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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

ist mit einer Perlstickerei überzogen, einem Werke ihrer Hände – ebenso rührt jene Zeichnung, eine Landschaft darstellend, von ihr her. Unmittelbar neben dem Schlafzimmer liegt das supping-room (in Black’s picturesque Guide to Edinburgh „Boudoir“ genannt), durch eine Thür getrennt, die jetzt ein verblichner Tapetenvorhang zur Hälfte verdeckt – und hier wurde es vollbracht! –

Am Abend des 9. März 1566 hatte die Königin mit ihrer natürlichen Schwester, Lady Argyle, ihrem Geheimsecretair David Rizzio[1] (dieser mit bedecktem Haupte), dem Commandanten von Holyrood, und den Lairds Creich und Erskine in diesem kleinen Zimmer soupirt. Da rauscht der Teppich über jener Thür, und herein tritt Darnley – und, sich zur Königin setzend, legt er den Arm um ihre Taille und küßt sie zärtlich. Einen Augenblick später erscheint Ruthven, vollständig gepanzert, das Gesicht geisterbleich und abgespannt, als wenn er eben vom Krankenbett erstanden. Ihm folgen fest auf dem Fuße George Douglas, Faudonside und Patrik Bellenden, welche Dolche und Pistolen tragen. Maria Stuart, die finstern Pläne des Königs und seiner Verschworenen ahnend, fragt Ruthven, was ihn zu dieser ungewöhnlichen Stunde hierherführe und wer ihm erlaubt habe, bei ihr einzudringen. „Nicht Ihnen, Madame, diesem Rizzio gilt es, der die größte und abscheulichste Sünde begangen hat gegen die Ehre Eurer Majestät, gegen Ihren Gemahl den König, gegen Adel und Volk, gegen Schottlands Ehre.“ Und ohne sich um die Gegenreden Maria Stuart’s zu kümmern, ohne das Geschrei Rizzio’s zu beachten, der sich verzweiflungsvoll hinter die Königin verbirgt und sich an den Falten ihres Gewandts festklammert, hält Darnley die Königin umschlungen, während die Verschworenen den Unglücklichen durch das Schlafgemach zerren bis zur Treppe hinaus, ihn dort abschlachten und den durch sechsundfunfzig Wunden verstümmelten Leichnam dann durchs Fenster in den Schloßhof werfen.

Nachdem Alles vorbei, kehrt Ruthven zur Königin zurück und schenkt sich ein Glas Wein ein. „So ist’s also vollbracht?“ fragt sie ihn zitternd. – „Es ist, Madame, zu Ihrer und zu unserer Ehre!“ – „Nun denn,“ und Maria trocknet ihre Thränen ab und erhebt sich mit einem schrecklichen Zornesblick, „dieses Blut soll Einigen unter Euch theuer zu stehen kommen!“

Während dieses heimtückischen Attentats bewachten zweihundert Mann das Schloß, sowie auch auf Darnley’s Befehl alle Zugänge zu demselben verschlossen waren. Von Furcht und blinder Hast getrieben, diesen grausigen Ort zu verlassen, nahmen daher die Mörder ihren Ausweg durch ein Fenster – flohen sodann durch den Garten und retteten sich durch ein Wächterhaus, das sogenannte „Bad der Königin“. Bei der Reparatur dieses alten Hauses fand man noch einen kostbar eingelegten Dolch, von dem sich vermuthen läßt, daß er in jener Nacht ebenfalls als Mordwaffe diente und bei der so eiligen Flucht hier verloren wurde.

Maria Stuart aber blieb nach jener Nacht fast allein in Holyrood – allein mit ihrem Schmerz, mit ihrer Rache. Darnley! In dieser einsamen Nacht wurde Dein Tod beschlossen, in dieser Nacht wurde das letzte Fünkchen von Liebe und Mitleid für Dich ertödtet, und nur eine Regung gab es noch in Maria’s Brust: Rache – entsetzensvolle Rache. Er hatte nicht das Kind geschont, das sie schon seit sechs Monaten unterm Herzen trug – was sollte sie ihn schonen, den sie nie geliebt hatte, der immer ein feiger Schwächling gewesen und den sie von ihrer Todfeindin Elisabeth gleichsam aufgedrungen erhalten hatte!

Die Tragödie dieser Königin eilt nun nach jenem fürchterlichen ersten Acte mit unaufhaltsamen Schritten ihrem Ende zu.

Am 9. Februar 1567, in einer Sonntagsnacht, fliegt der kaum genesene Darnley mit dem Hause Robert Balfour’s in Kirk of Field bei Holyrood, in das man ihn der gesunden Lage wegen gebracht hatte, in die Luft. Am 15. Mai heirathet Maria, jede Rücksicht mit Füßen tretend, Lord Bothwell, nachdem sie sich scheinbar von ihm hatte entführen und die Scheidung von seiner Gattin gewaltsam bewerkstelligen lassen. In Knox’s, ihres unerbittlichen Gegners, Abwesenheit verkündigt der presbyterianische Geistliche Craig die Verlobung mit den Worten: „Ich nehme Himmel und Erde zum Zeugen, daß ich diese Ehe als ärgerlich und entsetzlich in den Augen der Welt verabscheue und verwünsche etc.“ Maria bleibt taub, dem wüsten und ehrsüchtigen Bothwell, dem Mörder ihres Gatten, reicht sie dennoch ihre Hand. Aber die Nemesis schläft nicht! Schon nach wenigen Wochen, nach der Schlacht Carberry, verläßt Bothwell als Flüchtling das Feld und seine junge Gemahlin – und diese zieht in Holyrood ein, voran das Banner, auf welchem die Ermordung Darnley’s abgebildet ist, als Gefangene der aufständischen Lords und des sie verhöhnenden Pöbels. – Jene vertrauten Liebesbriefe, die sie einst an Bothwell schrieb, und die später in den Händen Elisabeth’s die furchtbarsten Ankläger gegen sie werden sollten, indem sie deutlich die Mitwissenschaft von Darnley’s Ermordung bewiesen, übergab noch der fliehende Bothwell einem seiner Diener, der sie dem Commandanten von Holyrood einhändigen sollte. Dies geschah aber nicht – sondern sie wurden eine Beute ihrer Feinde.[2]

