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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

und Chichimeken, ganze Büffelheerden des Fleisches und des zu trinkenden Blutes wegen hielten;[1] warum sollte der Bison sich jetzt nicht mehr zähmen und züchten lassen, da doch das Einfangen der Kälber mit verhältnißmäßig geringer Mühe verbunden ist? Das Kalb weicht nämlich nicht von der erschossenen Mutter und folgt, nachdem dieselbe zerlegt worden, zutraulich dem Pferde nach, das beutebeladen seinen Reiter davonträgt.

Unberechenbare Schätze werden geopfert, um den Menschen dem Menschen gerüstet gegenüberzustellen; unberechenbare Schätze werden hingegeben, um sich im Scheinglanz irdischer Größe zu sonnen, sich in verweichlichendem Luxus zu wälzen, und in den Staub sinken die weise geordneten Meisterwerke einer schöpferischen Macht. Und doch, wie wenig gehört dazu, die von der Natur der Obhut des Menschen anvertrauten Gaben vor gänzlichem Untergange zu bewahren, um so mehr, da nutzbringender Erfolg einen derartigen Versuch krönen würde!

Wie der Amerikaner Kameele und Dromedare aus dem Orient bezieht und zu seinen Reisen durch die Wildnisse mit Glück verwendet, so könnte der Europäer den Bison seinen Hausthieren einreihen und durch Kreuzung, wenn auch keine milchgebendere, aber doch eine stärkere, fleischtragendere Race erzielen. Und wäre dies auch nicht der Fall, die prachtvollen Thiere verdienten, daß ihretwegen etwa zwanzigtausend Thaler geopfert würden, um einen entsprechenden eingefriedigten Flächenraum allmählich mit einer Heerde von funfzig bis siebenzig jungen Büffeln zu beleben, die innerhalb kurzer Zeit durch die Grenzbewohner in den Prairien zu beschaffen wären. Der Acclimatisation würde bald die Vermehrung folgen, doppelter Lohn den wohlwollenden Unternehmern erwachsen und der Anblick ihres Wirkens sie mit Stolz erfüllen.




Wilhelm Bauer’s Erfindungen,
ihr bisheriges Schicksal und eine Nationalstiftung für deutsche Erfinder.
Vergl. Nr. 36, S. 566 folg.

Was ist bis jetzt für die Ausführung und Ausbreitung von W. Bauer’s Erfindungen geschehen? Was hat insbesondere Deutschland für sie gethan?

Um vor allen Dingen Bauer vor dem Vorwurf zu schützen, der gegen ihn nur der ungerechteste sein könnte, nämlich dem des Mangels an Patriotismus, weil er seine Erfindungen dem Auslande angeboten und theilweise mitgetheilt habe, sei hier voraus bemerkt, daß Bauer keine seiner Erfindungen dem Auslande angeboten haben würde, wenn in Deutschland sich eine Hand für sie geregt hätte. Nachdem sein Taucherschiff weder in Oesterreich, nach der glänzendsten Anerkennung selbst von Seiten des Kaisers, noch in Preußen, nach gar keiner Beachtung, zur Ausführung kommen und ein dritter Staat mit nur einiger Seemacht in Deutschland nicht gefunden werden konnte – was sollte da Bauer beginnen? Sollte er aus Patriotismus sich unter die Weiden an der Isar setzen und weinen, bis ein großer deutscher Morgen auch für ihn anbreche? Als Mann der That mußte er für seine Erfindungen einen andern Boden suchen, wenn der vaterländische sie zurückstieß. Das haben vor ihm schon viele deutsche Erfinder thun müssen; wir erinnern hier nur an König und Bauer, deren Erfindung der Schnellpresse trotz ihrer englischen Wiege zu den schönsten deutschen Ehren gezählt wird; und das that denn auch Bauer, und zwar ohne irgend einmal im Auslande zu vergessen und vergessen zu lassen, weß Landes Kind er sei. Nach England wurde Bauer von einem deutschen Ehrenmanne an keinen Geringern als den unvergeßlichen Prinzen Albert empfohlen, der die Wichtigkeit der Erfindung sofort erkannte und sich eifrig für deren Ausführung bemühte, und es ist allein die Schuld fremder Selbstsucht, daß nach dritthalbjähriger Arbeit das Gelingen des Unternehmens für Bauer scheiterte. Dagegen spricht es nur für den Werth seiner Erfindung, daß die englischen Herren, denen 10,000 Pfd. St. zur Ausführung desselben anvertraut waren, nach Bauer’s Zeichnungen den Bau des Schiffes auf eigene Faust versuchten. Sie behielten die Erfindung und entließen den Erfinder. Das Werk ihrer Heimtücke aber ging zu Grunde.

