Seite:Die Gartenlaube (1863) 178.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

und ein anderes Gespräch zu bringen! … Nimm nur gleich die Cither und spiel’ uns einen lustigen Ländler auf!“

„Mit der Cither wird’s nit viel sein!“ sagte Evi mit verlegenem Erröthen, indem sie das Instrument vom Sims herunterholte. „Die Hauptsaiten sind ab!“

„Das schadt nix“ drängte Kordel, die sich rasch zurecht setzte und sich den Drahtring an den Daumen drehte. „Wer gern tanzt, dem ist leicht pfeifen! Es muß so auch geh’n – und liegt nicht da droben hinter den Weidlingen (Schüsseln) eine Schwegelpfeifen? Der Mentel kann sie ja blasen, daß es lauter geht …“

„Ich hab’ eine Maultrommel bei mir,“ sagte der Jäger lachend und langte in die Tasche, während Mentel die Schwegel ansetzte und probirte.

„Das giebt eine Musik, schöner als bei mancher Kirchweih!“ rief Kordel wieder. „Frisch, Maler, mach’ den Anfang; zeig’, daß die Herrischen nit bloß gemalene Füß’ haben!“

Der Maler war lachend bereit und faßte Evi’s Hand. „Es soll schon geh’n,“ sagte er, „daß ich den Stadtleuten keine Schande mache – aber mit den Tanzschuhen bin ich schlecht bestellt!“

Die Hütten ist ja auch viel zu klein, sagte Evi, die sich leicht sträubte. „Wer kann denn auf dem Nudelbrett tanzen?“

„Es muß nit allemal Langaus geh’n,“ erwiderte Kordel und begann eine muntere neckische Tanzweise zu spielen. „Thut’s nur ein bissel Tellerreiben … es ist gewiß nit das erste Mal, daß im Scharten-Kaser getanzt wird!“ Mentel pfiff dazu die Schwegel, und der Jäger ließ, so gut es ging, seine Maultrommel darein summen; das Paar aber war zum Tanze angetreten, den Evi mit ungekünstelter Zierlichkeit, Reinthaler nicht ungeschickt ausführte. „Das geht prächtig,“ rief die munt’re Citherspielerin, „an dem Maler ist ein Bauer verloren ’gangen! Und jetzt geschwind, Numero Zwei – daß die Tanzerin warm wird und der Boden nit kalt! – Voran, Gaberl, wenn’st nit steif bist vom Gamsfangen!“

Der Jäger sprang auf. „Ich bin gerad’ so steif, wie meine Gambs – wer’s mit mir aufnehmen will, der kommt zu kurz …“ Er hatte Evi rasch und keck ergriffen und tanzte mit dem sichtbaren Bemühen, es recht schön zu machen, ein Gemisch, das nicht ländlich und nicht städtisch war. Mentel hatte die Schwegel weggelegt; er wollte seinem Feinde nicht zum Tanze spielen und entschuldigte sich damit, daß er den Ländler, den Kordel spielte, nicht kenne. Reinthaler half dafür aus; er war oft und lang in der Gegend und mit den Vergnügungen ihrer Bewohner vertraut geworden.

„Sakra!“ rief Kordel, als sie endete. „Der Jäger tanzt justament wie ein Frackischer! Was meinst, Mentel, – ob Du Dir nachzutanzen ’traust?“

„Herrisch bring’ ich’s freilich nit zuwegen,“ sagte Mentel spöttisch, „aber was ein Bauer kann, werd’ ich wohl zeigen!“

Kordel begann, und das Paar führte seinen ländlichen Tanz, so gut der enge Raum es gestattete, in allen eigenthümlichen zierlichen Eigenheiten und Wendungen so gelungen aus, daß Reinthaler vor Vergnügen die Schwegel weglegte, um dem schönen Paare besser zusehen und Beifall klatschen zu können. Auch die summende Maultrommel verstummte, aber nicht aus Vergnügen, sondern aus Aerger. Zuletzt hatte Mentel Evi’s eine Hand gefaßt und ließ sie, während er selbst auf seinem Platze sich stampfend und springend drehte, um sich herum kreisen; mit der andern Hand schwang er juchzend den Hut, und wenn Evi auch mit niedergeschlagenen Augen, wie es die Sitte will, dahin tanzte, zeigte doch die höhere Röthe ihrer Wangen, daß es ihr nicht entging, wie bedeutungsvoll er dabei den Strauß an seinem Hute zu wenden und zu zeigen wußte.

Als der Tanz geendet und Kordel’s und Reinthaler’s Lob erschöpft war, nahm Alles wieder auf dein Heerde und um ihn Platz; eine freiere, versöhnlichere Stimmung war eingetreten und gab sich bald dadurch kund, daß die Lust zum Gesange sich regte. Allerlei Lieder ertönten, kurz und lang, munter und traurig, einstimmig und vielstimmig. Alle waren hochvergnügt, besonders Kordel, über deren bleiche Wangen die Freude einen rosigen Schimmer hauchte. „Das ist einmal ein richtiger Abschied von der Alm!“ rief sie, „aber wir müssen doch ein End’ machen, morgen ist auch ein Tag, und da heißt’s früh auf sein. Die Evi nehm’ ich mit in mein’ Kaser, damit ich auch eine Cameradschaft hab’ – die Manderleut’ werden schon zurechtkommen mit einander. Zuvor aber singen wir noch Eins zur guten Letzt!“

Ein langes Lied ward gesungen, die Geschichte eines Liebespaares erzählend, das trotz alles Mißgeschicks mit unerschütterlicher Treue an einander hing, ohne das Ziel der Vereinigung zu erreichen. Es schloß mit einer allgemeinen Betrachtung.

