung, für welche durch die „Gartenlaube“ die Theilnahme aller Deutschen in einer Weise angeregt worden ist, wie dies in der Geschichte der Erfindungen, namentlich in Deutschland, ohne Beispiel dasteht. Um so mehr fühlt die Gartenlaube sich verpflichtet, ihren Lesern eine eingehende Beschreibung der sämmtlichen Hebungsarbeiten zu geben; während jedoch die nöthigen Illustrationen hierzu hergestellt werden, glauben wir einstweilen den Freunden der Bauer’schen Bestrebungen eine Freude zu bereiten, wenn wir Ihnen die lebendige Schilderung über die Arbeiten der letzten Tage bis zur Hebung des Ludwig nach einem Briefe W. Bauer’s mittheilen.

In unserem vorläufigen Bericht (in Nr. 27) haben wir den Kampf Bauer’s mit den von ihm in den Dienst seiner Erfindung gezwungenen Elementen bis zum 20. Juni verfolgt. Von da bis zum 26. war es ihm gelungen, seine Ballone am Schiffe zu befestigen, so daß an diesem Tage Bauer die Hebung durchführen wollte. Aber gerade da brachen alle möglichen Widerwärtigkeiten noch einmal in voller Stärke gegen ihn los. Er schreibt u. A.:

„Eben hatte ich den Taucher August Schroff zum Ludwig entsendet, um den letzten nöthigen Reserveballon zu befestigen – es war 10½ Uhr –, da kommt wie Teufelshauch aus klarem Himmel ein Windstoß, und in zwei Minuten sind unsere Schleppschiffe vom Ludwig abgetrieben, und zwar so, daß ich den Taucher, welcher außen am Radkasten den Haken zu befestigen hatte, quer über den Ludwig reißen mußte. Da er aber den Haken bereits angebunden hatte, so verstrickte er sich mit dem Luftschlauch und der Signalleine – den beiden Lebensfäden des Tauchers in der Tiefe – in das Doppeltau, an welchem der Haken vom Arbeitsschiffe hinunter zum Ludwig gelassen worden war. Ich fühlte das durch das in meiner Hand befindliche andere Ende der Signalleine, ich erkannte sofort die ihm drohende Gefahr, aber im Augenblick konnte ich ihm nicht helfen, denn wir wurden so vom Sturme fortgeschleudert, daß uns selbst noch ein Ankertau riß. Das zweite mit dem unseren verbundene Schleppschiff konnte nicht schnell genug gelöst werden, daher es erst nach mächtiger Spannung das Verbandseil selbst absprengte, – wir zogen, wir ließen nach – ich signalisirte – Alles, Alles war vergebens. Da lass’ ich einen Seitenanker kappen, wir stellen unser Schiff in den Wind, und – o Glück! – unsere Taue (am Ballonhaken) lösen sich richtig auseinander, und der arme gezerrte Schroff kommt endlich lebend und wohlbehalten wieder heraus. Dieser Vorfall und die heftigen Wellen bewogen mich, für diesen Tag die Arbeit einzustellen.

