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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Bürgerkriegs auf den deutschen Markt und auch auf Bauer’s Unternehmen. Kameele und Ballons sollten, nach dem ursprünglichen Plane, aus drei Lagen Leinewand und zwei Lagen Kautschukplatten bestehen; der Preis letzterer war aber zu einer bei dem großen Bedarf Bauer’s geradezu unerschwinglichen Höhe gestiegen, und so mußte er bei einem Theile des Ballons den Versuch wagen, die Leinwandlagen mit einer Kautschuklösung zu bestreichen und so die Luft- und Wasserdichtigkeit zu erzielen. Die Art und Weise der Herstellung dieses Theils der Apparate theilen wir unseren Lesern in einem zweiten Artikel mehr technischen Inhalts mit; sie würde noch weit kostspieliger und zeitraubender geworden sein, als sie ohnedies war, wenn die k. baier. Regierung sich nicht bewogen gefunden hätte, Herrn Bauer für diese Arbeit den Krystallpalast Münchens zur Verfügung zu stellen. Hier begann Bauer die Verfertigung von 6 großen Kameelen von je 780 Centner Tragkraft und 12 Ballons zum Theil von 240, zum Theil von 180 Ctnr. Tragkraft; ehe er jedoch namentlich die letzteren hatte vollkommen austrocknen lassen können, erhielt er am 2. October den Befehl, am 3. Octbr. das Haus vollständig für zehn Tage zu räumen, weil es für eine Gesangproduction zu Gunsten eines abgebrannten Orts und zu einer Ausstellung von landwirthschaftlichen Geräthen bestimmt worden war.

Um diese kostbare Zeit für sein Werk nicht ganz verloren gehen zu lassen, entschloß sich Bauer, sein sämmtliches Material, trockene und nasse, zum Theil eben erst von den Formen abgelöste Ballons, sofort nach Lindau zu schaffen, weil er glaubte, dort die letzte Hand daran legen und dann ungehindert direct an die Lösung seiner Aufgabe gehen zu können, natürlich günstige Witterung und hilfsbereites Entgegenkommen von Seiten der schiffsbesitzenden Gesellschaften der Bodenseeorte vorausgesetzt. – Leider mußte Bauer sich in Beidem, in der Witterung wie in der Bereitwilligkeit, bitter getäuscht sehen. Am 4. October traf er mit seiner Ladung in Lindau ein, aber weder in den Bahnhofgebäuden fand sich für seine Apparate ein schützender Ort, noch konnte von der Dampfschifffahrtsverwaltung in Lindau ein gedecktes Schleppschiff für ihn, seine Apparate und später für die arbeitende Mannschaft erlangt werden, obwohl zwei derselben derzeit unbenutzt im Lindauer Hafen lagen. Endlich miethete er aus einem österreichischen Uferort ein paar alte Holz- und Steintransportschiffe, die so gebrechlich waren, daß sie diesen Winter zerschlagen werden sollten. Während nun theils in diesen ganz offenen Schiffen, theils auf freiem Platze die Hebeapparate dem unaufhörlichen Regen preisgegeben waren und in einem Torfschuppen die Hand an die Vollendung der letzten Ballons gelegt wurde, ließ die Generaldirection der baier. Verkehrsanstalten am 13. Oct. Bauer durch einen Postbeamten den telegraphischen Befehl mittheilen, daß „die Hebung des „Ludwig“ ohne allerhöchste Genehmigung nicht vorgenommen werden dürfe.“ Unter solchen Umständen mußte Bauer in der That befürchten, das kostspielige Hebungsmaterial verfaulen zu sehen, ehe man ihm nur den ersten Schritt zur Arbeit gestatte, und so entschloß er sich denn zu einer rettenden That. Er ließ am 14. sämmtliches Material, so gut es eben gehen wollte, auf seinen beiden Schiffen unterbringen und verließ am Morgen des 15. mit dem ersten günstigen Wind den Hafen seiner Heimath, um auf Schweizerboden sein Glück zu suchen. Der Anblick der zwei jämmerlichen Fahrzeuge, deren Segel, zerrissen und mit Lappen und Fetzen aller Farben geflickt, der Harmonie des Ganzen keinen Eintrag thaten, erregte in Rorschach erst recht die Achtung vor dem wagenden Mann, man nannte es einen wahrhaften Garibaldizug, mit dem Bauer in den dortigen Hafen kam, und begrüßte ihn mit herzlicher Theilnahme. Bauer stand nun unter schweizerischem Schutz, und die Männer von Rorschach waren fest entschlossen, diesen ihm nöthigenfalls auf das Nachdrücklichste zu gewähren.

Zunächst versah man Bauer mit dem für seine Arbeit nöthigsten Schiffs- und sonstigen Geräthe, mit Krahnen, Rollen, Ankern etc., während andere Requisiten von Friedrichshafen herbeigeschafft wurden, und so konnten, nachdem Bauer am 16. binnen nicht ganz vier Stunden die Lage des „Ludwig“ erlothet hatte,[1] schon am 17. October die Taucher zum ersten Male wieder in die Tiefe.

