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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


und fromm der Herr war, konnte ich ihn nie ohne Bedauern sehen; er schien mir im Herzensgrunde nicht froh und glücklich zu sein; ob es Krankheit war, oder ein inneres Leid, wer konnte es wissen?“ –

Es sind nicht besonders große Verdienste um die Förderung unserer Literatur, noch weniger ausgezeichnete Thaten oder Schicksale auf anderen Gebieten, welche dem Grafen Fr. Leopold zu Stolberg die Theilnahme der Nachlebenden erhalten haben. Es ist vielmehr das Interesse, welches wir für Alles fühlen, das mit der Jugend unserer zweiten glänzenden Literaturperiode irgendwie in Verbindung gestanden hat, was ihm unter den Gebildeten unserer Nation ein freilich getrübtes Andenken sichert. Wir haben wenig, Ursache, mit Stolz auf den Lauf unserer Geschichte zurückzublicken. Nur eines Zweiges an dem Lebensbaume unseres Volks können wir uns von Herzen erfreuen, weil er zu einer vollen, prächtigen Krone ausgewachsen ist, welche selbst die Verkümmerung der übrigen Zweige versteckend zu hüllen vermag; das ist unsere Literatur, die nicht durch künstliche Pflege und hochgeneigte Protection, sondern aus eigener Kraft des Volksgeistes entsprossen, erblüht und zu unsrer Freude und zu unserm Stolz erwachsen ist. Wie gern versetzen wir uns in die Zeit zurück, da dieser Zweig unsres Volkslebens die ersten Knospen in die herbe Lenzluft hinaustrieb! Wie verehren wir die, welche, kühn die Fesseln der Fremde abwerfend, den Muth hatten, zu sagen und zu singen, wie ihnen um’s Herz war! Wie freuen wir uns, wenn nach der hundertjährigen Dürre und Selbstvergessenheit dem vernachlässigten Boden solche ungeahnte Schätze entsprießen, und wenn das deutsche Aschenbrödel plötzlich als so liebliche, blühende Jungfrau vor den Augen der erstaunten Welt steht!

Und in dieser Erstlingszeit schien Stolberg berufen, unter den Strebenden in vorderster Reihe zu stehen. Er war der geliebte, vielleicht von Anfang an überschätzte Genosse des Göttinger Dichterkreises, welcher sich auf das Innigste an Klopstock anschloß, der am glücklichsten und kühnsten den Reichthum der deutschen Brust zu Tage förderte. Denn aus Allem, was Voß in der Schrift: „Wie Fritz Stolberg ein Unfreier wurde,“ dargelegt hat, geht hervor, daß man Stolberg nicht Unrecht thut, wenn man ihn mit dem treffenden Worte Goethe’s eine „problematische Natur“ nennt. Es war nicht in ihm, mit festem, unbeirrtem Gange einem hohen Ziele sein Leben hindurch zuzustreben, er schwankte hin und her, wie äußerliche Einflüsse ihn bestimmten, und glaubte am Ende gegen den Zustand innerlicher Unbefriedigung, der die Frucht seiner Haltlosigkeit sein mußte, im Schooße der alleinseligmachenden Kirche ein Heilmittel zu finden. So verschieden, je von verschiedenen Standpunkten aus, man über diesen Schritt urtheilen mag, des Eindrucks wird man sich nicht erwehren können, daß das Leben dieses Mannes nicht ein vollwüchsiges, gesundes gewesen ist, und daß sein Abend nicht wahr gemacht hat, was der Morgen verhieß.

Der Pater bemerkte wohl den großen Antheil, welchen ich an dem Todten nahm, der hier ruhte; er erzählte Alles, was er von ihm wußte. Weil ich aber fühlte, daß meine Gedanken über den Verstorbenen nie des Paters Gedanken werden könnten, so hielt ich es für das Beste, ihm schweigend zuzuhören, und bat ihn endlich, mich auf den Weg nach Totenhausen zu geleiten, wo ich übernachten wollte.

Als wir aus dem Walde traten, lag die weite, sandige Ebene, nur hie und da von Fichtenwäldchen unterbrochen, im rothen Abendschimmer vor uns. Im Osten stieg der Vollmond am reinen Himmel auf, und hinter uns stand der westliche Horizont noch in der vollen Gluth des Abendroths. „Morgen giebt’s wieder einen herrlichen Tag!“ sagte der Pater. „Sie können nun nicht irren. Gott sei mit Ihnen!“ Ich drückte ihm herzlich die Hand und ging. Noch lange sah ich ihn am Eingange des Waldes stehen und segnend die Hand gegen mich erheben, so oft ich mich umwandte. Aber im Gehen mußte ich immer wieder denken: „Möchte doch der Abend jenes Todten dem heutigen ähnlich gewesen sein! So still und friedlich niedersinkend und voll Verheißung eines schöneren Morgens!“


Blätter und Blüthen.


