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Indessen blieb in jedem Falle die Hauptsache wie sie war, und so strebte er, seinem Hotel zuschreitend, jeden Gedanken, der seinen Muth für den einmal gefaßten Entschluß hätte herabstimmen können, zu verbannen. Ein wohlthuender Gedanke aber war es ihm trotzdem, daß Memphis, wie die eigentliche letzte Entscheidung, noch zwischen ihm und New-Orleans lag, und er dankte dem Alten im Stillen, daß er ihm diesen Haltpunkt zur nochmaligen Frage an sein Schicksal auf den Weg gelegt.

Es war drei Uhr vorüber, als Behrend mit seinem Gepäck den Bord des Dampfbootes betreten hatte, und den qualmenden Schornsteinen nach schien er kaum viel zu früh angelangt zu sein. Die Briefe nach Memphis befanden sich in seinem Taschenbuche; sie waren ihm indessen durch einen der Clerks in der Bank übergeben worden, da Mr. Peters, wie es hieß, das Geschäft bereits verlassen habe, und diese Abwesenheit hatte dem jungen Manne fast wie ein letztes Zeichen des Unmuthes, welches ihm der Alte mit auf den Weg gebe, erscheinen wollen, das ihn jetzt drücke, er konnte sich selbst nicht erklären weshalb.

Das Innere des Fahrzeugs zeigte noch das gewöhnliche Durcheinander von ab- und zugehenden Reisenden, Gepäckträgern und ordnender Bootsdienerschaft vor der Abfahrt, und Behrend hatte es sich abseits auf einer der offenen Gallerien bequem gemacht, das Menschentreiben an der Landung beobachtend und unwillkürlich eine Parallele zwischen seinen Empfindungen, mit denen er gestern bei seiner Ankunft das Schauspiel betrachtet, und seinen jetzigen ziehend. Da blieb sein Auge plötzlich an einem von der Stadt heranrollenden offenen Wagen, der bald in kurzer Entfernung dem Boote gegenüber hielt, hängen, und sein Gesicht nahm die Blässe tiefer Erregung an; dort hatte eben der alte Peters den Boden betreten, während Ellen einer zweiten jungen Dame voran ihm mit leichtem Sprunge und ohne auf Beistand zu warten, folgte. Aber noch ein Anderer schien reges Interesse an der Angelangten zu nehmen; Webster war ihnen vom Eingange des Bootes rasch entgegen getreten, und vor seiner augenscheinlichen Ueberraschung schien das Gesicht des Bankiers fast seine ganze Steife aufgeben zu wollen. „Ich sagte Ihnen ja, daß ich Ihnen noch eine Art Frachtstück zu bringen hätte,“ hörte Behrend die Stimme des Alten, „nun sind es aber zwei geworden. Meiner Ellen ist es plötzlich in den Kopf geschossen, ihre heimreisende Freundin zu begleiten, und sie ist leider gewohnt, durchzusetzen, was ihr in den Sinn kommt!“

„Aber ich will doch nicht hoffen, daß die Reise weit geht, und Miß Peters uns für lange hier allein läßt?“ fragte der Angeredete hastig.

„Nur hinunter bis an die Ohio-Mündung, Sir – aber entschuldigen Sie mich einen Augenblick!“ gab Peters zurück und drehte sich nach dem Wagen, wo seine Tochter dem vom Bocke gesprungenen Schwarzen noch einzelne Anordnungen zurückzulassen schien.

Webster wandte das Gesicht nach dem Flusse, und Behrend sah ein kurzes, seltsames Zucken durch seine Züge gehen; ein unterdrückter Fluch schien sich plötzlich aus seinem Munde zu drängen, und dann, wie einem bestimmten Gedanken nachgebend, eilte er in das Boot zurück. Ehe indessen der Beobachtende noch Zeit gehabt, sich einen Gedanken über das eigenthümliche Wesen des Mannes zu machen, drang ein lauter Ruf desselben aus einem nahegelegenen Theile des Fahrzeugs zu ihm. „Wilson! Wilson!“ hörte er.

„Sir!“ tönte es als Antwort.

