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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


mit markigen Mannschaften für die Flotte! Keine See-Cadettchen, dressirt in schwimmenden Kasernen! Welche Kauffahrtei-Flotte, Landwehr und Landsturm in Zeiten der Noth an den bedrohten Flußmündungen und Küsten, die tüchtigste Landwehr für die Flotten-Armee! Und die 300 000 Centner Thran und Speck, die Schiffsladungen Fische zum Einsalzen, Räuchern, Trocknen und Mariniren, die 300 Millionen Heringe und Millionen Schalthiere, welche die Seefischflotte jährlich an’s und in’s Land liefern würde, was für alte Industriezweige müßte sie beleben und neue schaffen, wie viele Verkehrsadern mit neuen Säften und Kräften füllen und Millionen von Menschen eine gesunde, leichte, angenehme, neue Nahrung zugänglich machen, die der einzelne Reiche im Binnenlande sich jetzt nur als delicate Seltenheit verschaffen kann!

Reichen diese Aussichten und Thatsachen hin, die schmachvolle Schwäche und Faulheit in selbstständiger Unternehmungslust, wodurch Deutschland allen andern Nationen und sich selbst zum Gespött geworden ist, endlich zu brechen und uns aufzurütteln zum eigenen, einigen, durch Verbindung Vieler starken und siegreichen Zugreifen? Ich dächte, sie müßten hinreichen. Nur müßte die deutsche Presse, die sich in die unerträglichste Einseitigkeit und Trockenheit hoher und hohler Politik und täglicher Aufhäufung localen Klatsches hinein verloren hat, auch lernen, praktische Dinge anzupacken und, dafür agitirend, erwärmend, begeisternd, nie wieder loszulassen, bis sie Fleisch und Blut des Volkes geworden. Capitalisten und Capacitäten sollten aber nicht darauf warten, sondern, je eher, desto besser, als Compagnie für eine deutsche Rockall-Seefischerei auftreten. Im freien constitutionellen Preußen ist zwar das Geldzeichnen nach einem Ukas des seligen Hinckeldey verboten, aber es kostet blos 5 Thaler, und dann braucht’s ja auch nicht gerade in Preußen zu sein. –


Die Gruft Friedrich’s des Großen.


In Potsdam, wo vom hohen Thurm der Garnisonkirche das alte Glockenspiel in kurzen Zwischenpausen seine Choräle und Weisen niederschallen läßt, deren feierliche Klänge gleichmäßig und ohne Unterschied die bescheidene Hütte des Armen, wie das stattliche Schloß des Reichen erfüllen, und in leisen zauberischen Schwingungen über zahlreiche stille Wasserspiegel und durch anmuthige Gärten getragen werden, um endlich fern ab in stolzen Forsten wie Geistergruß zu ersterben, da ruht aus von seinem vielbewegten Erdenleben der große Preußenkönig, der „Philosoph von Sanssouci“!

Entsprechend den Neigungen, die ihn einst vor allen andern Fürsten auszeichneten, ruht er in einfacher Gruft im schlichten Sarge, aber Ehrfurcht gebietend noch kommenden Geschlechtern.

Das Grabgewölbe, in welches Friedrich der Große beigesetzt wurde, hatte Friedrich Wilhelm I. für sich und seine Gemahlin mit großen Kosten errichten lassen. Dasselbe befindet sich gerade unterhalb der Kanzel, sodaß diese den oberen Theil des prachtvollen Marmorbauwerkes bildet. Durch eine Gitterpforte tritt man in das zu ebener Erde gelegene Gewölbe.

Nur sehr spärlich wird der enge abgeschlossene Raum durch das von der Kirche aus eindringende Dämmerlicht erhellt, und längere Zeit gebraucht das Auge, um die sich ihm darbietenden Gegenstände genau unterscheiden zu können.

Nachdem man von der Pforte aus zwei Schritte in das Gewölbe hineingethan, befindet man sich am Fußende zwischen zwei Särgen. Links in einem mächtigen Marmorsarkophag, der fast die ganze Länge der Gruft ausfüllt, ruht Friedrich Wilhelm I. Er ruht in einem der historischen Särge, deren er in der Vorahnung eines nahen Todes, der aber in der That erst sechs Jahre später erfolgte, zwei bestellte und endlich auch nach vielfachen eigenhändigen Schreiben erlangte. Er entspricht bis in’s Kleinste den in einem Schreiben an den Residenten Luiscius in Holland vom Könige selbst gestellten Anforderungen: „Ich will gerne zwei große Ausgehauene Särge von schwartzem Marmor haben mit einem gantz Platten Deckel und ohne Zierrathen.“

Rechts, dem Marmorsarkophag gegenüber, schläft im unscheinbaren zinnernen Sarge Friedrich der Große. Was sich im Leben getrennt von einander hielt, das hat hier der Tod vereinigt: hier der unerbittlich strenge Vater, dort der zuerst verkannte, dann so ruhmreiche Sohn. –

