Seite:Die Gartenlaube (1863) 397.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Im Beguinenhof zu Brügge.

und anspruchslos zu tragen. Der Unterhalt der Nonne wird aus dem gemeinsamen Klostergute bestritten; die Beguine lebt vom Abwurf ihres Vermögens, von der Unterstützung ihrer Familie ober Freunde, oder von ihrer Arbeit, und wird nur, wenn sie arm und gebrechlich oder sonst arbeitsunfähig ist, auf Kosten der Anstalt verpflegt. Das gemeinsame Eigenthum der Beguinenschaft eines Hofes besteht nur in den Häusern, im Krankenhause und in der Kirche. Das Krankenhaus war stets das Hauptstück des gemeinsamen Eigenthums, und ihm gehörten alle Einkünfte der Anstalt, die der Kirche ausgenommen, und aus der Casse des Krankenhauses wurden alle gemeinsamen Ausgaben bestritten, wie die Armenpflege, die Bau- und Reparaturkosten, insoweit sie den ganzen Hof betreffen, als für Wege, Brücken, Gräben, Zäune etc. Die Bau- und Reparaturkosten der einzelnen Häuser hatten dagegen die Bewohnerinnen selbst zu zahlen.

In den kleinen Häusern wohnen sie entweder einzeln, oder selbander, zu drei, höchstens zu vier beisammen, je nach Vermögen, Verdienst oder Neigung; denn sie müssen der Anstalt einen Miethzins entrichten, der den Armen und Erwerbsunfähigen erlassen wird. Jede Beguine führt aber auf ihre Kosten ihre eigne Wirthschaft. Wenn eine Beguine sich aus ihren Mitteln ein Häuschen baut, so fällt dieses nach ihrem Tode der Anstalt zu.

Ihre häusliche Einrichtung darf nur sehr einfach sein. Ihr Erwerb kommt aus Handarbeit oder Unterrichtgeben. Sie weben, nähen, stricken, sticken, verrichten auch Hülfsarbeiten anderer Art in den Häusern, wohin sie bestellt werden; sie unterrichten junge Mädchen in allen weiblichen Handarbeiten, ferner im Lesen, Schreiben, Rechnen etc. – Mit Erlaubniß der Vorsteherin darf die Beguine in die Stadt gehen und dort einem Erwerb obliegen. Eine strenge Controlle wäre schon wegen der vielen einzelnen Häuser nicht möglich. So gleichen sie in vieler Hinsicht den Insassen der Schwesterhäuser in den Herrnhutergemeinden.

Auf diese Weise blieb die Beguine in steten lebendigen Wechselbeziehungen mit dem Volke und bildete das Mittelglied zwischen der Klosterfrau und der Frau der Gesellschaft, und da die Gesetze ihrer Körperschaft sehr dehnbar waren und sich leicht der fortschreitenden Bildung der Zeit anbequemten, so erhielt sie sich, freilich unter verschiedenen Modulationen, bis auf unsere Tage.

Da die Beguinen nicht, wie die Mönchsorden, eine festgestellte und vom Papst bestätigte oder gegebene Regel hatten, sondern nur einfache Verordnungen, von den Bischöfen für ihre Diöcesen gemacht, so mußten ihre Regulative in den verschiedenen Beguinagen

Der Prinselyk Beggynhof in Brügge.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_397.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)