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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

„Hör’ mich an,“ rief er und hielt sie stärker. „Du mußt dableiben, Evi – ich will’s haben!“

„Das ist was anders!“ erwiderte sie gelassen und fast spöttisch, indem sie stehen blieb. „Wann Du so redst, muß ich wohl bleiben – Du bist der Sohn vom Haus und ich bin die Magd, der man anschaffen kann. Also was willst? Hat Dich wohl der Vater ’raufgeschickt gen Alm?“

„… Ich schaff’ Dir nichts an, Evi,“ sagte der Bursche milder, „ich komm’ auch nit von daheim; ich bin übern Hochkaltern her vom … Nun, Du weißt schon, wo ich gewesen bin!“

„Ich wollt’ lieber, ich wüßt’ es nit …“ flüsterte sie ernst und beinahe vorwurfsvoll.

„Red’ nit so, Evi … ich kann doch nicht anders! Das Wildpretschießen ist einmal meine Freud’, von der ich nit lassen kann! Das muß man von mir nit verlangen, daß ich mich daheim mit der Bauernarbeit plagen und schinden soll, wie ein Vieh! Soll ich den Mist hinauftragen auf die Berg’ statt den Hirschen nachzugehn und denen Gambs? Sollt’ ich Schachteln schneiden und Stuben hocken, statt in der freien Luft herum zu streichen? Ich kanns nit aufgeben, das frische Wildschützenleb’n!“

„In Gott’s Namen … Du wirst schon erfahren, wohin das Leben führt!“

„– Und wenn ich’s aufgeben wollt’, Evi … meinst, ich könnt’s thun, so für nichts und wider nichts? Umsonst ist nit einmal der Tod, denn der kost’s Leben … was sollt’ ich dafür kriegen, wenn ich’s aufgeb’? Ja, wenn Du wolltest, Evi …“

Das Mädchen war bewegt und mußte sich Gewalt anthun, es zu verbergen. „Wie Du daher schmatz’st!“ sagte sie mit möglichster Zurückhaltung. „Ich bin der Gar-Niemand – wie sollt’s auf das ankommen, was ich will?“

„Verstell’ Dich nit, Evi – Du weißt es lang, daß ich Dich gern hab’, lieber als Alles … fast gerad’ so lieb wie mein frei’s, lustig’s Wildschützenleb’n! – Der Vater will, ich soll das Heimathl übernehmen, soll gut thun und die Heugabel statt dem Stutzen in der Hand halten. … Wenn ich jetzt sagen thät’, ich will ein Bauer werden und bleiben – aber die Bäuerin muß Evi heißen?“

Das Mädchen schwieg; sie athmete tief auf, und es war gut, daß die Dunkelheit das Glühen ihrer Wangen verhüllte. Sie schien nach einer Erwiderung zu suchen. „Kannst mich denn gar nit leiden,“ fuhr der Bursche fort, „weil Du mir nit einmal eine Antwort giebst? Ich hab’ Dir’s schon so oft zu merken ’geben, Du bist mir allemal ausgewichen … heut hab’ ich eigens den weiten Weg herüber gemacht, um mit Dir noch einmal da heroben in der Freiung zu reden, eh’ wir wieder unter den Leuten und Giebachteln sind … willst mich ohne Bescheid fortgehen lassen?“

„– Und wenn ich gar nichts sag’, ist das nit auch ein Bescheid?“ erwiderte endlich das Mädchen mit unsicherer Stimme, die erst allmählich einige Festigkeit gewann. „Ich will aber auch gerad’ heraus reden, Mentel, und will Dir sagen, daß Du Dir das aus dem Sinn schlagen mußt! Mit uns Zwei kann’s nie was werden! Du bist ein reicher Bauernsohn, ich bin ein armer Dienstbot’; Du bist ein Ramsauer – ich bin fremd, ein hergelaufenes Hüterdirndl aus dem Laupgries … das giebt Dein Vater in Ewigkeit nit zu!“

„Er thut’s, Evi!“ rief der Bursche feurig. „Er muß – für das laß mich sorgen, wenn ich nur erst weiß, daß Du mich magst! Red’ – magst mich nit? Was hast gegen mich?“

Sie sah ihn entschlossen an; sie hatte ihre ganze Fassung wieder gewonnen. „Du bist mir zu wild, Mentel!“ sagte sie. „Zu unordentlich! Das könnt’ ich nit vertragen, wenn wir ein Paar wären … ich thät’s nit leiden, und Du thätst es nit lassen, wenn Du’s auch versprichst. … Schau, das könnt’ nit gut thun, und so ist’s das Gescheidteste, ich sag’ im voraus Nein. …“

„Das ist nur so eine verblümelte Weis’,“ rief Mentel mit auflodernder Hitze. „Warum magst mich nit? Weil ich Dir zu wild bin? Das sind Faxen, Evi … weil Dir ein Anderer lieber ist als ich – das ist der richtige Grund! Der Jäger ist es, der Lump, der mich ausgestochen hat, nit wahr … aber gieb’s Acht, Evi, es giebt ein Unglück, wenn ich das erfahr’! In der Mitt’ brech’ ich ihn ab, den Grashupfer den grünen, und Dich dazu!“

