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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Schill zuckte zusammen und wurde ernst. „Was sagst Du“ frug er leise.

„Nun, die beiden Herren, mit denen Sie zum Spiel- und Trinkgelag eingeladen sind, sind nicht die, für die sie sich Ihnen ausgeben. Ich habe Uniform unter ihrer Oberkleidung bemerkt; als ich das Zimmer verließ, verschloß es leise der Herr hinter mir. Ich wurde dadurch noch aufmerksamer, ich bemerkte, daß man das Schlüsselloch an der Thür verstopfte, ich kannte aber eine kleine Spalte in der Thür.“

„Neugier! o Eva’s Töchter!“

„Und doch war es gut, Herr Lieutenant, daß ich horchte, ich hörte Ihren Namen flüstern.“

„Verliebte haben scharfe Ohren!“

„Nun, ich sah auch 200 Geldstücke auf den Tisch zählen, die der Herr in seine Schatulle verschloß, und dabei wurde wieder Ihr Name genannt. Herr Lientenant, ich irre wohl nicht, das war der Preis für Ihren Kopf, es war das Blutgeld.“

„Also 200 Goldstücke bin ich noch werth?“ sagte Schill gedankenvoll, fast bitter; „nun, mein Kind, ich danke Dir herzlich, das Gold werde ich Dir, will’s Gott, zum Hochzeitgeschenk machen. Sage Deinem Herrn, ich würde mich prompt einstellen!“

„Sie werden doch nicht?“

„Jedenfalls, sei ruhig, ich fürchte nichts.“

Schill schüttelte dem jungen Mädchen die Hand und drängte sie, zu gehen. Zur bestimmten Stunde ritt er den Weg nach ...tz zu, zehn seiner Getreuen, beritten und bewaffnet, folgten ihm so lautlos wie möglich und blieben im Gehölz vor dem Gute zurück. Schon vor dem Hofe kamen ihm der Herr des Gutes und dessen beide Gäste entgegen. Die fremden Herren wurden Schill als ein Viehhändler und ein Kaufmann sehr artig vorgestellt, und man geleitete ihn zuvorkommend in die Wohnung, wo bereits mehrere Flaschen Wein und die nöthigen Gläser bereit standen. Man trank und stieß auf’s Wohl des neuen Gastes an. Da auf einmal bemerkte Schill, daß sein Wirth leise die Thür abschloß, und in demselben Augenblick warfen auch die fremden Herren ihre Ueberröcke ab, und die Uniformen zweier holländischer Officiere wurden sichtbar. Alle Drei gingen auf Schill zu und Einer rief: „Ergeben Sie sich, Sie sind Gefangener!“ Schill wußte, vorbereitet wie er war, Schreck, Entsetzen, Ueberraschung, Wuth vortrefflich darzustellen. Lautlos stand er da, wie verweifelnd zog er den Degen und legte ihn zwischen Gläser und Flaschen auf den Tisch, – „So bin ich denn doch verloren,“ rief er und hielt das Taschentuch vor’s Gesicht. In diesem Augenblick aber, indem er sich umwandte, als wolle er den Schweiß von der Stirn trocknen, schoß er mit der Pistole, die er stets im Busen bei sich trug, durch’s Fenster; dies war das verabredete Signal, und im Nu sprengten seine muthigen zehn Reiter aus dem Gebüsch, schlugen mit ihren Gewehrkolben die Thür ein und umringten Schill. Jetzt waren Schreck und Entsetzen an der Reihe der Verräther.

„Bindet mir die Drei da!“ donnerte Schill, „aber zuvor soll mir mein sauberer Wirth die schönen blanken Goldstücke für meinen Kopf herausgeben.“

„Gnade, Gnade!“ jammerte der Wirth und fiel ihm zu Füßen.

„Heraus mit dem Blutgeld! und Sie,“ wandte er sich an den vermeintlichen Viehhändler, „haben wohl die Gefälligkeit, mir Ihre Geldkatze dafür zu borgen; unser einer“, setzte er verächtlich hinzu, „ist bei seinen Kreuz- und Querzügen nicht auf solche Dinge eingerichtet.“

Gebunden führte Schill die drei Gefangenen auf einem großen Erntewagen nach Colberg. Der Kutscher auf dem Bock hätte sich gewiß gern einmal umgeschaut, weniger um seinen Herrn, der bleichen Gesichtes vor sich hin starrte, als um seine Braut einmal zu sehen, die neben Schill auf einem Heusacke saß. „Wir wollen die Sache gleich in Richtigkeit bringen,“ sagte Schill.