„Einen Augenblick hierher, aber ohne Verzug!“

Kein weiterer Laut ward hörbar, aber der eine Name „Wilson“ hatte den jungen Mann wie elektrisch berührt, es war derselbe, welcher gestern Abend bei der belauschten geheimnißvollen Unterredung gefallen war, und einige Secunden lang wurde es dem Horcher, als sei mit seiner Anwesenheit auf Webster’s Boote das besprochene lichtscheue Unternehmen an ihn selbst herangetreten und könne ihn in seine Verschlingungen hinein ziehen; als er indessen jetzt Peters und die beiden Damen das Boot betreten sah, wandten sich seine Gedanken dem unerwarteten Ereigniß zu, das ihn auf’s Neue in die Gesellschaft des Mädchens brachte, das er um seiner eigenen Ruhe willen am liebsten ganz gemieden hätte. Er hörte die kleine Gesellschaft die Treppe zum Salon heraufsteigen und war froh, ihr jetzt nicht in den Weg treten zu müssen, er hätte kaum selbst gewußt, welchen Ton gegen sie anzuschlagen. Da vernahm er nach einer kurzen Weile die Stimme des Alten durch die offene Thür zur Gallerie: „Der junge Behrend geht hinunter bis Memphis, oder auch weiter, wenn seinem Kopfe dort die Dinge nicht anstehen, und so ist wenigstens Jemand hier, an den Ihr Euch für irgend einen Nothfall werdet halten können!“

„Hoffentlich bedürfen wir der Adresse nicht, denn seiner bisherigen Weise nach wird er sich kaum sehen lassen!“ klang Ellen’s Stimme, und dem Lauscher schien eine Gereiztheit in ihrem Tone zu liegen, die ihm fast weh that. „Ich verstehe, daß sein Stolz sich beleidigt gefühlt haben kann, begreife aber diesen Trotz einer freundlichen Begegnung gegenüber nicht. Er wird eine Stellung in Memphis finden können, Vater?“

„Möglich, wenn es nicht wieder eine Beleidigung für seinen Stolz ist!“ erwiderte Peters trocken; „bei solchen Charakteren läßt sich nichts voraussagen, und sie legen auch den besten Willen lahm.“

„Aber wenn er nun wirklich in dieser Jahreszeit nach New-Orleans ginge, Vater?“ Und der plötzlich aufspringende Ton von Besorgniß in der Frage durchzitterte alle Nerven des Hörers.

„Und was könnte ich nach Allem, was ich ihm gesagt, nachdem er jede Hülfe, die ich unter den obwaltenden Umständen für ihn gehabt hätte, als ungehörige Wohlthat zurückgewiesen, dagegen thun, Tochter? In gewissen Verhältnissen ist ein Charakter wie der seinige Gold, während er in anderen Lagen zur Narrheit wird, gegen die, und wenn sie zum Selbstruin führte, sich äußerlich nicht ankämpfen läßt. Hat er noch die nöthige Vernunft, so wird ihm die rechte Besinnung kommen, ehe er New-Orleans erreicht.“

(Fortsetzung folgt.)



Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.

Von Guido Hammer.
Nr. 18. Die freie Jagd.

Als das Jahr 1849 neben mancher anderen Errungenschaft auch die der freien Jagd gebracht hatte, da wurden alle alten Gewehre, von der Pistole an bis zur Muskete, welche sich etwa als Erbschaftsstücke oder vom Trödel erworben in Bauernhänden befanden, hervorgesucht, um damit nicht mehr blos Spatz und Stahrmatz zu verscheuchen oder in der Neujahrsnacht und zu anderen Festlichkeiten als „Kracher“ zu dienen, sondern von nun an mit ihnen das edle Waidwerk auszuüben. Die Feldbauern rotteten sich zu solchem Zwecke zusammen, um durch Treibjagden auf ihren Fluren vorzüglich Lampen den Garaus zu machen, während die Gebirgs- und Walddörfler mehr den Anstand benutzten, ihre Felder von dem ihnen lästigen Hoch- und Rehwild zu befreien und dabei gleichzeitig durch den Verkauf des erlegten Wildes einen nicht zu verachtenden Gewinn zu erzielen. Und man durfte es diesen Leuten nicht verargen, wenn sie, nun sie das Recht dazu hatten, alles Mögliche aufboten, ihre mit sauerem Schweiß bestellten Felder von den ungebetenen Gästen zu säubern; denn namentlich war es im Gebirge schlimm, wo bis dahin die Jägerei mit Vorliebe das Wild gehegt hatte und dasselbe dem armen Landmann wirklich zur Plage geworden war, da die etwaige Vergütung für Wildschaden – wenn überhaupt solche gewährt wurde – viel zu gering war, um wirklichen Ersatz zu bieten. Die Mittel zur Abwehr des Wildes aber, als die Felder mit Stangen zu vermachen oder mit Federlappen zu umhegen und durch Wagenschmiere zu verwittern u. s. w, halfen nicht viel, wenigstens nicht lange, da das Wild viel zu dreist wurde, um sich durch solche harmlose Hindernisse verscheuchen zu lassen.

Ja selbst das Schreckschießen und das Verjagen mit Hunden verlor sehr bald seine Wirkung, indem die zudringlichen Felddiebe recht wohl merkten, daß auch hierbei kein Ernst dahinter sei. Deshalb mochte es auch, als das bloße Scherzen aufhörte, den Bauern eine wahre Wonne sein, „die Beester auszuschmieren“, wie sich der gute

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