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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

deutlich zu vernehmende Wuthgeschrei der blutgierigen Meute draußen vor den Palissaden, was seinen athletischen Körper zittern machte, sondern der maßlose Schmerz, der in dem Bewußtsein lag, daß er als Häuptling seine Pflicht verletzt hatte. Ihm kam es zu, sich zuerst zu opfern, denn das war bei solchen Fällen die Sitte und Tradition seines Stammes; statt dessen hatte er einen der besten Krieger, der stets tapfer an seiner Seite gefochten hatte, dem grauenvollsten Tode überliefert.

Theilnahmlos sah er die schreckliche Nacht der grauen Dämmerung weichen, theilnahmlos hörte er die frohe Meldung seiner Leute, daß das Unwetter die Bestien vertrieben, nur als sein geliebtes Schlachtroß freundlich den blutigen Kopf an seiner Schulter rieb, überflog ein milder Zug sein entstelltes Gesicht. Die Krieger, welche sonst auf jedes seiner Worte und Zeichen geachtet hatten, schienen kaum mehr Notiz von ihm zu nehmen, höchstens warfen sie ihm vorwurfsvolle Blicke zu. Da der Nebel noch auf der niedrigen Prairie wogte, jagte man einstweilen ein Pferd aus der geöffneten Pforte den Hügel hinunter, um aus dessen Betragen zu erkennen, ob die Wölfe noch in der Nachbarschaft seien. Das Thier aber trabte muthig durch den tiefen Schnee und zog die frische Morgenluft mit den großen Nüstern ein und gab seinen Cameraden durch ein helles Wiehern, das augenblicklich erwidert wurde, zu erkennen, daß die schrecklichen Feinde weit aus der Witterung seien. Aus diesem Grunde schlossen die Odjibbewa’s, daß keine Gefahr mehr vorhanden sei, und als die Sonne den Nebel vollends vertrieb, und sie die Gegend nun mit ihren scharfen Augen genau überschauen konnten, setzten sie ihre Waffen in Stand und schickten sich zum Aufbruch an. Dieses Alles thaten sie, ohne den Häuptling zu fragen, ein Beweis, daß sie seine Würde nicht mehr anerkannten. – Den Abziehenden folgte Neykeemie in einer gewissen Entfernung und gelangte so ohne weitere Unfälle in das Dorf, wo seine That der Verzweiflung schon durch die früher angekommenen Krieger ruchbar geworden war.

Am nächsten Tage war der ganze Stamm auf dem Berathungsplatze am gestreiften Pfahle versammelt, und die ältesten Sagamoras hielten Gericht über den Häuptling, der seine Pflicht so grob verletzt hatte. Trotzdem, daß ihn einige Blutsverwandte vertheidigten, er selbst sprach kein Wort, wurde er mit großer Majorität verurtheilt und schimpflich ausgestoßen. Die Squaws rissen ihm die Adlerfedern aus der Kriegslocke, beraubten ihn seiner Scalps und anderer Ehrenzeichen und vertrieben ihn mit Ruthen aus dem Bereich des Lagers. Zerknirscht, mit sich selbst zerfallen und geächtet, irrte Neykeemie in den Wäldern herum, bis ihn eines Tages die Leute der Mission in einem bemitleidenswerthen Zustande fanden und unter mein Dach brachten. Dort fand er Theilnahme, Trost und Pflege, und ich hatte die Freude, ihn von den Rachegedanken, über welche er fortwährend brütete, durch christliches Zureden abzubringen. Seit jener Zeit nahm er täglich mehr an religiöser Erkenntniß zu, und ich hatte denn auch bald die Genugthuung, ihn als ein gläubiges Mitglied unserer Kirche aufzunehmen. Sein Benehmen ist freilich noch finster, und wenn die Frühlingssonne den Schnee auf den Prairien schmilzt, mag er sich wohl manches Mal nach seinen frühern Jagdgründen sehnen, indessen die Zeit wird wohl auch diesen Schmerz heilen. Nächstes Jahr, wenn er in der Erkenntniß so fortfährt, werde ich ihn nach Montreal in das Priesterseminar schicken. Das ist die Geschichte von dem verbannten Häuptling.“

T. v. B.



Feuerjagd auf Hyänen.
Von Fr. Gerstäcker.

Seit ich in Amerika vor vielen vielen Jahren die Feuerjagd getrieben und wieder nach Europa zurückgekehrt war, hatte ich stets den Wunsch gehegt, den Versuch mit der Pfanne auch einmal in anderen Ländern zu machen – aber immer vergebens. Entweder war bei sonst günstiger Gelegenheit keine Pfanne oder kein Kien da, oder irgend ein anderes Hinderniß bot sich, und es blieb stets bei dem guten Willen. In Deutschland versuchte ich es ein einziges Mal in der Nähe von Leipzig auf Enten. Als ich eines Tages aber, vollständig ausgerüstet, mit dem Bahnzug an Ort und Stelle fuhr und meine Experimente beginnen wollte, erhob sich ein furchtbarer Wind, daß ich unverrichteter Sache wieder heimkehren mußte. Es unterblieb also auch diesmal, und erst hier in Cairo, wo ich vortrefflichen Kien fand, erwachte auf’s Neue die Lust in mir, diese wundervolle Jagd, die bis jetzt nur allein in Nordamerika getrieben wird, auch in Afrika anzuwenden.

