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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Erdhummeln und Bienen für äußerst nützliche Thiere zu erklären, deren Nutzen bei weitem noch nicht genug aufgeklärt ist. Alle diese wilden Bienenarten, welche sich von Honig und Blumenstaub nähren, in allen Blumenkelchen umherkriechen, die Staubbeutel aufbeißen und stets über und über von Pollen bestäubt sind, erscheinen als äußerst wichtige indirecte Werkzeuge zur Befruchtung der verschiedenen Pflanzen. Wenn ich nicht irre, war es zuerst bei der Vanille, wo man bemerkte, daß sie nur deshalb in unsern Gewächshäusern keine Frucht ansetze, weil dort das Insect fehle, das den befruchtenden Büthenstaub auf die Griffel überträgt. Morren in Lüttich kam in den 30er Jahren auf den Gedanken, das Insect durch den Pinsel zu ersetzen, und seit dieser Zeit erzielt man in unsern europäischen Gewächshäusern Vanilleschoten, welche nicht minder aromatisch sind, als die mexicanischen, und sogar höher im Preise stehen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß bei einer Menge von Pflanzen in unsern Gegenden, von welchen wir es bis jetzt kaum ahneten, der Zufall des Bienenbesuchs mit in die Berechnung der Natur gehört und daß diese Pflanzen nur dann Früchte und Samen ansetzen, wenn dieser Besuch möglich gemacht wird. Darwin, der berühmte Verfasser des Buches über die Entstehung der Arten, welches in neuerer Zeit so viel Aufsehen erregt hat, theilt über diesen Gegenstand und die Verkettung, in welcher sich die einzelnen Arten unter einander befinden, ein Beispiel mit, das ich nicht umhin kann, hier anzuführen: „Viele unserer Orchideen-Pflanzen müssen unbedingt von Motten besucht werden, um ihre Pollen-Massen wegzunehmen und sie zu befruchten. Auch habe ich Ursache zu glauben, daß Hummeln zur Befruchtung der Jelängerjelieber (Viola tricolor) nöthig sind, indem andere Insecten sich nie auf dieser Blume einfinden. Durch angestellte Versuche habe ich gefunden, daß der Besuch der Bienen zur Befruchtung von mehreren unserer Kleearten nothwendig sei. So lieferten mir hundert Stöcke weißen Klees (Trifolium repens) 2290 Samen, während zwanzig andere Pflanzen dieser Art, welche den Bienen unzugänglich gemacht waren, nicht einen Samen zur Entwicklung brachten. Und eben so ergaben hundert Stöcke rothen Klees (Trifo1ium pratense) 2700 Samen, und die gleiche Anzahl gegen Bienen geschützter Stöcke nicht einen! Hummeln besuchen allein diesen rothen Klee, indem andere Bienenarten den Nektar in dieser Blume nicht erreichen können. Daher zweifle ich wenig daran, daß, wenn die ganze Sippe der Hummeln in England sehr selten oder ganz vertilgt würde, auch Jelängerjelieber und rother Klee selten werden oder ganz verschwinden müßten. Die Zahl der Hummeln steht großentheils in einem entgegengesetzten Verhältnisse zu derjenigen der Feldmäuse in derselben Gegend, welche deren Nester und Waben aufsuchen. Herr H. Newman, welcher die Lebensweise der Hummeln lange beobachtet, glaubt, daß über zwei Drittel derselben durch ganz England zerstört werden. Nun findet aber, wie Jedermann weiß, die Zahl der Mäuse ein großes Gegengewicht in der der Katzen, so daß Newman sagt, in der Nähe von Dörfern und Flecken habe er die Zahl der Hummelnester am größten gefunden, was er der reichlicheren Zerstörung der Mäuse durch die Katzen zuschreibe. Daher ist es denn wohl glaublich, daß die reichliche Anwesenheit eines katzenartigen Thieres in irgend einem Bezirke durch Vermittelung von Mäusen und Bienen auf die Menge gewisser Pflanzen daselbst von Einfluß sein kann!“

Man könnte sogar noch weiter gehen in diesen Schlußfolgerungen. Die ungeheuere Fleischproduction Englands, deren die Engländer nach ihrer eigenen Behauptung zur Unterhaltung ihrer Industrie und Marine unbedingt benöthigt sind, ist nur ermöglicht durch die rationelle Behandlung der Landwirthschaft, namentlich aber des Baus von Futterkräutern, unter welchen wieder der Klee eine wesentliche Rolle spielt. Ohne Klee keine Ochsen, ohne Ochsen kein Roastbeef, ohne Roastbeef kein England! Man sieht also, daß Altengland um jeden Preis die freie Arbeit der Hummeln unterstützen und den Katzen freien Spielraum lassen muß.

Ich behandele hier nicht die gesellig lebenden Honigbienen, welche in dem civilisirten Europa überall zu dem Range von Hausthieren erhoben worden sind; dagegen erlaube ich mir, noch Einiges über diejenigen Hautflügler anzuführen, welche unbedingt von uns unter die schädlichen gerechnet werden können. Ich meine die Wespen, Hornissen und Ameisen.

