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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

durch den Ausbruch der Pest daran verhindert. Herr v. Heuglin wollte sich nicht dazu verstehen, von Bengasi aus auf Wara vorzudringen, um so erwünschter kam das Anerbieten des Herrn M. von Beurmann, von Bengasi aus eine afrikanische Mission anzutreten.

Viele Leser dieser Zeilen werden es wünschen, ehe sie von der Reise des gedachten Herrn hören, etwas über seine Vergangenheit zu vernehmen. Moritz von Beurmann, geb. 1835 zu Potsdam, ist der einzige Sohn eines hohen und sehr geachteten preußischen Beamten, der bis zum Jahre 1850 den Posten eines Ober-Präsidenten bekleidete und seit seinem Ausscheiden als Gutsbesitzer in der Nähe von Halle an der Saale, in Oppim, lebt. Vor Kurzem wurde er zum Curator der Universität Halle erwählt. Nach vollendeten Schulstudien widmete sich M. v. B. dem Militärstande, trat bei den Garde-Pionieren in Berlin ein, um zunächst den praktischen Dienst kennen zu lernen. Nachdem er demnächst drei Jahre die Königl. Preuß. Artillerie- und Ingenieur-Schule zu Berlin besucht, inzwischen zum Officier befördert worden, ging er 1857 zur activen Armee und zwar zur vierten Pionier-Abtheilung nach Erfurt, später nach Luxemburg. Im J. 1859 trat er aus dem Militärdienste, um in Breslau Collegien in den orientalischen Sprachen, der Astronomie und den Naturwissenschaften zu hören. So ausgerüstet trat er, seinem inneren Drange folgend, 1860 eine Reise nach Afrika an. Er besuchte Aegypten, Nubien und besonders die Länder zwischen dem in neuerer Zeit oft genannten Massaua und Chartum, Sauâkin (Suakin) am rothen Meere und Abu Harâs, einen Ort am Bahr el Azrek (blauen Fluß). In den bekannten und weit verbreiteten Mittheilungen von A. Petermann in Gotha sind diese Reisen von Beurmann mitgetheilt; wir wollen hiermit nur angedeutet haben, daß unser Reisender kein Neuling auf afrikanischem Boden ist. Durch große Umsicht und seltenen Takt wußte er Schwierigkeiten zu überwinden, die andern Reisenden unter ähnlichen Verhältnissen das Fortkommen erschwert, ja unmöglich gemacht hätten.

Im Jahre 1861 kehrte Herr von Beurmann nach Europa zurück. Beseelt von jugendlichem Eifer und begeistert für die edlen Zwecke der deutschen Expedition theilte er Petermann seinen Entschluß, auf’s Neue nach Afrika zu gehen, mit und erklärte sich gleichzeitig bereit, von Bengasi aus auf Wara zu gehen, wofern ihm die Casse der deutschen Expedition die Mittel dazu gewähren könne.

Ich weiß nicht, wer bei diesem edlen Entschluß mehr zu bewundern ist, der Sohn, der sich aus den angenehmsten Verhältnissen von liebenden Eltern und Schwestern losreißt, um eine edle und große, der Menschheit würdigere Aufgabe, als dem Soldaten der Jetztzeit blüht, lösen zu helfen, oder der Vater, der seinen einzigen geliebten Sohn nicht zurückhält, dem Drange seines Innern zu folgen.

Am 1. September vorigen Jahres fand bei mir in Leipzig die erste Besprechung über die Reise statt. Es waren außer v. Beurmann Professor Dr. Petermann aus Gotha, Professor Dr. Bruhns, Director der Leipziger Sternwarte, und Dr. Otto Ule aus Halle zugegen. Die Reiseroute wurde im Allgemeinen beschlossen, über die Reisemittel berathen und die mitzunehmenden Instrumente bestimmt. Herr Bruhns übernahm zuvorkommend die Besorgung der nöthigen Instrumente. Als spätesten Termin zur Abreise bestimmte von Beurmann die Weihnachtszeit. Die Zeit bis dahin wurde mit neuen Vorbereitungen zur Reise ausgefüllt; dahin gehörten unter Andern fortgesetzte Uebungen im Bestimmen von geographischen Längen- und Breitenmessungen, die zum Theil hier auf der neuen Sternwarte ausgeführt wurden. Auch begab sich Herr von Beurmann nach Berlin, um mit unserem erfahrensten und berühmten Afrikareisenden Herrn Dr. Heinrich Barth sein Vorhaben zu besprechen. Später werde ich Gelegenheit haben zu zeigen, wie mit bekannter Thatkraft und großem Eifer dieser Gelehrte sich dem Unternehmen zuwandte. In der geographischen Gesellschaft zu Berlin und der ersten ordentlichen Sitzung des Vereins von Freunden der Erdkunde zu Leipzig hielt Herr von Beurmann Vorträge über seine oben angedeuteten Reisen. So verging die Zeit bis zur Abreise. Das Weihnachtsfest kam, und mit militärischer Pünktlichkeit war Alles zur Abreise, die denn auch am 26. December 1861 erfolgte, vorbereitet.