Maria war nun eine Gefangene. Von Holyrood wurde sie nach Schloß Loch-Leven abgeführt und dort in harte Gefangenschaft gesetzt, nachdem sie zu Gunsten ihres Sohnes Jacob VI. die Krone. niedergelegt hatte. Doch noch einmal schien ihr das Glück zu lächeln: vom jungen Douglas entführt, erklärte sie vom Schlosse Hamilton ihre Abdankung für erzwungen, brachte ein Corps von 6000 Mann zusammen – wurde aber vom Regenten Murray, ihrem natürlichen Bruder, beim Dorfe Langside gänzlich geschlagen. Vom Schlachtfelde entfliehend bat sie zu Carlisle Elisabeth um Schutz und eine persönliche Zusammenkunft; sie glaubte in England eines Zufluchtsorts gewiß zu sein, fand aber nur einen Kerker. – Man brachte sie nun von einem festen Schlosse nach dem andern in’s Innere des Landes. Ihr unkluges, stolzes Benehmen, erneuerte Fluchtversuche, die Anstrengungen der katholischen Parteien des Auslandes, namentlich des Herzogs von Alba, vor Allem aber ein Mordversuch auf Elisabeth selbst, beraubten sie der letzten Hoffnung und führten sie ihrem unerbittlichen Schicksal entgegen.

Am 18. Februar 1587, nach einer zwanzigjährigen Gefangenschaft, wurde sie in einem Saale des Schlosses Fotheringhay enthauptet. Maria starb mit Muth und heiterer Ergebung. Mit lauter Stimme und voll feuriger Zuversicht rief sie: „Mein Gott, auf Dich habe ich gebaut und übergehe meine Seele Deinen Händen.“ Sie glaubte, man würde sie nach französischer Sitte in aufrechter Stellung und mit dem Schwerte hinrichten. Die beiden Henker machten ihr den Irrthum bemerklich und halfen ihr das Haupt auf den Block legen, wobei sie fortwährend betete. Beim Anblick dieses kläglichen Unglücks bebte selbst der Henker und führte den Streich mit unsicherer Hand. Anstatt den Hals zu treffen, ließ er das Beil auf den Hintertheil des Kopfes fallen und verwundete die Königin blos, ohne daß sie gleichwohl zuckte oder eine Klage ausstieß. Erst bei dem zweiten Hiebe fiel der Kopf, den er mit den Worten zeigte (es waren mehr als zweihundert Personen anwesend): „Gott schütze die Königin Elisabeth – mögen so alle ihre Feinde umkommen!“ – Ein schwarzes Tuch wurde über die Ueberreste Maria Stuart’s geworfen. Das goldene Kreuz, das sie am Halse trug, die Rosenkränze, die sie am Gürtel hängen hatte, ebenso die Kleider, ließ man nicht den Henkern, aus Furcht, dieser theuere und verehrte Nachlaß möge dann als Reliquien dienen. Alle Blutspuren ließ man sorgfältig entfernen. In dem Augenblicke, wo man den Körper aufhob, um ihn in das Ceremonienzimmer des Schlosses zu bringen, wo er einbalsamirt werden sollte, bemerkte man den kleinen Lieblingshund Maria’s, der unter den Mantel gekrochen war und zwischen dem Kopfe und dem Halse seiner todten Gebieterin lag. Er wollte diesen blutigen Platz nicht verlassen und mußte mit Gewalt entfernt werden. Der Körper der Königin von Schottland wurde, nachdem man die Eingeweide herausgenommen und heimlich verscharrt hatte, ziemlich rücksichtslos einbalsamirt, in ein wachsgetränktes Leinentuch gehüllt, in einen kleinen Sarg gelegt und stehen gelassen, bis Elisabeth den Ort bestimmt, wo er beigesetzt werden sollte. Während mehrerer Stunden blieben die Thore von Fotheringhay geschlossen, und Niemand durfte hinausgehen, bis Heinrich Talbot, Sohn des Großmarschalls Shrewsbury, abgereist war, der der Königin Elisabeth den von Robert Beale aufgesetzten und von den vornehmsten Zeugen unterschriebenen Bericht überbrachte. Am Nachmittage desselben Tages verbreitete

sich die Nachricht in London, dessen Einwohner den Tod

  1. D. Rizzio aus Nizza kam mit der piemontesischen Gesandtschaft nach Edinburgh und trat anfangs als Bassist in das Quartett der Königin.
  2. Ueber die Echtheit dieser Briefe ist viel gestritten worden. Der gelehrte Buchanan aber, ein Zeitgenosse Maria’s, tritt schon deshalb für ihre Echtheit ein, weil er behauptet: Handschrift wie Styl der Briefe habe schon deshalb Niemand fälschen können, weil Maria Stuart eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit gewesen sei, die keiner ihrer Zeitgenossen weder in Schrift noch Ausdrucksweise hätte so leicht nachahmen können. Diese Briefe sind von Hugh Campbell herausgegeben worden.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_631.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2018)