Angesichts der Vergänglichkeit aller irdischen Größe versinkt man unwillkürlich in tiefe Betrachtungen. – Die schmucklosen Wände, die sich in niedrigen Bogen über Beide wölben, erweitern sich, und vor dem geistigen Auge rollt ein Jahrhundert vorüber. –

Die Annahme, daß Friedrich der Große den Wunsch ausgesprochen habe, auf der obersten Terrasse seines Lieblingsschlosses Sanssouci beerdigt zu werden, findet ihre Bestätigung in seinem Testament vom 8. Januar 1769, in welchem es heißt:

„Ich habe als Philosoph gelebt und ich will als ein solcher begraben werden, ohne Gepränge, ohne Pomp; ich will weder geöffnet noch einbalsamirt werden. Man bestatte mich zu Sanssouci auf der Höhe der Terrasse in einem Grabe, das ich mir habe bereiten lassen. Auf dieselbe Weise ist der Prinz Moritz von Nassau in einem Walde bei Cleve beerdigt worden. Wenn ich im Kriege oder auf der Reise sterbe, so soll man meinen Leichnam im nächsten Orte beisetzen und ihn im Winter nach Sanssouci und an die Stelle bringen, die ich oben bezeichnet habe.“

Im Volke lebt der Glaube, Friedrich der Große habe die auf der Ostseite des Schlosses befindliche Stelle, wo sein Pferd und seine Hunde begraben liegen, als seine zukünftige Ruhestätte bezeichnet. Doch scheint es erwiesen zu sein, daß in späteren Jahren nie ernstlich eine besondere Stelle ausgewählt und bestimmt wurde.[1]

Wer indessen je in den späten Nachmittagstunden eines schönen Sommertages auf der obersten Terrasse vor dem Schloß Sanssouci weilte und seine Blicke schweifen ließ über die Stadt Potsdam und deren im üppigsten Schmuck prangende nähere und weitere Umgebung, die in der eigenthümlichen Beleuchtung der scheidenden Sonne mit einem duftigen, an die nächtliche Ruhe mahnenden Hauch überzogen waren, der vermag sich gewiß zu erklären, daß der alternde König, durch die Ruhe der Natur an den Abend des eigenen Lebens erinnert, den Wunsch aussprach, gerade da sein müdes Haupt niederzulegen, von wo aus er, fern vom Getümmel der Welt, sich so oft der vollen Aussicht auf den friedlichen Theil seiner Schöpfungen erfreute; wo nichts ihn mahnte an die schweren blutigen Aufgaben, die er als Mann und Held während eines langen ruhmreichen Lebens löste; wo statt kaltherziger Höflinge und Schranzen sorgfältig gepflegte Blumen, diese lieblichsten Kinder der Natur, ihm ihre duftenden Häupter entgegen neigten; wo die süßen Lieder der Nachtigallen ihm seine geliebte Flöte ersetzten, und er gewiß gern vergaß den harten, nur zu oft gerechtfertigten Ausspruch: „Ich bin es müde über Sclaven zu herrschen.“ –

Die Beisetzung Friedrich's des Großen erfolgte am 18. August 1786 in den Abendstunden, also schon am ersten Tage nach seinem Hinscheiden. Sie geschah mit den gebührenden königlichen Ehren, auf Befehl seines Nachfolgers, Friedrich Wilhelm II., der seine ausdrücklichen Anordnungen über die zu beobachtenden Formen mit folgenden Worten begleitete: „Weniger darf ich nicht thun, als mein seliger Onkel an Friedrich Wilhelm I. gethan, aber ein Mehreres zu thun steht in meiner Gewalt.“

Friedrich’s des Großen Wünsche betreffs seiner letzten Ruhestätte waren nicht bestimmt genug gewesen, daß seinem königlichen Nachfolger dadurch Verpflichtungen erwachsen wären. Das Gewölbe in der Garnisonkirche schien diesem würdiger des Heldenkönigs.


  1. Manger, ein von Friedrich dem Großen vielfach beschäftigter Baumeister, spricht sich darüber folgendermaßen aus (Manger’s Baugeschichte von Potsdam II. pag. 504): „König Friedrich II. hatte wohl anfänglich die Meinung nicht gehabt, nach seinem Tode in der Garnisonkirche aufbewahrt zu werden; denn Er hatte sich bereits bei der Anlage des Gartens Sanssouci 1744 auf der obern Terrasse neben dem Lustschlosse eine Ruhestätte von Klinkern (nicht von Marmor) wölben lassen, über welche die marmorne Flora von Adam 1749 gesetzt wurde, neben der seine Lieblingswindspiele, das letzte aber gar in diese Gruft begraben wurden. Jedoch es kann sein, daß er mit der Zeit seinen Entschluß änderte, oder daß man ihn zu befolgen nicht für nothwendig gehalten hat.“
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_171.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2018)