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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Opfer herangewunden, aber nur um sogleich auf’s Neue losgelassen zu werden. So tobt sich das arme gefangene Geschöpf in seinem eigenen Elemente aus. Endlich schleudert ein kräftiger Zug des Sportsman den Fisch auf’s Ufer. Er versichert sich seiner durch Hand oder Fuß, und reißt den blutenden Haken mit Gewalt aus Maul und Eingeweide.

Dies ist der glückliche Ausgang. Zuweilen aber hält ein starker Fisch den Angler stundenlang in Schweiß und Arbeit, schießt im Wasser auf und ab und reißt schließlich die Leine entzwei. Das muß dann so gut hingenommen werden, als sich der Aerger über einen mißlungenen Fang verwinden läßt. Wenig hilft dem Sportsman das Bewußtsein, daß sich das verwundete Thier an dem unerbittlichen Haken in seinem Leibe zu Tode rasen muß. Er muß mit leerem Sack und vergebens lecker gemachter Zunge nach Hause ziehen und für diesmal den Sport verwünschen. Denn das Angelvergnügen erreicht seinen Gipfel und Abschluß eigentlich erst, wenn der herrliche Fisch auf silberner Schüssel dampft und der Lust des Fanges die gastronomische Krone aufgesetzt wird. Geduld macht hungrig, und je länger ein armes schuldloses Thier den Feind warten ließ, um so wackerer wird ihm dieser außer dem Eisen auch den Zahn fühlen lassen.

Daß die Lust des Wettstreitens auch zu weit getrieben werden kann, zeigt uns das Beispiel von Angling-Matches, welche von Zeit zu Zeit um goldene Becher, silberne Theekessel und Anderes veranstaltet werden. Hier fehlt in der That das Element für ein gegenseitiges Messen, da das Gewicht des Fisches den Ausschlag giebt. Es erfordert wohl Geschicklichkeit, überhaupt einen Fisch zu fangen; daß aber gerade ein Zwanzigpfünder an meinem und nur ein Fünfzehner an Deinem Strick anbeißt, das ist doch wahrlich nichts, was vernünftiger Weise mir zum Verdienst angerechnet werden kann.

J. Hopf.



Ein Besuch auf Caprera.
Von W. Rüstow.

In den ersten Tagen des Februar ward beschlossen, daß ich nach Caprera gehen solle. Das nächste Schiff der Compagnie Rubattino, welches die Caprera zunächst liegende Insel Maddalena berührte, verließ Freitag den 13. Februar Genua, und am 15. zwischen acht und neun Uhr Morgens ankerten wir nach einer zum Ende stürmischen Fahrt im Hafen von Maddalena. Das Erste, was uns in die Augen fiel, war das große Segelboot Menotti’s, des Sohnes Garibaldi’s, der mit Ricciotti und zwei andern Gefährten, Bedeschini und Pastoris, von Caprera herübergekommen war, um die Sardegna zu erwarten. Menotti kam an Bord und begrüßte uns. Er wollte zuerst die mitgebrachten Waaren ausladen und uns dann nach Caprera hinüberführen.

Wir stiegen an’s Land, mußten zunächst mit der Douane verkehren, die eine unausstehliche Ueberwachung gerade des Verkehrs mit Caprera ausübt, und erlebten, daß Bruzzesi, mein Waffengefährte von 1860, den ich auf dem Schiffe wiedergefunden hatte, nur mit Mühe einen silbernen Ehrenkranz, von Bürgern Leipzigs für Garibaldi als eine Weihnachtsgabe bestimmt, vor der vorgängigen Sendung nach Cagliari – o bureaukratischer Schematismus! – bewahrte und mit einigen Franken statt der anfänglich verlangten achtundvierzig als Zoll auslöste.

Endlich ließ uns Menotti ankündigen, daß er zur Abfahrt bereit sei, aber bei dem stürmischen Wetter nur Bruzzesi und mich mitnehmen könne. Kurz nach zwölf Uhr schifften wir uns ein und nach anderthalbstündiger Fahrt legten wir das Boot zwischen den Klippen angesichts des Palastes von Caprera fest und schifften uns aus.

