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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

„So grausam wie in der Liebe?“ flüsterte der Graf, indem sich die Spitzen seines Schnurrbärtchens leicht in die Höhe zogen.

„Sie sind impertinent!“ lachte die Gräfin. „Noch eins, Sie können mich hier nicht mehr besuchen. Es wäre doch zu riskirt.

Einmal ließ sich das wohl arrangiren, aber ein zweites Mal wäre es zu gefährlich. Georg ist eifersüchtig, und ich habe meine Stellung viel zu lieb, um sie Ihretwegen auf’s Spiel zu setzen.“

„Aber wie soll ich Ihnen dann meine Ergebenheit melden, im Falle ich Ihr Bundesgenosse zu werden wünsche?“

Die Gräfin sann einen Augenblick nach. Der Fächer klappte auf und zu, und die Diamantenringe sprühten einen Funkenregen aus. Plötzlich lächelte sie. Sie hatte augenscheinlich gefunden, was sie suchte. „Sie bewohnen ein Appartement im Schlosse?“ fragte sie.

Königsmark nickte.

„Und Ihr Boudoir besitzt gewiß irgend eine kleine Seitenthür, zu der man durch irgend einen dunklen Corridor gelangt, der auf den Wall mündet? Prinz Georg wird doch seinem „Trinkcumpan“ ein solches Appartement angewiesen haben, um ihm ungestörte Besuche machen zu können?“

Philipp lachte. „Errathen! Sie kennen das Terrain des Feindes vollkommen, Gräfin – und das ist immerhin ein Vortheil. Aber was soll Ihre Frage?“

„Geben Sie mir den Schlüssel dieser Thüre!“ sagte die Gräfin, indem sie ihre Hand ausstreckte.

„Aber –“

„Geben Sie mir den Schlüssel dieser Thüre.“

„Wer soll –“

„Geben Sie mir den Schlüssel dieser Thüre!“ wiederholte Frau von Platen, indem sie mit dem Fuße stampfte. „Ich will Sie in vierzehn Tagen besuchen. Ganz wie ein guter Camerad, der seinen Collegen besucht. Bei uns Beiden hat es wohl keine Gefahr – wir lieben uns ja nicht – nun?“

Königsmark zog lachend einen kleinen Schlüssel aus seiner Westentasche und reichte ihn der Gräfin. „Bei Gott, Amelie,“ sagte er, „Sie sind ein reizendes Wesen. Ich könnte mich beinahe noch einmal in Sie verlieben!“

Die Gräfin klingelte. „Eine Liebschaft zwischen uns Beiden wäre mehr als absurd!“ sagte sie.

„Sie haben Recht,“ sagte der Graf mit einer galanten Verbeugung und mit einem Blick auf das lebensgroße Portrait des Prinzen Georg, „sie wäre ungeschickt.“



4. Das Deutsch des Mylord Walpole.

Das Studirzimmer des Kurfürsten war ein düsteres, ungemüthliches Gemach, dessen dunkle Tapisserien und Möbeln dasselbe noch ungemüthlicher machten. In einer weichen Causeuse lehnte der alte dürre Fürst und trommelte mit seinen gelben Fingern auf die Marmorplatte eines kleinen Leuchterhalters, welcher vor ihm stand. Mylord Walpole stand an das Kaminsims gelehnt und blicke mit seinem liebenswürdigen zerstreuten Lächeln nach allen Seiten, nur nicht auf den Kurfürsten.

„Also, Mylord,“ sagte Ernst August mit einer ungeduldigen Betonung in seiner Stimme, „weshalb zögert die britische Majestät mit der Erklärung, daß sie meinen Sohn als unbestrittenen Nachfolger anerkennt? Welcher Grund kann die Königin Anna abhalten, diese Erklärung abzugeben? Sie selbst behaupteten ja, daß sie den Prinzen allen andern Prätendenten vorziehe – es muß dennoch ein geheimer Grund da sein, welcher ihr oder vielmehr uns im Wege steht. Sprechen Sie doch zum ersten Male in Ihrem Leben offen heraus, Herr Gesandter, und wir wollen bald alle Hindernisse bei Seite schaffen. Bei Gott, die Krone Großbritanniens ist wohl eines kleinen Opfers werth!“

Mylord Walpole lächelte mit seiner gutmüthigsten Miene. „Aufrichtig sein? Wie gern!“ lispelte er. „Aber Sie wissen, daß ich mit der deutschen Sprach’ nicht so gut fortkomme, als ich wollte …“

„Da geht es Ihnen mit dem Deutschen, wie mir mit dem Englischen!“ brummte der Kurfürst. „Und das lateinische Geträtsche ist uns Beiden zuwider. Aber versuchen Sie es nur immerhin, Mylord! Zum Teufel, Herr von Walpole, wenn wir uns gegenseitig ergänzen, wollen wir uns schon verstehen!“ fügte er bedeutsam hinzu, indem er das letzte Wort betonte.