Am 27. Abends erreichte unser Reisender bereits Mühlhausen. Ein deutscher Kaufmann aus Trier, Herr Vogelsang, den Herr von Beurmann auf dem letzten Theil des Weges kennen gelernt, gab ihm einen Brief an Herrn Trouchet in Marseille mit, in Folge dessen er bei seinen Einkäufen wesentlich unterstützt wurde. Dieser Herr, der lange als Schiffscapitain in Madagaskar und Zanzibar stationirt gewesen, war mit den Erfordernissen zu einer solchen Reise genügend vertraut.

Von Marseille ging es mit der französischen Messagerie impériale über Civita-Vecchia nach Neapel, wo der Reisende gerade so viel Zeit hatte, einen Ausflug auf den noch rauchenden Vesuv zu machen. Am Abend schon setzte er die Reise auf dem Archimède über Catania nach Syracus, woselbst er am 5. Jan. 1862 gegen Mittag eintraf, fort; denselben Abend lief das Schiff auf Malta steuernd wieder aus, hatte aber das Unglück, in der Höhe von Malta von einem heftigen Unwetter überfallen zu werden, das den Vordermast brach und den Capitain zwang, nach Syracus zurückzugehen. Am 7. war der Schaden beseitigt, die Reise wurde nun fortgesetzt und am folgenden Tage La Valetta glücklich erreicht. Da sich hier nicht gleich Gelegenheit fand nach Bengasi weiterzureisen, so wurde Herr von Beurmann hier bis zum 21. zurückgehalten. Er machte indeß für die Expedition günstige Bekanntschaften. Am 26. betrat er in Gesellschaft des englischen Consuls für Bengasi Mr. Tulin den afrikanischen Boden. Unser Reisender fand hier in zuvorkommendster Weise im Hause des englischen Consuls Aufnahme.

Am 13. Februar verließ v. Beurmann Bengasi in Begleitung zweier Diener, Abu Bekr und Mohammed Tibbaui, um auf die Oase Udjila (Udschila) seinen Marsch fortzusetzen. Die Reise ging zunächst einige Tage hindurch in nicht zu großer Entfernung vom Meere durch mehr oder weniger fruchtbares Land, bis am Abend des 18. die Wüste betreten wurde. Ueber die kleinen Oasen Resam und Marag gehend, wurde am 22. die Oase Udschila erreicht, da aber der Gouverneur Halil und die Schechs, an welche Herr von Beurmann besonders empfohlen war, nicht hier, sondern zur Zeit in Dschalo sich befanden, begab er sich am folgenden Tage ohne Zögern nach dieser nach seiner Berichtigung südwestlich von Udschila liegenden Oase, die nach sechsstündigem Marsch auch glücklich erreicht wurde.

Hätte Herr von Beurmann seinem ursprünglichen Plane folgen können, so würde er von hier direct nach Süden über die Oase Kebabo oder Kufarah durch die Landschaften Wadschanga und Borgu nach Wadai vorgegangen sein. Da aber, wie früher schon angedeutet, durch einen räuberischen Ueberfall der Karawane des Sultans von Wadai durch die Malteser nicht nur jede Verbindung mit Wadai unterbrochen, sondern absolut unmöglich gemacht worden, mußte sich unser Reisender zu einer Abschwenkung von dem directen Wege entschließen und war durch die Verhältnisse gezwungen auf Mursuk zu gehen.

In den ersten Tagen des März konnte Herr von Beurmann endlich seinen Weg fortsetzen, den er nun auf Maradeh, eine westlich von Udschila gelegene Oase, nahm. Maradeh, der kleine gleichnamige Ort, besteht aus 50 meist baufälligen Häusern. Nicht eine menschliche Seele ließ sich blicken, bis etwa eine Stunde nach unserer Ankunft, so berichtet der Reisende, ein Sclave, der einzige, permanente Bewohner von Maradeh, herbeikam, um uns zu begrüßen. Nur zur Zeit der Dattelnernte kommen die Araber von der benachbarten Meeresküste herbei.

„Der Sclave war für mich,“ sagt von Beurmann, „insofern eine interessante Persönlichkeit, als er aus Wadai gebürtig und erst vor drei Jahren von dort geraubt war. Er erzählte mir, daß in Wara vier Christen sich befänden, die zwar gut gehalten würden, denen man aber nicht erlaube, in ihre Heimath zurückzukehren. Jeden Sonntag schickte ihnen der Sultan eine Kuh zum Schlachten, und auch sonst bekämen sie hinreichende Nahrung. Einer derselben sei aus Constantinopel und ein anderer aus Kairo, wo die beiden andern her waren, wußte er nicht anzugeben.“

Ohne weiteren Aufenthalt wurde die Reise auf Zala oder Sella fortgesetzt. Der Weg geht, einige Oasen abgerechnet, fortwährend durch die Wüste, und wie gefährlich es ist, in diesen Gegenden eines erfahrenen Führers zu entbehren, zeigte sich auch hier. Der bezahlte Führer leitete die kleine Karawane auf dieser Strecke oft stundenlang irre, so daß von Beurmann mehr als einmal mit Hülfe des Compasses und der ihm von Herrn A. Petermann mitgegebenen Karten den rechten Weg zeigen mußte.

Der 16. März hätte fast verhängnißvoll für von Beurmann werden können. Das Terrain war inzwischen etwas bergig geworden,

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