Ich eilte mit Bruzzesi den Strand hinauf, die Windmühle vor dem Hause und das steinerne Haus selbst betrachtend mit seinem nördlichen älteren und dem ganz neuen südwärts daran gebauten etwas höheren Theile. Der Theil der Insel, welcher Garibaldi gehört, ist mit Allem, was darum und daran hängt, so vielfach geschildert, daß ich mich auf eine förmliche Beschreibung nicht einzulassen brauche; wir werden indessen diese Räume allmählich durchwandern, wie ich sie als Hausgenosse nach und nach durchwandert habe. Wir betraten durch die vordere Thüre jenen Raum des älteren Steingebäudes, welcher früherhin als Salon diente; von dort gingen wir durch die Küche in den hinteren Hausflur und drangen ungemeldet durch die Thüre rechter Hand, – gegenüber dem gegenwärtigen Salon zur Linken, – in das Heiligthum des geliebten Kranken ein. Er zog mich sogleich zu sich nieder und küßte mich ab; ich durfte nicht zweifeln, daß ich ein willkommener Gast sei. Von der Ausrichtung meiner mannigfaltigen Aufträge konnte vorerst nicht die Rede sein. Fragen und Antworten drängten sich. Ich blieb fast eine Stunde mit Garibaldi allein, Bruzzesi ging nur ab und zu.

Statt hier zu versuchen, Alles wiederzugeben, was wir uns erzählten, will ich vor Anderm erzählen, wie ich den General fand. Viel besser, als ich es erwartet, namentlich nach der Photographie, die ihn auf dem Krankenbett darstellt. Das Gesicht war das des Dictators der beiden Sicilien von 1860. Vielleicht hie und da ein graues Haar mehr, aber ich könnte kaum sagen, daß ich eins mehr bemerke. Der Ausdruck des Gesichtes heiter. Er lag auf einem Bett oder einer Art Sopha, welches mit einem verschiebbaren Lesepulte versehen war; über dem rothen Hemde trug er einen Schlafrock nach seiner Façon, einen Poncho aus türkischem Schlafrockzeug von grüner Grundfarbe, eine fezartige niedrige Mütze auf dem Kopf. Das Zimmer ist das gleiche, welches er bewohnt, seit das ältere Steingebäude steht, heiter, nach Süden gelegen. Tische mit Briefen, Büchern, einem Barometer, einem Thermometer u. s. w. stehen zu beiden Seiten des Bettes.

Wir waren nicht lange beisammen, – Bruzzesi war eben anwesend, – als Garibaldi nach Polen fragte: was für Nachrichten ich hätte? was ich von der Sache dächte? wie sich Preußen, wie sich Deutschland dazu verhalten würde?

Wir sind auf diesen Gegenstand während meiner Anwesenheit auf Caprera mindestens fünf Mal zurückgekommen, wie es wohl natürlich ist, bald allein, bald in kleinerer, bald in größerer Gesellschaft. Es würde mir schwer werden, die einzelnen Gespräche völlig auseinander zu halten. Ich gebe daher lieber ihren Inhalt im Allgemeinen an.

Die Tagesblätter, sagte ich, so sehr im Allgemeinen der polnischen Insurrection günstig, seien doch ziemlich einig darin, derselben keinen Erfolg vorauszusagen. – Hier unterbrach mich Garibaldi mit der Bemerkung, daß die Meisten 1860 auch wohl die Landung von Marsala für eine Verrücktheit erklärt hätten, die der Erfolg unmöglich krönen könne.

Indem ich dies zugab, sprach ich die Meinung aus, daß die Tagesblätter bei ihren Voraussagungen sich wohl auf die allgemeine Lage Europa’s stützten, welche einen bedeutenden Einfluß auf die Schicksale dieser Insurrection eines continentalen, überall eingeschlossenen Landes haben müsse. Die Gefahren jedoch, welche ich fürchte, lägen hauptsächlich in den Polen selbst.

Zunächst sei die Insurrection jetzt noch wesentlich eine Insurrection der Verzweiflung und folglich ohne einheitliche Organisation; nach dieser Organisation müsse sie aber streben, um zu triumphiren. In wessen Hände würde nun die Organisation gerathen? Ich fürchte sehr, daß sie wiederum, wie so oft, in die Hände der aristokratisch-clerical-diplomatischen Partei komme, und damit aller Wahrscheinlichkeit nach in die entschiedenste Abhängigkeit von Napoleon. Ein solches Ergebniß werde aber die nothwendige Folge haben, daß die Sympathien der Völker für die Sache Polens sich merklich abkühlten. Was ich aber noch mehr fürchte, sei die falsche Anwendung des Nationalitätsprincips, welche die Polen würden machen wollen, vielleicht noch ehe sie irgend welche sicheren Erfolge errungen hätten. Die „alten Grenzen“ seien ein Stichwort der Polen. Diese alten Grenzen z. B. gegen Deutschland herzustellen, sei aber eine reine Unmöglichkeit. Abgesehen davon, daß das Nationalitätsprincip gewiß nicht das Höchste sei, daß die Civilisation ihre Vorrechte habe, das Princip der Freiheit aber, in dem alle Völker sich begegnen könnten, über ihm stehe, werde auch selbst das Nationalitätsprincip dadurch verletzt, wenn man mathematische Grenzen, die vor hundert Jahren bestanden hätten, wie sie damals

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_235.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)