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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Rückweg antreten nach den unterschiedlichen Weihern, welche den sonnigen Theil des Dresdner zoologischen Gartens von den Parkanlagen scheiden.

Da gleich zur Rechten zieht der schwarze Schwan, der das Sprüchwort „weiß wie ein Schwanenhals“ zu nichte macht, seine stillen Kreise, während sich zur Linken zwei Pelikane mit ihren Riesenschnäbeln und umfangreichen Kehlsäcken nach Kräften amüsiren. Sie steigen zuweilen an’s Land und unterhalten sich mit dem Publicum, das es an Fütterung nicht fehlen läßt. Wenn so ein Pelikan den Schnabel zuklappt, entsteht ein Ton, gerade so, als wenn man eine schwer schließende Schnupftabakdose scharf zuknackt.

Weiter im Hintergründe nach beiden Seiten tummelt sich und plätschert und amüsirt sich auf den unterschiedlichen Weihern ein munteres Wasservölkchen, welchem zuzuschauen eine wahre Lust ist. An den Schwanenweiher reiht sich der Weiher für die Cormorane, an welchen der Weiher für wilde Gänse grenzt, während hinter den Pelikanen, in der zweiten Abtheilung des Weihers für Reihervögel, die Rohrdommel, der Purpurreiher, die Mandarinenente und ägyptische Gans sich ihres Daseins freuen. Noch mehr ist letzteres ganz im Hintergründe zur Rechten der Fall, wo im Ententeich fast alle bekannten Entenarten auf- und niederschwimmend ihre unterschiedlichen Liebenswürdigkeiten entwickeln.

Nachdem wir die Baue der kleinern Raubsäugethiere, des Frettchens, des Stein- und Baummarders, des Iltis passirt, gelangen wir zu der hohen Aristokratie unter den Vögeln, zu der hohen und stattlichen Raubvogelvolière.

Unter allen Bewohnern des zoologischen Gartens sind nächst dem Seehunde diese Könige der Alpen, des Kaukasus, der Meere und Steppen, diese See-, Schlangen-, Stein - und Kaiseradler, diese weißköpfigen, Königs-, Mönchs- und Ohrengeier wohl am unbehaglichsten weggekommen. Es ist hier umgekehrt wie beim Menschen. Während der mittlere und kleine Bürgerstand und das Proletariat der gefiederten Welt, die gesammten Wasservögel, die gesammten großen und kleinen Stelzvögel auf freien Weihern und grünen Wiesen wie der liebe Gott in Frankreich leben, während selbst die Stubenvögel in ihren Bauern lustig auf und nieder springen und das eingestreute Futter sich wohl schmecken lassen, sitzt diese hohe Aristokratie und allerhöchste Raubritterschaft, die gern zur Sonne steigen möchte, schweigend mit zum Theil gesenkten Köpfen in ihren nicht ungeräumigen Volièren, immer auf derselben Stelle und selten durch einen Flügelschlag bekundend, daß überhaupt noch Leben in ihnen. Die allertraurigste Figur spielte, als ich ihn vor Kurzem besuchte, der Mönchs- oder Kuttengeier. In tiefer Trauer mit ganz eingezogenem Kopfe, völlig unbekümmert um das zuschauende Publicum, saß er regungslos auf seinem Aste. Er dachte wahrscheinlich über die mißliche Lage des heiligen Vaters nach.

Nachdem wir dem Dachsbau, dem Waschbären, dem Siebenschläfer, der sich vor dem Publicum sehr rar macht und selten aus seinem Häuslein hervorkommt, dem haushälterischen Hamster (beide letztere dem Geschlechte der Nagethiere angehörend) unsern Besuch abgestattet, weitet sich ein geräumiger Wiesenplan vor uns, auf welchem ein paar sehr entfernte Fremdlinge ihre abenteuerlichen Spaziergänge zum Besten geben. Es sind die australischen Kängurus, welche nächst dem Seehunde ebenfalls zu den Thieren gehören, die entweder bei der Erschaffung der jetzigen Thierwelt nicht fertig geworden, oder von der letzten untergegangenen aus irgend einem Versehen zurückgeblieben sind. Gehört dieses Känguru zu der gegenwärtigen Thierperiode, so reichte wahrscheinlich die Zeit nicht aus – und bei solchen Thierschöpfungen mögen die belebenden und formenden Niederschläge wahrscheinlich sehr rasch vor sich gehen – um die Vorderfüße völlig fertig zu bringen. Die schaffende Kraft gelangte eben nur zu einer embryonischen Andeutung. In der Eile suchte sie die Sache jedoch dadurch gut zu machen, daß sie noch einen gewaltigen Schweif zu Stande brachte, der wahrscheinlich leichter zu bewerkstelligen war, als die sauber gearbeiteten Füße. Dieser durable Schweif ersetzt auch wirklich dem Thiere die zurückgebliebenen Vorderfüße, und er ist für den schnellen Lauf – das Känguru soll der Schnelligkeit des Pferdes nichts nachgeben – von außerordentlicher Wichtigkeit. Das Känguru in seiner meist aufrechten Stellung, mit seinem gemüthlichen Köpfchen, treuherzigen Augen und sonstigen muntern beweglichen Wesen gehört mit zu den Lieblingen des Publicums.