Am 27. Juni fingen wir von Neuem an, den Reserveballon fest zu machen, und verbanden den Ludwig mit dem dritten rückwärts gegen Bord gestellten Schleppschiff. Nun ließ ich pumpen, – die Signalstange am Vordertheil des Ludwig steigt bis 5 Fuß, die am Hintertheil bis 3 Fuß – – da wölbt sich’s plötzlich auf dem See, und herauf kommt ein losgerissener Ballon und schleudert eine mehr als 14 Fuß hohe Welle mit sich in die Höhe. Die Schleppschiffe und Gondeln rollen gewaltig, und die Welle schlägt über Deck. Der Ballon ist gut und unverletzt, nur der Haken war der Zugkraft gewichen. Unbeirrt von diesem Zwischenfall ließ ich weiter pumpen. Zehn Minuten vergehen, – die vordere Signalstange steigt noch um 2 Fuß, – da, abermals ein Wogengewühl, kommt der zweite Radkastenballon herausgestürmt und schleudert uns die Wellen auf’s Schiff, – und wieder ist der stärkste Haken von vierzölligem Winkeleisen abgerissen. Macht nichts! Weiter pumpen! Und abermals steigt die Stange, – da rufen Hunderte: „Er kommt! Er kommt!“ – Grauen erfaßt die Menge. Das Wasser ist wie Schlamm, der Gischt von austretender Luft steigt höher und höher, – aber so rasend schnell fährt der Ludwig in diesem Wasserberg herauf, daß uns die Woge über Deck läuft und an 5 Fuß hoch über Niveau steigt. Die Radkasten schwingen sich über das Wasser auf, – aber der Rückfall des Ludwig sammt der durch ihn mit gehobenen Masse Wasser äußert einen so heftigen Stoß auf die Ballons, daß fünf Haken aus- oder abspringen, und mein alter Steiger steigt wieder in die Tiefe hinab. – Aber Ruhe ist ihm nun nicht mehr gegönnt. Wieder lasse ich pumpen, und siehe, das Hintertheil folgt meinem Rufe. Steh’ auf! Compaßkasten und Geländer ragen 5 Fuß über das Wasser empor. Das war gegen 9 Uhr des Abends. Die Nacht bricht an. Ich lasse ein starkes Seil unter dem Ludwig durchfahren und hüben und drüben je einen Ballon festmachen; – des Himmels Antlitz wird immer finsterer –; ich lasse bei Licht tauchen, und um 11 Uhr wird noch ein Schlauch auf einen kleinen Ballon geschraubt, und die Dampfpumpen „Stettin“ und „Nürnberg“, sowie die beiden „Bremen“ spielen wacker auf zu diesem Tanz; – da sehen wir in der Ferne Blitze, ein Gewitter ist im Anzuge. Um nicht das gehobene Schiff in neue Gefahr zu bringen und zugleich Verlust am Hebematerial zu erleiden, muß ich den armen Ludwig wieder möglichst langsam niederzulassen suchen. Um 11½ Uhr erschallt der Ruf: „Der Ludwig sinkt!“ – und mit stummer Trauer sehen wir ihn an diesem Tag zum zweiten Male in sein Grab zurückkehren.

Am 28. aber war die Last und Adhäsion des Ludwig gehoben, er ruhte in weichen Kissen, und am 29. wurden vier der losgerissenen Ballons wieder befestigt, eine Arbeit, die um 5 Uhr Abends vollendet war. Am 30. sollte nun die Hebung des Schiffs durch ein langsames Steigen desselben bewirkt werden. Die Locomobilen wurden geheizt, die Feuerwehr von Rorschach hat sich eingestellt, um ihre hülfreiche Hand dem Werk zu bieten. Alles ist bereit, – aber auch die tückische Laune des Wetters, die mich hier verfolgt. Es erhebt sich ein Wind, der die Segel aller Boote prachtvoll schwellt, nur mir fährt er quer durch die Seele, denn jetzt brauchte ich Stille in der Luft und Ruhe auf dem Waller. Wir warten und warten, aber erst um 4 Uhr des Abends wird es ruhig, aber nunmehr ist’s auch zu spät, und dazu gehen die Wellen immer noch 3–4 Fuß hoch, so daß das Tauchen, falls ein abermaliger Unfall es nöthig machen sollte, unmöglich würde. Um also mit der Arbeit nicht wieder in die Nacht zu kommen, stellte ich sie für diesen Tag ein.

Der 1. Juli erfreute uns mit gutem Wetter. Die Arbeit beginnt, alle Pumpen spielen, und um 2 Uhr steigt der Ludwig nun zum dritten Male, aber prachtvoll und ruhig herauf. Da – ein Schlag – ein großer Ballon bricht seine sieben Zoll dicke Boye von Eschenholz entzwei und fährt mit solcher Gewalt an’s Tageslicht, daß er noch 12-15 Fuß hoch frei über das Wasser emporspringt. Mit diesem Ballon sind 240 Centner Tragkraft verloren, und dieser Verlust genügt, um das Schiff zum dritten Male zur Niederfahrt zu zwingen. Um den Schaden wieder gut zu machen, wurden am 2. Juli außer dem zuletzt entwichenen noch zwei Ballons an den Ludwig befestigt – natürlich war jede neue Erfahrung eine Lehre für eine sicherere Befestigungsweise – und so konnte denn endlich am 3. Juli die Hebung so weit vollzogen werden, als das Telegramm sie

  1. Das Wort „Klik“, Plur. „Klikken“, heißt so viel, als kleine Massen, Portionen. Es hängt wohl mit unserm hochdeutschen „Kleks“ zusammen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 463. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_463.jpg&oldid=- (Version vom 4.6.2020)