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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Und um uns durch einen passenden Vergleich von der Natur der Gletscher im Großen und von ihrem Zusammenhang mit den Schneewüsten der Alpen ein recht anschauliches Bild zu machen – der thronenden „Jungfrau“ gerechtfertigt – so denken wir uns das schneebedeckte Alpenmassif des Berner Oberlandes als einen Rocken, von welchem die unerschöpfliche Fülle gleichzeitig an verschiedenen Punkten in den hundert Fäden der Gletscher die Thalgassen entlang hinabgesponnen wird. Denn auch ein Spinnen ist es zu nennen: wie sich unter der Hand der Spinnerin die aus dem Rocken gezogenen Flachsfasern immer mehr zum festen Faden verdichten, so verdichten sich unter dem Einfluß der Wärme die Anfangs losen Schneeflocken erst zum körnigen „Firn“ und dann allmählich zum festen Gletschereis, wie es eben in den azurnen Coulissen des Rosenlaui-Gletschers vor uns liegt und vor den am folgenden Tage nach uns Kommenden schon nicht mehr ganz dasselbe sein wird.

Ja, Gletscher und Alpenrose sind die Wahrzeichen des schönen Alpenlandes, bei deren Anblick wir an die unzerstörbare Zeugungskraft der freien Natur glauben müssen, die sie hier in ihren starren und blühenden, und von Zinne zu Zinne lebendig eilenden Wesen ebenso wie in der Brust des mannhaften Volkes bewährt.

Die Tropfen des Rosenlauigletschers rinnen dem Rheine vermählt durch die deutschen Fluren; die Alpenrose brachte der Schweizer beim deutschen Schützenfeste mit herab als Zeichen des Bündnisses mit dem einig und frei sein wollenden deutschen Volke.





Pavianhetze im Bogoslande.

Von Brehm.

Während meines ersten Aufenthaltes in Afrika war es mir gegangen, wie allen übrigen Reisenden, welche die Tropen kennen lernten. Beim ersten Anblick der Affen war das Jagdfeuer rege geworden und nach den ersten tödtlichen Schüssen war es so vollkommen erloschen, daß fortan die lustigen Gesellen der Höhe unbehelligt blieben. Es ist eine ganz eigene Sache mit der Affenjagd: auch der abgehärtetste Jäger kann den Gedanken nicht los werden, daß er durch die Tödtung eines Affen einen Mord begangen habe. Der sterbende Affe gebehrdet sich so menschlich, daß es einem eiskalt über den Rücken läuft, wenn man sich als Mörder desselben erkennen muß.

Ganz andere Gedanken wurden in mir wach, als ich gleich beim Eintritt in das Gebirgsland der Bogos von hoher Felswand hernieder das Gebell der Paviane hörte. Ich dachte gar nicht daran, jetzt mit Affen zu thun zu haben, sondern sah in der über hundert Stück starken Heerde nur eine ausrottungsreife Bande wüthender Thiere. Und dieses Gefühl hat sich nicht vermindert, sondern nur vermehrt. Ich will hier von unseren Jagden einen kurzen Bericht geben, vorerst aber das Wild, um welches es sich handelt, meinen Lesern vorstellen.

Der Pavian, welcher auf allen abyssinischen Gebirgen am häufigsten vorkommt, ist der „Hamadryas“ (Cynocephalus Hamadryas). Wie er zu dem Namen einer alten griechischen Baumnymphe gekommen ist, wissen die Götter. Etwas Weibliches hat er sicherlich nicht an sich, und die Alten, denen er sehr wohl bekannt war, haben ihm auch diesen Namen nicht zugemuthet. Der Hamadryas oder der Silberpavian ist ein ungeheurer Affe, wenn auch noch nicht so groß, als der durch Du Chaillu so hoch berühmt und berüchtigt gewordene Gorilla; aber ein altes Männchen von ihm giebt einem unserer stärksten Hunde nicht das Geringste nach. Er sieht viel stattlicher aus, als jeder Hund; ein Wolf namentlich erscheint neben ihm als ein dürres, ausgehungertes, armseliges Vieh, auch wenn er seine Zähne zeigen sollte; – denn diese Wolfszähne verschwinden gänzlich vor dem ungeheueren Gebiß des Pavian. Er trägt Reißzähne im Maule, welche fast mit denen des Löwen wetteifern; die unseres Bären übertreffen sie immer noch an Stärke. Es geht unserem Hamadryas wie manchem Menschen: so lange er das Maul nicht aufthut, hat er etwas sehr Würdiges. Der Kopf ist zu beiden Seiten sehr dicht, oben aber dünner behaart, die seitlichen Haarpartien stehen vom Gesichte ab, die obere ist niedergedrückt. So entsteht ein gar nicht unangenehmer Haarputz, den nach ihm sogar manche abyssinische Völkerschaften sich angeeignet haben. Vom Kopfe angefangen über den ganzen Hals und Rücken, die Schultern und Seiten des Leibes bis zu dessen Mitte hinweg verlängert sich das Haar zu einem dichten, schönen Mantel. Bei mittelalten Silberpavianen sind die einzelnen Haare 6–8, bei recht alten 10–12 Zoll lang. Der untere Theil des Leibes ist glatt behaart, das Gesäß nach Art seines Geschlechtes nackt und widerwärtig roth, aber am Schwanze, welcher beinahe körperlang ist, verlängert sich das Haar doch wieder, und an der Spitze bildet es eine dichte Quaste. Die Färbung ist ziemlich einförmig. Jedes einzelne Haar ist abwechselnd schwärzlich und gelblich, oder graulich und weißlich geringelt, und hierdurch entsteht entweder ein Kleid, welches wie Heu, oder aber ein solches, welches wie mattes Silber aussieht. In Afrika tragen nur sehr alte Herren einen etwas lichteren Mantel; die eigentlichen Silberpaviane sind Asiaten. Den Weibchen fehlt der Haarschmuck; sie sehen auch dunkler aus; die Jungen sind braun.