Doch welch dumpfwilder Ton rollt an unser Ohr? Wie contrastirend mit all den Thierlauten, die wir auf unserm Weg bisher vernommen! Das müssen gar wilde Gesellen sein, die sich also vernehmen lassen. Allerdings, wir befinden uns in der Nähe des Bärenzwingers; noch wenige Schritte links, und die eben so praktisch wie romantisch erbaute Bärenburg tritt aus dem Laubgrün. Da wandeln sie, die schwarzen zottigen Bewohner der russischen und ungarischen Wälder, in ihren Käfigen ruhlos auf und ab, bald die Leiter emporklimmend, bald die furchtbar bezahnten Schnauzen durch die Eisenstäbe des Gitters zwängend. Auch hier ist fast beständige Fütterung von Seiten des Publicums, wobei man die Geschicklichkeit bewundern muß, womit die Bären mit ihren plumpen Tatzen die hingeworfenen Brocken sich zu eigen zu machen verstehen. – Die in der ersten Abtheilung des Bärenzwingers befindlichen Bären sind Russen und Ungarn, während sich in der zweiten Abtheilung in Gesellschaft des Halsbandbärs und des amerikanischen Bärs oder Baribal ein höchst gemüthlicher Ringkragenbär von der Insel Borneo befindet, der zu nicht geringer Ergötzlichkeit des Publicums sehr oft den Humoristen spielt. Sobald er in seinem glänzend schwarzen Fell mit rostrother Schnauze in aufrechter Stellung am Gitter sich mit dem Publicum unterhält und tanzt und sonst possirliche Capreolen vornimmt, hat er ganz das Aussehen eines kleinen Essenkehrers. In der dritten Abtheilung des Bärenzwingers erblicken wir den sehr respectabeln Eisbär, einen gewaltigen umfangreichen Herren, der in diesem Jahre eine Gehülfin bekommen hat. Der weiße Eisbär ist ebenfalls nicht ganz ohne Humor, zumal wenn er seine Wassergymnastik zum Besten giebt und sich rücklings kopfüber in das Bassin stürzt, daß das Wasserhoch aufspritzt. In neuerer Zeit unterhält er sich viel mit einer Art Kegelkugel, die man dem guten Manne zum Spielzeug gegeben hat, da die edle Gattin nicht immer in der Laune zu sein scheint, ihrem Herrn Gemahl die Zeit ausreichend zu vertreiben.

Wir kommen jetzt unstreitig zu dem ziemlich in der Mitte gelegenen Magnetsteine des Dresdner zoologischen Gartens, der seine Anziehungskraft nie verfehlt, ein stets heiteres Publicum versammelt und namentlich Sonntags von der lieben Jugend förmlich belagert wird. Es ist das Affenhaus mit seinem sehr geräumigen, haushohen Drahtgitter, in welchem ein paar Dutzend Meerkatzen, Paviane, lüsterne und boshafte Mandrills, sowie Hut- und Kapuzineraffen ihr theilweis possirliches, größtentheils aber fratzenhaftes und widerwärtiges Wesen treiben. Das ist ein ununterbrochenes Sichjagen, Beißen, Keifen, Klettern, Springen, Sich an Aesten und Seilen Schaukeln, das Publicum stumpfnasig Angrinsen wie in einer Teufelsküche. Es giebt da allerdings zuweilen „vertrackte Gebehrden“, geeignet, dem unheilbarsten Hypochonder ein Lachen abzugewinnen; aber Humor und Gemüthlichkeit ist trotzdem nicht in dieser heillosen Affenwirthschaft, eben weil Alles nur Fratze. Dem Bereiche der Gemüthlichkeit könnte höchstens jene nicht selten vorkommende originelle Situation angehören, wo der eine geschwänzte Gevatter den andern mit industriosem Eifer von einer garstigen Art Schmarotzerthierleins zu befreien beflissen ist und sich die erhäschte Beute auffällig wohlschmecken läßt.

In besonderen Käfigen und möglichst vor Erkältung gewahrt erblicken wir zwei Nipptisch-Aeffchen, das Seidenäffchen und das kleine Löwenäffchen. Recht niedliche Persönchen!

Außerdem beherbergt das Affenhaus einen Leoparden mit röthlichgelbem Felle und schwarz gefleckt und die aus Hund, Hyäne und Katze zusammengesetzte afrikanische Zibethkatze.

Dem Affenhause schrägüber befinden sich drei Käfige mit einheimischen giftigen und giftlosen Schlangen, eine gräßliche Gesellschaft. Unter und durch einander verschlungen, züngelt nur hier und da unheimlich ein Kopf hervor. In den wärmeren Monaten beging man die Grausamkeit, in diese Schlangen- und Höllenherberge lebendige Frösche zu setzen, die in starrem Entsetzen warten mußten, bis es einer der schlanken Damen belieben wollte, zuzulangen. Man bedenke die Lage des unglücklichen Thiers in nächster Nähe seines furchtbarsten Feindes. Unweit davon ein kleines Bassin von Schildkröten.

Nachdem wir vom Affenhause einen kleinen Abstecher nach dem Hirschparke mit seinem stattlichen Roth-, Edel- und Damwild und den so nützlichen Rennthieren unternommen, durchwandern wir den obern Theil des Parkes und kommen am Eulenhause vorüber, wo die Freunde der Finsterniß reihenweise

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_703.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)