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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

300 Pferde mit einem Gesammt-Ergebniß von circa 150,000 Pfd. gesunden Fleisches geschlachtet worden.

Pastor Bödeker.

Es ist selbstverständlich ebenso herzergreifend wie interessant, in den Vormittags-Sprechstunden, wo Bödeker Jedem zu Rath und That zugänglich ist, die Bevölkerung seines Vorzimmers zu betrachten. Alte gebrechliche Männer und Frauen der ärmsten Classen, welche sich von ihm ihre wöchentliche oder monatliche Unterstützungssteuer von 10, 12, 15 Groschen und darüber holen; andere Bedürftige, für die er aus seiner großen wohlhabenden Bekanntschaft Röcke, Jacken, Strümpfe etc. herbeigeschafft hat; Schulkinder, welche Bibeln, Gesangbücher, die kleinsten, welche Spielsachen geschenkt bekommen; dort eine hülflose Arbeiterfrau, welcher der Mann gestorben und deren Säugling er bei einem vermögenden kinderlosen Ehepaare eine dauernde Aufnahme an Kindesstatt verschaffte; ein Student, der seine Fürsprache zur Erlangung eines Stipendiums, ein während seiner Studienzeit durch ihn unterstützter Candidatus theol., welcher seine Empfehlung zu einer vacanten Hauslehrerstelle nachsucht; ein kleiner Bürgersmann, dem wegen Kündigung eines Capitals, das er nicht wieder anschaffen konnte, sein Haus verkauft werden soll, und der nun auch zu ihm seine letzte Zuflucht nimmt etc. – Und wenn nun zwischen alle diese Armen, Hilfsbedürftigen und Geringen plötzlich ein vornehmer Besuch hineinschneit – denn auch vernehme Leute kommen genug zu ihm, theils um einen Mann von so ungeheurer Popularität sich befreundet zu erhalten, theils weil auch sie mitunter bei ihm Rath und Hülfe suchen – dann treibt er all die geringen Besucher nicht etwa zur Thür hinaus, sondern sagt einfach zu dem vornehmen Herrn: „Bitte, mein Verehrtester, warten Sie ein wenig, bis ich diesen guten Leuten erst gerecht geworden bin;” – und wenn dann der vornehme Herr nicht zu warten Zeit oder Lust hat, so läßt Bödeker ihn getrost gehen, unbekümmert, ob er überhaupt danach wiederkomme oder nicht.

Daß nun die Bevölkerung, wenn es Anlaß giebt, einem solchen Manne ihre öffentliche Anerkennung zu beweisen, damit nicht säumig ist, können wir Gottlob denn auch von den Hannoveranern rühmen. Die erste bedeutendere Gelegenheit hierzu gab es bei Bödeker’s 25jährigem Dienst-Jubiläum, am 27. November 1848. Elf Deputationen erschienen da bei ihm zur Gratulation, welchen sich Hunderte von persönlich Glückwünschenden aller Stände, von den Ministern an bis zu den geringsten Arbeitern hinab, anreihten. Ein anderes Mal, da Bödeker (vor etwa drei Jahren) wochenlang am Nervenfieber daniederlag, kamen täglich Hunderte von Personen, Hoch wie Niedrig, sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Und endlich, als Bödeker, nachdem Gott ihn von seiner kranken Frau erlöst, ein Jahr darauf sich zum zweiten Male mit einer, wie an Jahren ihm nahestehenden, so durch Herzens- und Geistesbildung würdigst ihm entsprechenden hannoverschen Bürgerstochter vermählte, da bereitete ihm die öffentliche Liebe wieder ein großes Herzensfest. Nicht nur, daß auf eine einfache Anregung im „Tageblatt”, überschrieben „Wir wollen ihm auch einmal eine Freude machen!”, in Kurzem eine freiwillig aus Thaler- und Groschen-Beiträgen gesteuerte Summe von über 500 Thalern zusammenkam, wofür ihm ein prächtiger silberner Tafelaufsatz zum Ehrengeschenk hergestellt wurde, sondern es harrten da auch, als er mit seiner Neuvermählten von seiner Hochzeitsreise nach Hannover zurückkehrte, Tausende von Menschen seiner Ankunft am Bahnhofe, welche ihn mit nicht endenwollendem Vivatrufen bis an seine Wohnung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_109.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)