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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

liebliche Novelle in’s Leben gerufen, welche unter dem Titel „Die Schlangenkönigin“ in Gutzkow’s Unterhaltungen zu lesen ist; von dem Schmucke der Gartenanlagen in Muskau und Branitz aber, als deren Schöpfer der Fürst Pückler sich ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat, wird in Schrift und Wort noch wenig zur Oeffentlichkeit gelangt sein.

Schon lange vorher, ehe das so allgemeines Aufsehen erregende Werk über englische Zustände „Briefe eines Verstorbenen“ erschien, war dessen Verfasser wegen seiner Originalität berühmt. Ein nicht unbedeutendes Bändchen Pückleriana, worin die übersprudelnde Geistesquelle der jüngeren Jahre des Fürsten hervortritt, würde sich leicht zusammenstellen lassen, während das reifere Alter in großen und weiten Reisen Befriedigung suchte und fand, deren geistreiche Darstellungsweise eine

Fürst Pückler-Muskau.

Lieblingslectüre der vornehmen Welt geworden ist. Daß ein so reger, schaffender Geist auf dem Gebiete der Gartenkunst, die der Phantasie einen unbegrenzten Spielraum darbietet, Großartiges leisten würde, war zu erwarten, und in der That kann der Fürst als der größte Gartenkünstler seiner Zeit bezeichnet werden. Bei der Anlage der Babelsberger Gärten verlangte der jetzige König Wilhelm von Preußen vom Fürsten den Muskauer Gartendirector zur Leitung derselben, und wie der Gärtner angemeldet wurde, war es der Fürst selber, der sich als solcher vorstellte und jene Anlagen meisterhaft auszuführen verstand. Seit fünfzehn Jahren residirt der Fürst auf seinem Schlosse zu Branitz, welches er wahrhaft fürstlich eingerichtet hat, in philosophischer Ruhe nur mit seinen Parkanlagen beschäftigt; und wer die hohe Gestalt und kräftige Haltung des Mannes erblickt, wie er schaffend und anordnend stundenlang unermüdlich im Freien sich bewegt, der wird kaum glauben, einen Greis zu finden, der die Mitte der siebenziger Jahre bereits erreicht hat.

Der Fürst ist bis auf den heutigen Tag eine ebenso chevalereske und liebenswürdige Erscheinung, als das Verweilen in seiner Nähe interessant. Die Vormittage verlebt er allein, mit Correspondenz und Lectüre, oder mit Anordnungen für seine Parkanlagen beschäftigt; aber Nachmittags ist er, bis die Sonne sich senkt, fort und fort im Park zu sehen, unausgesetzt thätig anordnend und die herrlich gruppirte Parkschönheit selbst genießend, wobei er weder Wind noch Wetter scheut. Gönnt er sich auch zuweilen kleine Ausflüge im lieben deutschen Vaterlande, an den Hof oder in ein Bad, so ist er im Frühjahr und im Herbst, wo es gilt, zu pflanzen und neue Anlagen zu entwerfen, doch stets in Branitz. Jeden Abend um 6 oder 8 Uhr, je nach der Jahreszeit, fährt der Wagen nach der Stadt, der ihm einen oder zwei Gäste zum Diner zuführt. Zwei Stunden wird gespeist und zwar sehr gut, nicht nur geistig, sondern auch gastronomisch; sodann empfängt er auf ein halbes Stündchen seine Beamten und ordnet das Nöthige für den folgenden Tag, während Herr Billy, der netteste Zwerg Europa’s, welcher seine ganze Bildung und Existenz dem Fürsten verdankt, die Gäste im Nebenzimmer bei Mokka und Cigarren unterhält. Hier ist schon immer etwas Interessantes und Neues zurecht gelegt und das Gespräch ebenso ausreichend vorbereitet, wie es die eben empfangenen gastronomischen Genüsse waren; hier ist man umgeben von den mannigfaltigsten Kunstgegenständen, und doch in keinem Raritäten-Cabinet, denn jeder Gegenstand weckt irgend eine Erinnerung in dem Leben des Fürsten, oder stellt hervorragende Momente aus der russischen Zeit- und Kunstgeschichte dar.

Erscheint nun der Fürst, gewöhnlich in bequemer orientalischer Tracht, so wendet sich das Gespräch bald auf die Literatur, Religion oder Geschichte, je nach seiner oder der Gäste Geneigtheit; voller Geistesfrische und Humor geht er bereitwillig auf ihre Fragen ein, und mit allen irgend hervorragenden Persönlichkeiten des ganzen gegenwärtigen Jahrhunderts in Berührung gekommen, theilt er seine Erlebnisse mit ihnen eben so offen, als discret mit, je nach den Umständen und mit Rücksicht auf seine Gäste; nie spricht er von seinen Werken, giebt dem Gespräch auch bald eine andere Richtung, wenn man ungezwungen ihrer erwähnt, eine Bescheidenheit, die nicht alle seine schriftstellerischen Collegen in Deutschland theilen. Sein Lieblingsthema ist die Philosophie, worin Schopenhauer gegenwärtig mächtig auf ihn eingewirkt hat; dann unterhält er sich auch über das Jenseit und über die abweichenden Ansichten, welche unter den verschiedenen Völkern und Religionsgemeinschaften existiren, und dabei geht er auf jeden ihm dargebotenen Gedanken mit jener gereiften Lebensweisheit ein, die man nur als die wahre und echte Toleranz bezeichnen kann.

Einmal bei Tische befragt, warum er als Mausoleum sich nur eine Pyramide gebaut habe, die bei aller antiken und anmuthigen Form doch nur ein hervorragendes Gebilde von Sand sei, erwiderte der Fürst: „Weil ein solcher Sandhügel, dieser Tumulus, das Bleibendste ist, was es auf Gottes Erdboden giebt. Ich habe auf den Ruinen untergegangener asiatischer und afrikanischer Städte von welthistorischer Bedeutung gestanden; sie sind fast spurlos verschwunden, und die Trümmer früherer Herrlichkeit werden höchstens als Bausteine zu unbedeutenden Zwecken verwendet. Aber ich habe auch auf dem Schlachtfelde von Marathon mich umgesehen; zum Andenken an diese Schlacht ist ein halbes Jahrtausend vor Christo nur ein keiner Hügel von geringer Dimension und wenigen Fuß Höhe aufgeworfen worden, und dieser Hügel besteht heute noch. Wer wird sich die Mühe geben, meinen Tumulus, der nicht

einmal fruchtbare Ackererde enthält, wieder auseinander zu werfen?

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_428.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)