Schon jetzt zeigte sich die Unmöglichkeit, den alten Schiffen das Leben der Mannschaft und die werthvollen Werkzeuge, dazu auch die neuen von Bauer eigens für seine Taucher- und Hebearbeit construirten und von Maffei in München ausgeführten Luftpumpen, auf die Länge anzuvertrauen; 47 Arbeiter und 3 Taucher bildeten das Dienstpersonal Bauer’s, und diese mußten sich auf einem Verdeck ohne Geländer aufhalten. Gleich am ersten Tage stürzten zwei Mann über Bord und wurden mit Mühe gerettet. Beim geringsten Wetter kam die Besorgniß über die Leute, daß die elenden Kästen auseinander gehen, und mehr als einmal flüchtete man sich nach dem schützenden Rheinhorn hin, um da ruhigere See abzuwarten. Mit Mühe wurden die Lecks verstopft, die Pumpen hatten unaufhörlich zu arbeiten, und an die Herstellung eines Geländers war nicht zu denken, weil das Holz keinen Nagel mehr zu halten vermochte.

Soweit waren die Vorbereitungen gediehen, als Bauer ein Schreiben der genannten Generaldirection der baierischen Verkehrsanstalten erhielt, in welchem gesagt wurde: „daß Bauer zwar die Vorarbeiten für die Hebung des untergesunkenen Dampfers Ludwig durch Entschließung des Königl. Ministeriums des Handels gestattet seien, daß die Entschließung darüber aber, ob und unter welchen Modalitäten ihm die Hebung selbst zu gestatten sei, noch vorbehalten bleibe.“ – So wenig Ermuthigendes in einer Aussicht lag, bedeutende Kosten, unsägliche Arbeit und viele Zeit möglicherweise vergeblich verwendet zu haben, so setzte doch Bauer seine Thätigkeit rastlos fort. Wir übergehen die mancherlei Drangsale des armen vom inneren Trieb gehetzten und von äußerer Hemmniß gepeinigten „deutschen Erfinders“, um zu berichten, daß er später doch noch ein Schleppschiff von der Lindauer Verwaltung (gegen Vorausbezahlung der Miethe auf 14 Tage und gegen Caution des vollen Werthes für andere ihm noch überlassene Requisiten, wie Kautschukschläuche u. dgl.) erhielt und nun erst wenigstens mit Sicherheit am Bord an die eigentliche Arbeit gehen konnte.

Der Holzschnitt zu meinem Artikel über die „unterseeischen Kameele“ (Bd. X., Nr. 4), welcher die Hebung des „Ludwig“ durch die Lufttonnen darstellt, giebt unseren Lesern ein genügendes Bild auch für den gegenwärtigen Hebeversuch; nur muß er sich an die Stelle der schwerfälligen Schlauchspritzen Bauer’s neue, wenig Raum einnehmende Luftpumpen denken, die wir in einem nächsten Artikel bildlich darstellen und ausführlich beschreiben. Neben dem Schleppschiffe, welches zugleich den Vortheil bot, daß die Mannschaft in ihm übernachten konnte, lag das größere der österr. Schiffe als Magazinboot, in welchem die Ballons, Kameele, Taue, Ketten u. dgl. aufbewahrt waren. Unser Bildchen zeigt uns das Deck des Arbeitsschiffs in dem Augenblicke, wo Bauer den ausgerüsteten Taucher in die Tiefe zu lassen im Begriff ist. Wir sehen Letztern in seiner Wasser- und luftdichten Leinwand- und Kautschukkleidung, die den ganzen Mann umhüllt und von oben vom Helm überdeckt wird. Der Taucherhelm ist das wichtigste Stück der Taucherausrüstung; wir geben von ihm eine besondere bildliche Darstellung in unserem zweiten Artikel, nach welchem wir einige kleine Fehler im vorliegenden Bildchen zu verbessern bitten. Das Wasser hat in den Taucherhabit keinen Zutritt, die durch den Luftschlauch fortwährend in den Helm eingepumpte Luft drängt es unterm Helm zurück, der ganze Mann ist von Luft umgeben, und die Luftblasen steigen fortwährend da aus, wo er eben arbeitet. Um in die Tiefe zu gelangen und sich dort zu erhalten, bedarf er deshalb eine Gewichtsvermehrung, und diese ist ihm in den Metallringen gegeben, die wir wie ein Gürtel ihn umspannen sehen und die er, wenn er rasch emporsteigen will, nöthigenfalls durch einen Ruck abwerfen kann. Der Luftschlauch und das Tau, an welchem er in die Tiefe gelassen wird, sind oben am Helm befestigt, vorn auf der Brust ist die Sigualschnur festgebunden, die seine geistige Verbindung mit der Oberwelt vermittelt. Ich habe mir diesen kurzen Uebergriff in unsern zweiten Artikel erlaubt, um unsern Lesern die Einsicht in die Gefahren zu erleichtern, welchen der Taucher in der Tiefe ausgesetzt ist, wenn Hindernisse, wie diejenigen, welche wir jetzt kennen lernen, sich ihm entgegenstellen.

Sowohl unser Wilh. Bauer als auch die Taucher machten mir Mittheilungen über den Zustand, in welchem sie das Schiff wieder fanden. Wir müssen hier, für manche unserer Leser vielleicht wiederholt, bemerken, daß nach Bauer’s dritter Hebung des „Ludwig“, wobei dieser von seiner frühern Lagerstelle zu der gegenwärtigen gebracht worden war, die Herren vom Verwaltungsrathe der Dampfschifffahrt in Lindau einen Herrn

  1. Man hatte, nach dem vergeblichen Hochholzer’schen Hebeversuch, die von Bauer am Vorder- und Hintertheil des versunkenen Dampfers befestigten Signalstangen fortgenommen, offenbar in der Absicht, dem so oft aus seinem Schlaf aufgerissenen Ludwig eine fortan ungestörte Ruhe zu sichern.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 759. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_759.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)