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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Fangen wir gleich da an, wo der ganze Festesjubel sich sammeln und entfalten wird – auf dem Festplatze. Wer da weiß, wie die nahe Aussicht auf eine bevorstehende großartige Feier eine ganze Bevölkerung in immer steigende Erwartung und Aufregung zu versetzen im Stande ist, der wird es den guten Leipzigern nicht verargen, daß sie schon jetzt Sonntags und an schönen Wochenabenden in unabsehbaren Zügen zum Zeitzer Thore hinauspilgern, um sich an dem allmählichen Wachsthum der festlichen Bauten zu ergötzen. Mehrere Hunderte von Zimmerleuten sind an allen Ecken und Enden des weitläufigen, mit vier Ellen hohen Planken umgebenen Platzes emsig beschäftigt; die massenhaften Gebälke, schon vorher auf den Zimmerplätzen in der Stadt zurechtgearbeitet, fügen sich zusehends zum Riesenbau zusammen, der schon heute – vierzehn Tage, bevor unsere Leser diese Zeilen zu Gesicht bekommen – in seinen allgemeinen Umrissen erkennbar ist. Eile thut aber auch, mit dem Bau der Festhalle wenigstens, Noth, denn schon am 26. Juli soll der große Bau vollendet sein – so lautet wenigstens der Contract mit den Festwirthen, die an diesem Tage ein Probeessen veranstalten wollen. Und dieses Probeessen lassen sich die Leipziger nicht nehmen, in allen Schichten der Bevölkerung freut man sich auf den „Vorgeschmack“ der Feiertage; einen Richtschmaus will man halten, an dem sich ganz Leipzig männiglich betheiligt – wer weiß denn auch, ob während des eigentlichen Festgedränges für den Leipziger Bürger cum familia ein behäbiges Plätzchen in der Festhalle so leicht zu finden ist. So verbindet sich mit den regelmäßigen Inspectionswallfahrten, die von Hunderten und Tausenden nach dem Festplatze unternommen werden, ein solides, materielles Interesse; die rüstig arbeitenden Zimmerleute wissen das und stehen nicht an, den neugierigen Zuschauer freiwillig oder unfreiwillig seinen Tribut „für den Durst“ zahlen zu lassen. Wir bemerken übrigens, daß die Beschreibung der Festhalle, die wir neulich geliefert haben, nicht mehr ganz zutreffend ist; es fallen nämlich in Wirklichkeit die beiden vieleckigen Seitenbauten hinweg. Die Kosten des Baues stellen sich dadurch auf circa 5000 Thaler billiger, ohne daß ein wesentlicher Verlust an Sitzplätzen im Innern entsteht. Die Orchester, zu deren Aufnahme jene Anbauten anfänglich bestimmt waren, werden nunmehr in dem früher freigelassenen mittleren Raume der Halle ihren Platz finden. Außer der Festhalle erheben sich zahlreiche kleinere Bauten auf dem Festplatze: die große Bude für den Festausschuß, eine kleinere für ein telegraphisches, ein Post-, ein Wechselbureau etc., denen sich in ziemlicher Anzahl die größeren und kleineren Wirthschaftsbuden zugesellen; eine fliegende Restauration gewährt schon jetzt den Arbeitern und den Besuchern die zum Lebensunterhalte nöthigsten Erfrischungen.

Während nun der Bauausschuß unablässig thätig ist im Anfeuern der Arbeitsleute auf dem Festplatte, hat auch der Wohnungsausschuß eine riesige Arbeit begonnen und – Gott sei Dank! – bald und mit Glück vollendet. Freiquartier für 10,000 Mann – für ein Heer zu beschaffen, erforderte selbst in der quartiergewohnten Meßstadt Leipzig ganz besondere Anstrengungen. Daß die Leipziger, so sehr sie auch an der Idee des Festes hangen, dem Wohnungsausschusse ihre Quartierangebote nicht in den Schooß legen würden, wußte man wohl; die Leute mußten, jeder für sich, darum begrüßt werden, und das schöne Aemtchen fiel dem Wohnungsausschuß in höchsteigener Person zu. Es wurden also 10,000, sage zehntausend Briefe gedruckt, mit deren je einem alle diejenigen Insassen der Stadt bedacht wurden, von denen man eine Quartierabgabe erwarten durfte. Die ganze Stadt wurde nun in 21 Districte eingetheilt und in jedem dieser Districte hatten 2 Mitglieder des Wohnungsausschusses das Vergnügen, von Haus zu Haus, von Familie zu Familie „Quartiersammeln“ zu gehen. Da waren denn nun die meisten Bürger sehr zuvorkommend, und wußten auch die Herren Sammler wenig von splendiden Frühstücken u. dergl. zu erzählen, so loben sie doch durchweg die liebenswürdige Art, mit der ihnen 1, 2, 3 und mehr, ja hier und da 30, 40 und 50 Turnerquartiere zugesagt wurden. Trotzige Weigerungen kamen nur in den seltensten Fällen und nur bei solchen Leuten vor, an denen nun einmal in Bezug auf Gemeinsinn Hopfen und Malz verloren ist; desto mehr Beispiele rührender Opferfreudigkeit: sahen wir doch selbst ein altes Mütterchen im vierten Stock ganz entrüstet darüber, daß sie der Wohnungsausschuß nicht mit einer Aufforderung bedacht hatte, sie wollte unter jeder Bedingung ihr kleines, aber nett und reinlich gehaltenes Stübchen einem fremden Turnersmann überlassen – „für mich,“ sagte sie, „findet sich schon noch ein Plätzchen auf dem Boden.“