Ich habe die Feuerjagd allerdings in meinen „Streif- und Jagdzügen“ genau genug beschrieben, darf aber nicht voraussetzen, daß die Beschreibung dem, der jene wirklich gelesen, noch geläufig ist, und es wird deshalb nöthig sein, vorher ein paar Worte zur Erläuterung beizufügen. In Nordamerika, besonders in den westlichen Wäldern dieses wildreichen Landes, ist die Feuerjagd etwas ganz Allgewöhnliches, und trotzdem schüttelt der deutsche Jäger gewöhnlich dazu den Kopf, weil er gewohnt ist, aus alten Jagdbüchern – leider ist das jetzt bei uns nicht mehr nöthig – gelesen zu haben, daß man das Wild gerade durch Feuer abhält und verscheucht; er hält also eine Jagd damit für unmöglich. In Afrika ist dasselbe der Fall. Die Raubthiere werden durch angezündete Feuer abgehalten, und trotzdem habe ich eine glückliche Jagd gerade auf Raubthiere und mit Feuer gemacht.

In Nordamerika ist das Wild allerdings die Feuer gewöhnt, denn überall im Westen werden, besonders im Frühjahr, die Wälder angezündet, um das dürre Gras und die Dornen abzubrennen, und Wild und Heerden frische und freie Weiden zu bieten. Eine Menge von alten Stämmen glimmen und brennen dann noch Monate lang nach, und besonders im April, wo die Insecten dem Wild am schärfsten zusetzen, stellen sich die Hirsche außerordentlich gern in den Rauch eines solchen alten Baumes, um hier etwas mehr vor den Bissen der Mosquitos und Fliegen geschützt zu sein. Geht nun der Jäger mit seiner Fackel oder Pfanne, in welcher Kien brennt, in den Wald, so darf man nicht etwa glauben, daß das Wild zum Feuer kommt und gewissermaßen heran gelockt wird, aber es scheut sich wenigstens nicht davor, oder es wird von der plötzlichen Erscheinung der hellen, sich bewegenden Flamme so überrascht, daß es staunend stehen bleibt und den Jäger dadurch in Schußnähe kommen läßt.

In Nordamerika wird die Feuerjagd auf zwei verschiedene Arten betrieben. Bei der einen errichtet sich der Jäger an irgend einer der zahlreichen natürlichen Salzlecken, die sich dort überall im Walde finden, ein Gestell, auf das er vier bis fünf Zoll Erde legt und auf diesem die gespaltenen Kienspähne entzündet. Die Hirsche, die gewohnt sind, die Salzlecke zu besuchen, kehren sich nicht im Geringsten an das Feuer, sondern kommen zu der Lecke wie gewöhnlich, wo sie den unter dem Gestell sitzenden Schützen nicht sehen können und von diesem leicht erlegt werden. Der Jäger sitzt nämlich vollkommen im Schatten, und das Wild wird, wenn es nach ihm hinschaut, durch die über ihm lodernde Flamme geblendet. Der Wind scheint hierbei auch nicht von großem Einfluß zu sein, wenn man besonders die Flammen gut in Brand hält, weil der Geruch des Kiens die Witterung des Menschen ziemlich zerstört; wenigstens ist mir Wild an der Salzlecke von allen Seiten und selbst mit schlechtem Winde angekommen.

Viel vorsichtiger muß man dagegen sein – wofür ich eigentlich keinen Grund anzugeben weiß – wenn man mit der Pfanne oder Fackel in den Wald geht. Möglich, daß das Wild durch das sich bewegende Licht und die Gestalt des Jägers (wenn es diese auch nur sehr undeutlich sehen kann) scheuer und vorsichtiger gemacht wird, aber Thatsache ist, daß man mit schlechtem Wind Nachts nie an ein Stück Wild hinan kommt.

Zu der Fackeljagd gehört eine eiserne, langstielige Bratpfanne, deren Stiel auf ein etwa vier Fuß langes und etwa vier Zoll breites Bret so fest als irgend möglich aufgebunden wird. Vorn in das Bret wird dann ein Loch eingebohrt und eine Holzgabel eingesteckt, um darein beim Schießen die Büchse zu legen, und in der Pfanne selbst der Kien entzündet, daß er seine helle Flamme weit umher wirft.

Die Eigenthümlichkeit bei der Feuerjagd ist aber die, daß man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)