Ob sich das junge Paar bekommen, wie es mit dem Heirathsgut und mit den Gefangenen weiter verlief, ist dem Referenten unbekannt. Ein alter, noch jetzt lebender Veteran, welcher unter Schill diente und einer jener zehn Berittenen war, welche den Strauß in ...tz ausfechten halfen, hat mir diese vorstehende Thatsache oft erzählt. Er lebt als Gärtner dürftig in unserer Mitte und erzählt, wenn man ihm eine kleine Erfrischung reicht, am liebsten aus alten Zeiten und von seinen Heldenthaten unter Schill, namentlich war ihm der Schluß ergötzlich, wo Schill seine drei Gefangenen nach Königsberg sandte und dem König sagen ließ, er sende ihm da „drei schöne fette Braten“.

Aus Mecklenburg.

Fr. L. Graff.



Berliner Plaudereien. Wenn ein Fremder bei seinem Aufenthalt in Berlin an gewissen Tagen der Woche solche öffentliche Vergnügungslocale wie das Odeum, Sommer’s Salon, die Tonhalle u. s. w. besucht, so wird er nicht wenig überrascht sein, daselbst von einem Orchester die Meisterwerke eines Haydn, Mozart und Beethoven in wahrhaft classischer Vollendung zu hören und zwar für das beispiellos billige Entrée von 2–3 Silbergroschen. Der Dirigent dieser ausgezeichneten Capelle ist der Musikdirector Liebig, ein schlichter Mann, der sich jedoch größere Verdienste um die Kunst erworben hat, als mancher berühmte Musiker. Ohne Uebertreibung darf man von ihm behaupten, daß er der Hauptbeförderer der classischen Richtung in Berlin ist und daß ihm die Residenz hauptsächlich ihre musikalische Bildung zu verdanken hat, indem er die genialen Schöpfungen der großen Componisten zu popularisiren und gleichsam zum Gemeingut Aller zu machen wußte. Von Saal zu Saal, von Garten zu Garten wandert der wackere Musikdirector Liebig mit seiner trefflichen Capelle und verkündigt, gleich einem Apostel, das Evangelium der Kunst nicht nur den Reichen, sondern dem ganzen Volk. Um ihn sammelt sich die andächtige Gemeinde der Musikfreunde, Männer und Frauen, Jünglinge und Mädchen, um den göttlichen Offenbarungen des Genies zu lauschen. Seitdem Liebig seine billigen Symphonie-Concerte veranstaltet, schwindet immer mehr der rohe Geschmack an der sonst allgemein verbreiteten Tanzmusik oder an dem haßlich faden italienischen Melodiengedudel. So hat dieser einfache Mann allmählich in der That eine förmliche musikalische Revolution herbeigeführt und ohne jede Unterstützung und Förderung von oben mehr geleistet, als so manches reich ausgestattete Conservatorium und manche auf ihre Classicität stolze Akademie.

Dasselbe Streben, die Kunst allgemein zugänglich zu machen und zu popularisiren, finden wir in Berlin auch auf dem Gebiete der Malerei und Plastik. Durch den hier immer mehr in Aufnahme kommenden Oelfarbendruck ist es auch dem minder Wohlhabenden gestattet, für einen verhältnißmäßig sehr billigen Preis seine Wohnung mit Bildern auszuschmücken, welche einen wahren Kunstwerth haben. Aus der berühmten Anstalt der Herren Storch und Kramer sind einzelne Blätter, Landschaften und Genrebilder in Oelfarbendruck hervorgegangen, die fast die Schönheit der von den ersten Künstlern herrührenden Originale erreichen. Ebenso liefern die im Verlage der Reimer’schen Sortiments-Buchhandlung erschienenen lebensgroßen Portraits des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha und des bekannten Geheimen-Ober-Tribunal-Raths Waldeck den Beweis, welchen Aufschwung dieser neue Kunstzweig genommen hat. Beide Bilder zeichnen sich durch ihre täuschende Aehnlichkeit und ihre treffliche Ausführung aus, abgesehen von dem Interesse, welches die dargestellten Personen selbst erregen müssen. Mit welcher Sorgsamkeit die Copie des Herzogs von Coburg nach dem bekannten Originale von dem Maler Lauchert gearbeitet ist, geht schon aus dem Umstand hervor, daß zur Herstellung derselben nicht weniger als 25 Steinplatten benutzt wurden, wodurch allerdings die Copie der Lebensfrische des Originals nahe kommt. Dasselbe Lob gilt für das Bild des berühmten Volksfreundes Waldeck, das der Maler Francke in sprechend ähnlicher Weise vollendet und das Kunst-Institut von Lichtenberg durch Oelfarbendruck vervielfältigt hat. Beide Bilder werden gewiß den Freunden und Verehrern des populären Fürsten und des preußischen Demokraten eine willkommene Gabe sein, zumal der Preis verhaltnißmäßig nur ein unbedeutender zu nennen ist. Auch das Bild eines conservativen Staatsmannes der Gegenwart ist vor Kurzem erschienen; beim Anblick desselben äußerte ein wegen seiner Sprachfehler bekannter Banquier: „Dieser Minister ist der Typhus (Typus) der Reaction.“