Sind die Quartiere geschafft, so wird nun der Wohnungsausschuß keineswegs schon pensionirt; denn die Wohnungen wollen auch vertheilt sein unter die erwarteten Festgenossen – und das hat nicht Zeit bis zu dem Tage, da diese zu Tausenden in die Thore Leipzigs einziehen werden, da käme man mit zehn Wohnungsausschüssen zusammengenommen nicht zurecht. Die Sache macht sich vielmehr so: Bis zum 1. Juli mußten sämmtliche Turner, welche Leipzig zum Feste besuchen und dort frei wohnen wollen, ihre Namen beim Wohnungsausschuß angemeldet haben; diese Namen werden nun auf besondere „Quartierkarten“ geschrieben, zu gleicher Zeit aber auch der Name und die Wohnung eines der gastfreien Leipziger. Ist diese Arbeit vollendet, so werden die Karten ungesäumt an die Vorstände der Turnvereine entsendet, die sie ihrerseits an ihre zum Feste reisenden Mitglieder vertheilen. So wissen die Turner schon, ehe sie von Hause abreisen, wer ihr edler Gastfreund sein wird, alles sonst unvermeidliche Gedränge an den Quartierbüreaux wird beseitigt, und die Festgenossen brauchen nicht, wie dies bei anderen Festen häufig der Fall war, stundenlang zu warten, ehe sie in die Idylle ihrer Festwohnung einziehen können – eine probate Erfindung namentlich für die bei Nacht und Nebel ankommenden Fremdlinge.

Der Besuch des Festes aus den verschiedenen Gegenden des Vaterlandes wird sehr wesentlich durch die von den meisten deutschen und deutsch-österreichischen Eisenbahnen gewährte Fahrpreisermäßigung bedingt. Eine Ausnahme bilden die sämmtlichen preußischen und baierischen Staatsbahnen; die bayerische Ostbahn, die Main-Neckar-, Main-Weser- und herzogl. nassauische Eisenbahn. Daher wird der Festbesuch aus dem südwestlichen Deutschland verhältnißmäßig viel schwächer sein, als aus Oesterreich, dessen größere Städte namentlich bedeutende Contingente stellen. Den Turnern der ost- und westpreußischen Küstenstädte ist ein reichlicher Ersatz für die nachgesuchte, aber abgelehnte Eisenbahnfahrpreisermäßigung durch die „Neue Dampfercompagnie“ geboten worden, welche sie aus Königsberg, Memel, Elbing, Danzig etc. für ein Minimum (2 Thaler pro Mann für Hin- und Rückfahrt) nach Stettin bringen wird; von hier aus schließen sie sich den Pommern an.

Hth.


Solidarität der Hausthiere. Unsere Beobachtungen der Hausthiere sind noch lange nicht erschöpft, und die Kenntniß ihres Lebens und ihrer Natur kann noch sehr erweitert werden, wie folgender merkwürdige, wahrheitsgetreue Vorfall darthut. Im gothaischen Dorfe Wipperode, am Fuße des nordwestlichen Thüringerwaldes, warf in einem Bauernhause die schon ältliche Sau so viel Junge, daß sie über der Geburtsarbeit verendete. Vergebens boten die Hausbewohner Alles auf, die Ferkel durch künstliche Mittel zu erhalten; sie starben noch vor Nachts bis auf zwei, und auch diese mußte man ihrem Schicksal überlassen. Die Leute waren am folgenden Morgen nicht wenig erstaunt die beiden Thierchen nicht etwa todt zu finden, wie sie erwartet, sondern sie überhaupt gar nicht zu finden. Alles Suchen war vergebens. Bald darauf wird bemerkt, daß die trächtige Hauskatze sich ebenfalls ihrer Bürde entledigt hat, aber sie hat es an einem so versteckten Orte gethan, daß die jungen Katzen ebenfalls nicht zu finden sind. Nach einigen Wochen hört die Hausfrau auf dem entlegenen Heuboden ein seltsames Grunzen, dem sie nachgeht, und sie findet zu ihrem Erstaunen nicht nur eine artige Zahl junger Kätzchen, sondern auch die beiden jungen Schweinchen, die mit jenen lustig spielen, im Neste.

Die Katze, die doch erst vor Kurzem geheckt hatte, hatte in der Nacht nach dem Tode der Sau die beiden Ferkel aus dem Schweinestall auf dem Hofe weit fort auf den Heuboden zu ihren Jungen getragen und sie neben diesen mütterlich gesäugt. – Dr. A. Brehm, dem dieser Fall mitgetheilt wurde, nannte ihn das non plus ultra aller Beispiele von der Solidarität der Hausthiere.




Erklärung. Der in Nr. 25 erschienene Artikel, überschrieben „Eine unheimliche Seefahrt“, hat auf eine Anzahl von Lesern der „Gartenlaube“ den Eindruck hervorgebracht, als ob die geschilderten Scenen sich an Bord eines jener sichern und schnellen Dampfer zugetragen hätten, welche die New-York-Bremerlinie des Norddeutschen Lloyd bilden. Jedermann aber, der die Erzählung aufmerksam zum zweiten Male liest, wird ohne große Mühe zu dem Schlusse kommen, daß hier die Rede von einem amerikanischen Schiff und einem amerikanischen Capitain ist. Um übrigens jeden Zweifel zu lösen, will ich hinzufügen, daß der traurige Vorfall sich im Jahre 1852 an Bord des Dampfers Washington, Capitain Floyd, ereignete und folglich auch nicht den leisesten Schatten auf die großartigen und für den nationalen Seehandel so wohlthätigen Leistungen des Norddeutschen Lloyd werfen kann. Dieses zur Steuer der Wahrheit.

Der Verfasser.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_448.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)