Unmöglich kann man sich ein jähzornigeres und gleichwohl wieder berechnenderes Thier denken, als diesen Pavian. In seiner Seele hat jede Leidenschaft Platz, und die unglaubliche Beweglichkeit des Affengeistes ermöglicht es ihm, blitzschnell von dem Einen zu dem Anderen überzuspringen. In diesem Augenblick fürchterlich wüthend, macht er in dem nächsten ein glattes, freundliches Gesicht, und nur das tückische Auge giebt noch ein Fältchen seiner versteckten Seele wieder. Unter den guten Eigenschaften verdienen wohl nur Muth und hingebende Liebe zu Seinesgleichen aufgeführt zu werden; alle übrigen Begabungen des Affen äußern sich mehr im schlechten, als im guten Sinne. Noch heutigen Tages verlieren viele Menschen durch ihn das Leben, namentlich Frauen und bezüglich Mädchen, welche mit ihm zusammenkommen, wenn sie, um Holz zu holen, die Bergwälder besteigen. Der Naturforscher Schimper, welcher seit etwa 28 Jahren in Abyssinien lebt, hat mir versichert, daß die Angriffe männlicher Affen auf weibliche Menschen keine Fabeln sind, und wer nur einmal so einen alten Affenvater in einer Thierschaubude betrachtet und gesehen hat, wie verschieden sich das Vieh benimmt, wenn ein bärtiger Mann oder eine schöne Dame ihm gegenüber steht, der glaubt Schimper schon.

Dem Jäger gegenüber ist der Hamadryas ein durchaus nicht zu verachtender Gegner. Sein Muth steigert sich oft zur Tollkühnheit; denn seine rasende Wuth, die hervorragendste Eigenschaft unter den schlechten, läßt gar nicht selten eine Berechnung vergessen, welche den Affen sonst so auszeichnet. Jedenfalls steht soviel fest, daß dem Hamadryas das Feuergewehr weit furchtbarer ist, als der ganze übrige Mensch, er möge sonst bewaffnet sein, wie er wolle. Dies zur nothwendigen Kenntniß derjenigen meiner Leser, welche gerade diesen Pavian, eine bei uns immer noch seltene Erscheinung, nicht ans eigener Anschauung kennen lernen.

Eines schönen Morgens also, ich glaube es war am 12. oder 13. März dieses Jahres (1862) stellte sich mir Freund Thoth in höchsteigner Person vor. Ich vernahm Töne vom hohen Berge herab, welche etwa wie „Kuk, Kuk“ klangen, d. h. mit dem fernen Bellen eines hochstimmigen Hundes ungefähr ebensoviel Aehnlichkeit hatten, als das vorgezogene Pavian- oder „Hundskopf“-Gesicht mit dem unseres treuesten Hausfreundes. Eiligst flog der Blick an den Bergen empor; aber ich sah Nichts, als die alten Felsstücken da oben, welche ungeordnet auf dem Kamme des Berges lagen. Das konnten doch keine Affen sein? Ich hatte mich getäuscht. Die Paviane mochten ein reichliches Frühstück genossen haben und saßen so still oben auf, neben und hinter wirklichen Steinblöcken, daß ich sie für Eins mit denselben hielt. Neue Ausrufe von ihnen regelten den Blick, und nun erkannte ich auch ohne Mühe ungefähr ihrer zwanzig bis fünfundzwanzig. Sie schienen ziemlich gleichgültig auf uns, die wir dem Zuge vorausritten, herabzublicken; nicht so gleichgültig aber schauten sie nach unseren Hunden, welche jetzt um die Thalbiegung herumkamen. Da wurde es oben lebendig, ein Grunzen, Quieken, Kreischen, Schreien, Bellen, und wer weiß, was sonst noch Alles begann; es war, als ob ein Rudel Wildschweine aufgestört die Stimmen seiner sämmtlichen Mitglieder erschallen ließe. Ein Affe nach dem anderen rückte von

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