Wie die Malerei durch den Oelfarbendruck, so wird die plastische Kunst durch den Zinkguß immer mehr verbreitet und populär gemacht. Architektonische Ornamente und Statuen, welche fast nur die Paläste unserer Fürsten schmückten, findet man jetzt an den Häusern und in den Wohnungen unserer reicheren Privatleute. Die Billigkeit des Materials und die Leichtigkeit des Gusses gestattet jetzt die Vervielfältigung und Anschaffung der bedeutendsten Kunstwerke des Alterthums und der modernen Zeit für einen kaum glaublichen geringen Preis. Statuen, die in Bronze oder Marmor Tausende von Thalern kosteten, werden jetzt für 50–100 Thaler in vorzüglichen Abgüssen geliefert. In dem Institut des Herrn Geiß in Berlin findet man ein völliges Museum der vorzüglichsten antiken Bildwerke, den berühmten Knaben mit dem Dorn, das Knöchel spielende Mädchen, die schöne Diana aus dem Louvre, die herrliche Gewandstatue der Muse, die classischen Götter und Helden Griechenlands nach den berühmtesten Originalen mit einer bewunderungswürdigen Treue und technischen Vollendung gearbeitet. Der Einfluß einer solchen Popularisirung der Kunst auf den Geschmack und die Bildung des Volkes kann nicht ausbleiben, und schon jetzt macht sich der gesteigerte Schönheitssinn in allen Schichten der Gesellschaft bemerkbar. Auch die Kunst, die früher nur das ausschließliche Privilegium der bevorzugten Classen war, wird jetzt demokratisch, das heißt wirklich volksthümlich und populär.




Das große Schweizer Schützenfest 1863 wird am 12. Juli beginnen, am 21. Juli enden. Bekanntlich hat das Organisations-Comité in La Chaux-de-Fonds die deutschen Schützen zum eidgenössischen Feste eingeladen, und der Vorstand des deutschen Schützenbundes hat die Frankfurter, auf ihren Wunsch, damit betraut, „die nöthigen Anordnungen zu treffen, um sämmtliche an dem Feste theilnehmende Bundesmitglieder zu einem gemeinsamen Schützenzuge zu vereinigen und denselben zum Festorte zu führen.“

Wir freuen uns dieses Beschlusses und wünschen ihm eine ebenso große als würdige Theilnabme. Es ist eine nette und bedeutende Erscheinung unserer Zelt, daß Völker sich zu Gaste laden, und diese Erscheinung erhält eine besondere geschichtliche Wichtigkeit durch die Stammverwandtschaft der Völker, die sich zu diesem Feste die Hände reichen, „denn“, sagt das Comité für den deutschen Schützenzug nach der Schweiz mit vollem Rechte, „wenn die bei dem Frankfurter Schützenfeste gehörten herrlichen Worte kein leerer Schall waren, wenn Freundschaft und Verbrüderung zwischen den Schweizer und deutschen Schützen Ernst und Thatsache ist: dann sind die Schweizer Feste auch die unserigen, wie unsere die ihrigen; dann haben wir deutschen Schützen so das Recht wie die Pflicht, unsere schwarzrothgoldene Fahne auch bei den eidgenössischen Nationalfesten zu entfalten, Ehrengaben dahin zu senden und dort persönlich zu zeigen, daß auch bei uns starke Arme und feste Augen zu finden, daß wir auch befähigt sind, der Schweiz, im Falle der Noth, als treue Freunde zur Seite zu stehen, und ihre Freiheit und Unabhängigkeit vertheidigen zu helfen.“ – Dazu wird jeder brave Deutsche sein „Ja und Amen“ sagen. Von den vielen guten Anordnungen des Comité’s ist besonders wohlthuend die in §. 8 ausgesprochene. „Der Zug marschirt nur unter einer einzigen Fahne, der deutschen; besondere Fahnen von Ländern, Städten, Vereinen etc. werden nicht zugelassen.“ So wird denn Deutschland zum ersten Male draußen als ein Ganzes sich vorstellen und nicht, wie auf so mancher Weltausstellung und bei so vielen Weltvorgängen, das traurige Bild seiner inneren Zerrissenheit auch in’s Ausland tragen.

H.



Ein Freund auf dem Sterbebette. Dem Briefe eines im Unionistenheere dienenden Landsmannes entnimmt der N. K. die nachstehende rührende Scene. „Schon seit längerer Zeit ist meine Wunde soweit hergestellt, daß

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_415.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)