Die schlechtesten Früchte sind es in der That nicht, an welchen die Wespen nagen, und in allen Landwohnungen namentlich sind sie höchst unangenehme Gäste, welche durch ihre Gefräßigkeit und ihren furchtbaren Stachel manche Unannehmlichkeit verursachen. Nicht nur süße Früchte, Zucker und Honig, sondern auch Fleisch und lebende Insecten fallen sie mit Begierde an und fangen namentlich die Bienen im Fluge weg, um sie mit ihren scharfen Kiefern zu zerreißen und den Honig aus ihrem Magen zu verzehren. Ihr Stich ist bekanntlich äußerst schmerzhaft, und ich kenne sogar einen Fall, wo er den Tod herbeiführte. Ein Gärtner hatte eine am Boden liegende Butterbirne aufgehoben und ohne Weiteres ein großes Stück abgebissen. In dem Stücke saß eine Wespe, welche ihn beim Hinabschlucken des Bissens an die Stimmritze stach, die in kurzer Zeit so verschwoll, daß der Arme an Erstickung starb.

Interessant ist die Haushaltung dieser Thiere. Gegen den Herbst hin erscheinen große Weibchen, die wohl drei Mal größer sind als die Männchen, mit denen sie sich im Fluge begatten. Die Männchen sterben bald, die befruchteten Weibchen aber verkriechen sich irgendwo an einem warmen geschützten Orte und verbringen so den Winter in Erstarrung. Beim Beginn des Frühlings kommen diejenigen Weibchen, die der Frost nicht getödtet hat, hervor und beschäftigen sich nun auf’s Eifrigste mit dem Bau ihres Nestes, das aus Holzfaser gebildet wird, die mittelst des Speichels zu einer Art steifen Löschpapiers zusammengeleimt ist. Die Zellen des Nestes sind den Bienenzellen ähnlich und werden sogleich mit Eiern besetzt, aus denen sich dicke fußlose Larven entwickeln, welche mit dem Kopfe nach oben mittelst zweier hinterer Saugnäpfe an dem Boden der Zelle sich festhalten und von der Mutter gefüttert werden. Bald sind Hunderte von Zellen gebaut, mit Eiern und Larven besetzt, die alle von der unermüdlichen Mutter so lange gefüttert werden, bis sie sich in einen feinen Seidencocon einspinnen. Nun sieht sie aber auch entsetzlich armselig aus, abgeflattert, haar- und glanzlos, ein wahres Bild aufopfernder Hingebung, die sich wochenlang für ihre Nachkommenschaft geopfert hat. Endlich schlüpfen die Jungen aus: Arbeiterinnen mit verkümmerten Geschlechtstheilen, bei weitem kleiner als die Mutter, aber ebenso emsig wie diese in der Sorge des Hauses. Die Mutter begiebt sich jetzt in Ruhestand; sie verläßt das Nest nicht mehr, läßt sich von den Arbeiterinnen füttern, übt nur die Polizei des Hauses und legt unermüdlich Eier in die Zellen, welche die Arbeiterinnen bauen. Es erscheinen nun nach und nach kleine Männchen, die keinen Stachel besitzen und sich von den Arbeiterinnen füttern lassen, und zuletzt jene Herbstgeneration großer Weibchen, welche zur Früchtezeit uns so unangenehm werden und die bis zum Eintritt der Kälte den Arbeiterinnen helfen. Mit dem Beginne des Spätherbstes sterben zuerst die Männchen, dann die Arbeiterinnen, während die noch nicht verpuppten Larven aus ihren Zellen herausgerissen und todt gebissen werden. Dann zerstreuen sich die befruchteten Weibchen, um sich zu verkriechen und im Frühjahre, wie oben beschrieben, ein neues Nest zu beginnen. Man findet zuweilen gegen den Spätherbst hin große Papiernester, welche über einen Fuß im Durchmesser haben, mehrere Tausende von Zellen, in einem Dutzend Stockwerken vertheilt, besitzen und dennoch nur das Werk eines einzigen Sommers sind. Auffallend ist es, daß bei den so verrufenen Wespen Hunderte von Weibchen in dem einzigen Neste friedlich zusammen wohnen und arbeiten, während bei den sanften Bienen die Herrschsucht jene tödtlichen Kämpfe der Königinnen verursacht, in Folge deren nur eine Königin im Stocke bleibt.

Endlich noch ein Wort von den Ameisen, mit deren Industrie wir so schwierige Kämpfe zu bestehen haben, weil sie mit einer bewundernswürdigen Intelligenz zu ihrem Zwecke zu gelangen wissen. Es ist gewiß kein Märchen, wenn man behauptet, daß diese Thiere fähig sind, sich selbst ziemlich verwickelte Mittheilungen mittelst der Zeichensprache ihrer Fühler zu machen. Es ist keine Fabel, wenn man behauptet, daß die Blattläuse ihre Milchkühe sind und daß sie diese mit derselben Sorgfalt pflegen, welche der gewiegteste Oekonom seinem Stallviehe zuwenden kann. Bei all ihren zerstörenden Eigenschaften haben die Ameisen wenigstens das Gute, daß sie als Führer zu den verborgenen Blattläusen dienen können. Man kann sicher sein, daß Blattläuse auf einer Pflanze sitzen, wenn Ameisen häufig an derselben auf- und ablaufen, und indem man ihnen folgt, wird man gewiß an den Platz geleitet, wo diese Feinde pflanzlichen Wachsthums sich aufhalten.

Das ist aber auch der einzige Nutzen, welchen diese intelligenten Thiere gewähren können, die im Uebrigen eine wirklich großartige Zerstörungskraft zu entfalten im Stande sind. Es ist falsch, wenn man behauptet, daß sie Vorräthe für den Winter einheimsten; die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 686. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_686.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)