Eine Schlittschuh-Quadrille. Indem Verfasser auf den in Nr. 8 des vorigen Jahrgangs der Gartenlaube aufgenommenen herrlichen Artikel „Auf der Schlittschuhbahn“, welcher hoffentlich seinen guten Zweck, das Schlittschuhlaufen zu fördern, nicht verfehlt hat, zurückverweist, bringt er unten eine Quadrille, wie solche seines Wissens – wenigstens im Norden Deutschlands – bisher nicht ausgeführt ist. Möge auch sie dazu beitragen, neue Freunde dem Eise zu gewinnen, denn wenngleich ein einsamer Schlittschuhlauf des Angenehmen viel bietet, so gewährt doch jedenfalls ein schönes Zusammenwirken auf der glatten Bahn auch manches Interessante. Sollte aber nachfolgende Anleitung den geübteren Läufern nicht genügen, so bleibt es ja ihrer Phantasie und Geschicklichkeit unbenommen, neue, schwierigere Touren zu bilden und auszuführen.

Allgemeine Bemerkungen. Es sind 12, 14 oder 16, Läufer in zwei gleich großen Abtheilungen angenommen. Nach Aufstellung der Läufer numeriren die Abtheilungen von der Mitte aus. Die Richtung ist immer nach den Führern (Nr. 1 jeder Abtheilung). Die Flügel der Abtheilungen sind mit den gewandtesten Läufern zu besetzen. Die Führer (respective der Führer) geben durch Wort oder Wink das Zeichen zum Anfang der einzelnen Aufführungen. Der gewöhnliche Abstand zwischen den einzelnen Läufern ist 3–4 Schritt. Wenn kein besonderes Laufen angegeben, so ist das gewöhnliche gemeint. Es wird immer links Kehrt gemacht. Ein vorheriges Durchgegen der einzelnen Touren mit den Läufern auf dem Lande würde die wirkliche Einübung auf dem Eise erleichtern. Die Bahn würde etwa 50 Schritt im Quadrat zu nehmen sein. Die in der Zeichnung mit großen Buchstaben angedeuteten Punkte würden durch Leute, welche kleine Tafeln mit den entsprechenden Buchstaben tragen, zur bessern Orientirung markirt werden können. Die Leute mit den 4 innern Buchstaben treten bei den 3 letzten Touren heraus. Der Punkt T ist durch einen eingesteckten Pfahl zu bezeichnen.

Schlittschuh-Quadrille.

1. Tour. Aufstellung auf der Linie A N. Front gegen die Bahn. Rechts Abtheilung 1, links Abtheilung 2. Im raschen Lauf Vorrücken bis zur Linie C P. Halt. Grüßen. Kehrt. Die Abtheilungen rechts, resp. links, schwenken nach A und N. Halt. Front. Durchlaufen. Rechts am vis-à-vis vorbei. Auf den Grenzlinien der Bahn kehrt. Zurück. Abtheilung 1 schräge vorwärts bis zur Linie K M. Im kurzen Schleifbogen Kehrt. Zurück. Front. Halt. Abtheilung 2 analog dasselbe. Beide Abtheilungen vorwärts bis zur punktirten Linie. Beim Zusammentreffen rechts respective links um und zu zweien nach S. Abtheilung 1 rechts, Abtheilung 2 links auf den Grenzlinien der Bahn nach R. Führer rechts respective links schwenken zu zweien. Wenn die Führer die Linie C P erreicht, rechts resp. links um und zu den Linien N P und A C. Kehrt. Halt.

2. Tour. Ohne scharfes Absetzen beide Abtheilungen schräge vorwärts bis zu K M und F H. Im Rückwärtslauf zurück. Abtheilung 1 ohne scharfes Absetzen nach Abtheilung 2. Beim Zusammentreffen Hände vor. Abtheilung 2 schiebt Abtheilung 1 zurück. Abtheilung 2 Kehrt und im schnellen Lauf zurück. Abtheilung 2 ananlog dasselbe. Beide Abtheilungen zur punktirten Linie. Die gegenüberstehenden Läufer geben sich die rechten Hände und schleifen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_079.jpg&oldid=- (Version vom 26.9.2023)