„Und Aepfelblüh’ und Weichselblüh’
Wachst niemals auf Ein’ Stamm:
Was für einand’ nit b’schaffen is,
Das kommt auch niemals z’samm’!“

Man trennte sich dann. Unter Lachen wurde der Jäger Gaberl über die Leiter hinauf im Heuboden oberhalb des Stalles untergebracht und der Maler feierlich in das gewöhnliche Lager der Sennerin eingewiesen. Es war der Kreister, eine Bettstelle, hoch mit Heu gefüllt, das mit einem weißen Tuche bedeckt und mittels desselben niedergebunden war. „Ich bleib’ gleich da auf der Heerdbank liegen,“ sagte Mentel und lehnte sich an die Thür, als die „gute Nacht“ rufenden Mädchen in’s Freie hinausgetreten waren. Man hörte sie noch von ferne juchzen und jodeln; der Bursche horchte, und als sie verstummten, sang er ihnen erwidernd nach:

„Und Aepfelblüh’ und Weichselblüh’
Wachst niemals auf Ein’ Stamm:
Aber Almenrausch und Edelweiß,
Die g’hören dennerst (dennoch) z’samm’!“




2. Tochter und Mutter.

Der Abend des nächsten Tages ging noch schöner zu Ende. Wohl lag drüben auf der Schattenseite der Ramsau – von den Bewohnern die Schadseite genannt – schon tiefe, an Dunkelheit grenzende Dämmerung; aber gegenüber dehnte sich noch das breite Lattengebirge hell besonnt vom todten Mann an bis zum Schwarzeck, wo die meisten Häuser zusammengedrängt liegen; hinüber bis zur Mordau und gegen den einsamen Taubensee hinan. Saftvoll glänzten die grünen Hänge, durchschnitten von braunrothen Ackerstreifen, unterbrochen und geschmückt mit breiten Säumen und Flecken von Ahorn und Buchen mit ihren herbstlich gelben und gerötheten Wipfeln, eingerahmt von schwarzen Tannenrändern, über denen der klare Himmel mit seinen auftauchenden Sternen ruhte. Die Luft war rein und klar und trug mit voller Schärfe jeden Laut die Höhen hinan, bald den vereinzelten Ton einer verspäteten Heerdenglocke, bald das feierliche Abendläuten vom Ramsauer Kirchthurme. Sichtbar war es hohe Zeit, daß man von den Almen abgetrieben und das Vieh sicher untergebracht hatte, denn diese klare, kühle Helle verkündete, daß der Winter bald und rasch seinen Einzug halten werde.

Auch auf dem breiten, tief eingeschnittenen Ledergraben ruhte noch der Sonnenschein und durchbrach das Blattgewölbe der Buchen, die zu beiden Seiten hoch und schlank wie Säulen emporstiegen. Darunter, nur stellenweise erhellt, rauschte im Dunkel der klare Bergbach nieder, bald in weißen Schaum gelöst über eine Höhe stürzend oder sich an glatt gespülten Felsblöcken brechend, bald, aufgehalten durch sie, sich zu kleinen Tümpeln ansammelnd, in denen die Forelle haust, bald wieder wie nach kurzem Besinnen sich zu neuem Sprung und Sturz aufraffend. Etwa auf dem vierten Theil der Berghöhe erweitert und öffnet sich der am Gestade aufkommende steinige Pfad zu einer kleinen waldumfangenen Rasenblöße, in deren Mitte die Mühle stand. Sie war hart an den Graben angebaut; fast in gleicher Höhe mit dem niedrigen Dache stieg der hölzerne Mühlschuß empor, der einen Theil des Bergbachs auf die Schaufeln des schadhaften Triebrads fallen ließ, um ihn dann wieder in das allgemeine Rinnsal zu leiten. Das unansehnliche Gebäude sah braun, verwittert und herabgekommen aus; es war fast ganz aus Holz gebaut, und nur ein Theil des Erdgeschosses bestand aus roh übertünchtem Mauerwerk. Die kleinen Fenster schimmerten in der Abendsonne; die Büsche und Wipfel leuchteten, das Wasser am Mühlschuß flimmerte und rauschte, Friede und Anmuth schienen rings ihren Wohnsitz aufgeschlagen zu haben, und dennoch machte das kleine Gehöfte in der lieblichen Umgebung keinen freundlichen Eindruck: er wurde verscheucht durch die überall unverkennbaren Spuren hoffnungslos verkommender Armuth.

Auf der Bank vor dem Hause saß ein Weib und war beschäftigt, Werg an den Rocken zu legen. Es war eine schlanke, fast magere Gestalt in unscheinbarem bäuerischem Kittel, verschossenem Mieder und unsauberen Hemdärmeln. Schwarze, stark mit Grau gesprengte Haare hingen ungepflegt und unordentlich um den

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_178.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)