Nach dieser Erfahrung stand es Bauer wieder frei, seine Erfindung weiter zu tragen, denn es ist nichts davon bekannt geworden, daß irgendwo ein deutscher Patriotismus sich für ihn bemüht und ihn in’s Vaterland zurückgerufen habe. So ging er denn nach Rußland. Erst dort wurden zum ersten Male ihm selbst die vollständigen Mittel geboten, die deutsche Erfindung in ihrer vollen Lebensfähigkeit zu zeigen, denn 134 unterseeische Fahrten sollten wohl als genügendes Zeugniß für dieselbe passiren. Bauer trat als kaiserl. Submarine-Ingenieur in den russischen Dienst und erhielt neue ehrenvolle Aufträge. Tausend Andere hätten jetzt an seiner Stelle nur die „gute Carriere“ im Auge gehabt; Bauer hatte die Ehre des deutschen Mannes im Auge, und als er diese gefährdet sah, forderte er seinen Abschied und kehrte (1858) in seine Heimath zurück. Dort lebte er abwechselnd in München und Lindau, rastlos an der Ausbildung seiner Erfindungen arbeitend, außerdem reichlich mit den Süßigkeiten bedacht, die „der Prophet im Vaterlande“ zu erwarten hat.

In dieser Zeit lernte ich ihn und sein Schaffen aus Hauff’s Broschüre kennen, und auf’s Tiefste ergriffen von dem Schicksal und den Leistungen dieses „deutschen Erfinders“ trat ich mit ihm in directe Verbindung. Man muß mir diese Bemerkung nicht unbillig auslegen; das Nachfolgende wird sie entschuldigen. Bauer war von der periodischen Presse bis dahin sehr verschiedenartig behandelt worden. Viele der großen deutschen Blätter sahen auf die Sache hoch hinab, behandelten sie als Chimäre, berichteten auch wohl über ähnliche Erfindungen des Auslandes, ohne die deutsche nur zu erwähnen, ja sogar ohne Berichtigungen ihrer einseitigen Correspondenzen aufzunehmen; diejenigen, welche den Gegenstand mit Verständniß und mit Wärme behandelten, konnten gleichwohl für denselben kaum mehr als das gewöhnliche Leser-Interesse erwecken, welchem werkthätige Erfolge fremd sind. Hauff’s vortreffliche Schrift aber war von der Verlagshandlung höchst unpassend mit verklebtem Inhalt, wie ein Geheimmittel, in die Welt geschickt und mit einer abscheulichen Lithographie verunziert worden. Ich sah, daß der Erfindung Presse und Illustration in würdigerer Gestalt zu Hülfe kommen müsse, und dazu hatte ich das Mittel an der Hand in dem von mir damals redigirten Payne’schen Panorama des Wissens und der Gewerbe. Durch die für dieses Werk ausgeführten Stahlstiche zu meinen Artikeln über Bauer’s Erfindungen, namentlich des Taucherschiffs und der schwimmenden Revolver-Batterien, wurden diese zuerst weiteren Kreisen vor Augen gebracht, und darauf gestützt, unternahm nun Bauer eine abermalige Tour mit seiner skizzenreichen Mappe. Die allgemeine Sorge, die damals sich der Schutzlosigkeit unserer Nordküsten zuwandte, ließ uns hoffen, daß jetzt den beiden eben genannten Erfindungen vielleicht in Preußen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werde. Wir hatten uns nicht ganz getäuscht; einer der königlichen Prinzen ertheilte beiden seinen entschiedenen Beifall, aber der Zopf zwischen ein Paar alten Epauletten steifte sich nur um so fester gegen ihn, und so ging Bauer abermals nach England. Dort nahm er ein Patent auf seine Schiffhebung, seine Taucherkammer und sein telegraphisches Kabel, und eben erlebte er dort wegen des letztern des Niederdrückenden die Fülle, als ich ihm eine Berufung nach Oesterreich vermittelte. Aber auch die dort aufgegangene Hoffnung erwies sich schließlich als nichtig, und an bittern Erfahrungen wie an ehrenden Zeugnissen reicher und abermals an Vermögen ärmer, kehrte Bauer im Frühjahre 1861 nach München zurück. Hier nahmen wohl die Akademie der Wissenschaften und die Kammer der Abgeordneten sich des vielgeprüften Mannes an, aber ohne Erfolg, und als endlich, durch fremde Schuld, auch die dreimalige Hebung des Dampfers „Ludwig“ auf dem Bodensee nicht zum verheißenen Ziele geführt hatte, entzog man ihm auch noch die von ihm gestellten 1000 Gulden Caution – das war seine Anerkennung in Deutschland, in der Heimath des großen Patriotismus! Damit schien allerdings für Bauer in


  1. Die Pflege milchgebender Thiere bei den in Neu-Mexico eingewanderten Urvölkern finde ich vielleicht später Gelegenheit eingehender zu besprechen.
    B. M.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 621. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_621.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)