„Wenn mein Sohn nach dem Tode der Königin Anna – den Gott noch lange hinausschieben möge! …“

Mylord neigte leicht das Haupt.

„… den Thron von England besteigt, so wird er sich jedenfalls glücklich schätzen, wenn er einen so treuen und ergebenen Rathgeber an der Seite hat, der zugleich ein wenig deutsch kannyou understand me?“

Und der Kurfürst, zog die Winkel seiner dünnen Lippen aufwärts, während Mylord abermals sein Haupt neigte.

Yes – perfectly.

Der Kurfürst fuhr fort. „Sie sehen also, daß es für beide Theile nur nutzbringend sein kann, wenn Sie sich in den deutschen Sitten und vor allem in der deutschen Sprache so fleißig als möglich üben. Vor allem in der Sprache. Vous comprenez toujours?

Every word,“ lächelte Mylord.

„Jedes Wort? Gut. Aber den Sinn?“

And the matter,“

„Nun also. Fangen wir gleich mit einer kleinen Redeübung an. Weshalb zögert die Königin, meinen Sohn als Erben anzuerkennen?“

Mylord hüstelte leicht in seine Hand und hub mit seinem gemüthlichsten Lächeln an: „Unsere gute Königin – die Gott beschützen möge! – ist eine große Liebhaberin der Geschichte und giebt sich mit großer Vorliebe dem Studium derselben hin.“

„Teufel! Teufel!“ murmelte der Kurfürst. „Sie wollen wieder meiner Frage ausweichen, Mylord? Wie oft soll ich Ihnen sagen, daß wir hier in keinem Conseil sind. Wir sind hier unter uns – wozu also alle diese Winkelzüge?“

Mylord hustete stärker. „Ich sagte Ew. Durchlaucht wohl, daß ich mit dem Deutschen zu langsam fortkomme. Wir wollen es also doch mit dem Latein versuchen.“

Der Kurfürst biß sich in die Nagel und lächelte. „Nein, nein, Mylord – fahren Sie nur fort – ich werde Sie nicht mehr unterbrechen. Uebrigens sind Sie allzu bescheiden. Sie sprechen ja das Deutsche, als ob es Ihre Muttersprache wäre! – Also?“

„Also. Wie ich mir vorhin zu erwähnen erlaubte, besitzt meine gute Königin eine große Vorliebe für das Studium der Geschichte. In allen Chroniken nun hat sie – wie sie mir in einer vertrauten Unterredung gestand – gefunden, daß fremde Königinnen dem Throne Englands stets Unheil bringen.“

Der Kurfürst horchte auf. „Ah! ah!“ machte er.

„So groß nun auch ihre Achtung und Neigung für das Haus Ew. Durchlaucht ist, so besitzt Prinz Georg dennoch einen Fehler, der ihn – vom Standpunkte der Geschichte aus betrachtet – für den Thron von England un…“

„Nun, nun?“

„Hier läßt mich mein Deutsch im Stiche, Durchlaucht.“

„Untauglich macht, Mylord? Untauglich macht?“

„Ich habe das nicht gesagt,“ entgegnete Mylord mit seinem unschuldigsten Lächeln.

Der Kurfürst sprang auf und faßte Mylord an beiden Schultern. „Jetzt wird mir Alles klar! Das also ist’s!“ Dann steckte er die Hände in die Tasche und eilte aufgeregt hin und her. „Teufel! Teufel!“ murmelte er, „das ist schlimm! Dieses bleichsüchtige Wesen soll mir immer und ewig im Wege stehen? Diese hochmüthige Bettelprinzessin soll mir also alle meine Pläne kreuzen? Was ist da zu thun? Was zu thun?“

Mylord Walpole betrachtete sich im Spiegel und zupfte seine Halskrause zurecht.

Plötzlich blieb der Kurfürst stehen. „Mylord, was sagen Sie zu einer Scheidung?“

Walpole wandte sich langsam um und betrachtete den Kurfürsten mit seinen wasserblauen Augen. „Scheidung?“

„Ja, Scheidung – divortium.

„Scheidung!“ wiederholte Walpole. „Aber die gute Königin Anna ist ja eine so entschiedene Feindin von jedem Scandale!“

Der Fürst fuhr auf. „Scandal?“

„Nun ja,“ entgegnete Mylord. „Eine freundschaftliche Trennung zweier Fürstenhäupter ist doch ein Scandal? Denn in diesem Falle tragen beide Parteien einen Theil der Schuld. Etwas Anderes ist es freilich,“ fügte er leise, fast unhörbar hinzu, „wenn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 578. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_578.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)