Evi trat ihm einen Schritt näher. „Ich fürchte Dich nit, Du Baumausreißer,“ sagte sie, „und wenn Du noch so wild thust! Wenn Du aber glaubst, Du g’fallst mir um das besser, bist auch auf dem Holzweg … ich hab’ meinen Kopf zum Aufsetzen, so gut wie Du, und …“ fügte sie etwas innehaltend bedächtiger hinzu … „und mein Herz auch!“

„Dein Herz?“ rief Mentel freudig. „Wenn Du’s nur noch hast, Dein Herzl – das ist ja das Einzige, um was ich mich sorg’! Wenn Du’s noch an keinen Andern verschenkt hast, nachher ist Alles gut – nachher mußt Du doch noch mein werden. … Kein Anderer soll Dich haben, und ich will nit rasten, bis Du als Bäuerin droben sitz’st am Schwarzeck auf dem Bühelgut! … Ich will auch nit mehr so wild sein … ich will Dir’s zeigen und gleich das Blumwerk aufklauben, das Dir aus dem Fürtuch gefallen ist wegen meiner Reschheit (Heftigkeit)! – Schau!“ fuhr er fort, indem er sich bückte und die zerstreuten Blüthen eilfertig zusammenraffte, „lauter frischer Almenrausch! Wo hast’n her?“

„Ich hab’ ihn selber geholt, droben am Gewandt beim Geisterbrünnl …“

„So? Das trifft sich ja prächtig!“ rief Mentel rasch. „Ich hab’ derweil’ Edelweiß gebrockt … da schau’ her, die schönsten frischesten Stern’ und so lind als wie Sammet; es wachst nirgends so schön, als drüben am Bartelmä-See, wo’s in’s Lauthal hinein geht! Gieb mir einen Buschen von Deinem Almenrausch!“

Er ergriff einen Zweig, nahm den Hut ab und befestigte die Alpenrosen neben dem Strauße von Edelweiß, womit er geziert war. „Die zwei fürnehmsten Blumen, die auf den Bergen wachsen,“ sagte er dabei, „die müssen bei einander sein! Und Du – Du sollst auch das Edelweiß von mir tragen. …“ Damit hatte er ihr den Hut, den sie in der Hand getragen, entrissen und ihn mit Edelweiß besteckt. „So,“ rief er, indem er ihr den Hut auf den Kopf drückte, „jetzt kannst sagen, was Du willst, Evi – jetzt ist’s richtig mit uns Zwei – denn Almenrausch und Edelweiß, die g’hören zusamm’!“

Das Mädchen war verwirrt, die Antwort wurde ihm aber erspart, denn von der Sennhütte her ließ sich Gesang vernehmen und unterbrach das Gespräch gerade im entscheidenden Augenblick. In ländlicher Weise, aber mit keineswegs bäurischem Ton klang es herüber:

„Sennrin, wo bleibst so lang?
Hast mich für’n Narrn?
Geh’, bring mir a Mili
und koch’ mir an Schmarrn!“

„Ist das nit der Maler?“ sagte Mentel, indem er mit Evi der Hütte zueilte. „Was nur der alleweil da heroben ’rumzusteigen hat?“

„Er ist schon seit ein paar Tagen in der Näh’,“ antwortete Evi, „ich glaub', er will das blaue Eis abmalen droben auf dem Hochkaltern. …“

Jetzt war die Hütte erreicht; in der offenen Thüre stand der Maler, eine fein gebaute, fast zarte Gestalt, von dem dahinter glimmenden Heerdfeuer in den Umrissen schwach röthlich beleuchtet. Er trug Gebirgshut, Joppe, Wadenstrümpfe und nagelbeschlagene Bändelschuhe; der an einem Bande über der Schulter hängende Malkasten, der Regenschirm und der zusammengelegte Feldstuhl aber zeigten, daß es kein Bauer war, der im Scharten-Kaser einsprach.

„Grüß’ Enk Gott, Herr Reinthaler!“ sagte Evi hinzutretend und bot ihm die Hand, in die er lustig einschlug. „Laßt’s Enk auch wieder einmal sehn’ da heroben?“

„Freilich, Evi,“ war die Antwort. „Ich will morgen in die Stadt zurück und mußte mich ja eilen, wenn ich die Hütte nicht schon gesperrt und die schöne Sennerin ausgeflogen finden wollte. Du mußt mir Nachtherberge geben; es ist zu spät und zu weit hinunter in’s Ramsauer Wirthshaus, und meine Schuhe halten nicht mehr aus – der Höllenweg über das Felsengeröll am blauen Eis herunter hat sie ganz hin gemacht!“

„Die schaun freilich übel aus!“ lachte Evi, indem sie die Schuhe des Malers betrachtete, aus welchen die Zehen vorsahen. „Kommts nur herein; ich koch’ Euch einen Schmarrn, Milch ist noch da, ein Glasl süßer Schnaps wird sich auch finden, und meine Lagerstatt im Kreister könnt Ihr auch haben!“

„Wo legst nachher mich hin?“ rief Mentel dazwischen. „Ich kann heut’ auch nit mehr hinüber aufs Schwarzeck!“

„Ah, Du bist nicht allein!“ sagte Reinthaler, indem er den Burschen, den er bis dahin nicht bemerkt hatte, prüfend betrachtete. „Alle Wetter, das ist ein hübscher Bursch … das ist wohl gar Dein Schatz, Evi?“

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