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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Wilhelm Bauer’s Erfindungen,
ihr bisheriges Schicksal und eine Nationalstiftung für deutsche Erfinder.
Was deutschen Erfindern fehlt – Bauer – Die unterseeische Schifffahrt – Robert Fulton – Der Brandtaucher – Unterseeische Corvette und Kanonenboote – Eiscanalbrecher – Rettungsboot – Schwimmende rotirende Batterie – Finanzielles für Volksvertreter – Kabelschneider – Kabelträger und Kabelauslege-Maschine – Bauer’s zweite Lebensaufgabe – Frage.

Darüber ist in Deutschland Niemand mehr in Zweifel, daß unsere Erfinder der Unterstützung und ihre Erfindungen des Schutzes noch sehr ermangeln.

Trotzdem wir in drei Jahren das fünfzigjährige Jubiläum der Wirksamkeit des durchlauchtigsten deutschen Bundestags begehen können, trotz der langen Friedenszeit und der hohen Entwickelung der deutschen Industrie haben wir es noch heute nicht zu einem allgemeinen deutschen Patentgesetze gebracht. Erst in diesen Tagen wird in Frankfurt die Anregung dazu laut, bis man aber dort einen Erfolg erzielt hat, ist noch jeder deutsche Erfinder genöthigt, will er für seine Erfindung den Schutz in ganz Deutschland erwerben, so viele – und meist kostspielige – Patente zu lösen, als es deutsche Vaterländer giebt. – Da nun die wenigsten Erfinder zu den wohlhabenden Leuten gehören, ja, in jeder Beziehung des Wortes, das Bedürfniß die Mutter der meisten Erfindungen ist, so wird es nicht Wunder nehmen, daß unter allen großen Industrieländern verhaltnißmäßig in Deutschland die wenigsten Erfindungen öffentlich als patentirte angezeigt werden, trotzdem von keinem Volke mehr Tüchtiges erfunden worden ist, als von dem deutschen. In dem Verzeichniß der denkwürdigsten Erfindungen aller Zeiten und Nationen sind von den aufzuzählenden 337 Nummern nicht weniger als 160 – also fast die Hälfte – deutschen Ursprunges! Freilich hat von diesen nicht wenige das Ausland erst in’s Leben rufen und ausbeuten müssen.

Noch kläglicher sieht es mit den Mitteln zur Erprobung deutscher Erfindungen aus. Sie ruhen, wo sie überhaupt in einzelnen deutschen Ländern vorhanden sind, meist in der Hand der Gnade und deshalb für die Erfinder in der Hand des Glückes, dessen Eigenschaften bekannt sind. Es besteht weder ein vom dringenden Bedürfniß und vom Gefühl staatsbürgerlicher Ehrenverpflichtung zusammengerufener Verein deutscher Fachmänner für diesen Zweck, noch hat unsere oberste deutsche Behörde es in ihrem diplomatischen, noch unsere oberste Zollvereinsmacht in ihrem volkswirtschaftlichen Pflichtenkreis angezeigt gefunden, hier der Privatthätigkeit vorzugreifen. Das deutsche Capital ist mit der Industrie noch nicht lange genug verbunden, um schon an Wagnisse zu gehen; es sieht alle neuen Erfindungen so lange mißtrauisch an, als sie nicht auf fremde Kosten erprobt sind und ihre Vortheile im Voraus berechnen lassen. So ist der deutsche Erfinder meistens auf sich allein angewiesen, und die Schicksale vieler Familien, deren Häupter das Unglück hatten, unter solchen Verhältnissen „deutsche Erfinder“ zu sein, bezeugen das auf das Traurigste.

Daß Erfindungen ohne Erprobung ein todtes Stück Papier oder ein Modell für den Kinderspielkram bleiben, hat von den neueren deutschen Erfindern lange und bitter genug auch Wilhelm Bauer erfahren, und eben darum ist er es, der den Gedanken an eine Nationalstiftung für deutsche Erfinder schon vor mehreren Jahren faßte, den Plan derselben mir ausführlich mittheilte und auch die Mittel andeutete, die ihre Begründung und ihr Gedeihen sichern.

Da diese Stiftung hinsichtlich ihrer Mittel aber von dem Schicksal seiner eigenen Erfindungen abhängt, und da dieses Schicksal gegenwärtig in die Hand der deutschen Nation gelegt ist, so halte ich es für nothwendig, hier zuerst über die wichtigsten Bauer’schen Erfindungen zu sprechen, daran ein Wort über die bisherige Behandlung derselben anzuknüpfen und mit dieser, als aus ihr hervorgegangen, Bauer’s Idee einer Nationalstiftung für deutsche Erfinder zu verbinden.

Die Erfindung, welche Bauer’s Namen zuerst bekannt machte und aus welcher seine übrigen Erfindungen größten Theils hervorgingen, ist das unterseeische Schiff, oder vielmehr die unterseeische Schifffahrt überhaupt. Alle Versuche vor Bauer, und auch die gleichzeitigen, einen Apparat für den Aufenthalt, die Fortbewegung und die Thätigkeit von Menschen unter dem Wasser herzustellen, haben nicht dahin geführt, eine solche Vorrichtung unabhängig von oben und zu selbstständiger Bewegung fähig zu machen. Auch die ersten Schritte zur unterseeischen Schifffahrt hafteten noch an dem Gedanken einer „beweglichen und lenkbaren Taucherglocke“, und selbst Robert Fulton, Wilh. Bauer’s größter Vorgänger unterm Wasser, scheint mit seinem Taucherboot nicht ganz frei von der Verbindung mit oben gewesen zu sein; wenigstens sind an dem bekannten, nach seinem Plane gebauten Taucherschiff, mittelst dessen Napoleon von St. Helena entführt werden sollte, Luftröhren angebracht, wie Jedermann im Londoner Arsenal, wo es als Curiosum aufbewahrt wird, noch heute sehen kann. Fulton verließ, nach wahrhaft Bauer’schem Mißgeschick, die Submarine, um an das Dampfschiff seinen unsterblichen Namen zu knüpfen. – Die übrigen hyponautischen Versuche vor und nach dem Bauerschen müssen wir hier übergehen; sie finden ihre Stelle später bei einer besondern und illustrirten Darstellung des Taucherschiffs.

Wilhelm Bauer war, wie Robert Fulton, durch den Krieg auf die Submarine geleitet. Wie dieser erst im Dienste Frankreichs die Engländer, dann im Dienste dieser die Franzosen, so wollte Bauer erst im Dienste Deutschlands die Dänen, dann im Interesse Englands den ersten besten ihrer Feinde und schließlich im Dienste Rußlands die Engländer in die Luft sprengen, und dafür war ihm von Letzteren bereits die Aussicht gestellt, an einem ihrer höchsten Maste aufgehängt zu werden. – Bauer besaß von allen Vorarbeiten für seine Erfindung nur geringe Kenntniß, und das war vielleicht gut: er war dadurch frei von dem Festhalten an dem Gegebenen, auf das die Wissenschaft hinwies und das die Praxis erprobt hatte. Er begann ganz von vorn und ganz für sich, und wie einst Columbus, so griff auch er nach dem Ei, um seine Gegner zu überführen. Eine Schüssel Wasser und ein leeres Ei, das war das ganze Erforderniß, um zu beweisen, daß ein hohler Körper unterm Wasser je nach seiner Beschwerung in jeder Höhe selbstständig beharren und folglich auch selbstständig bewegt werden könne, und das Gesetz, welches sich im Wasser der Schüssel bewährte, galt ihm auch für den Ocean. Das Ei hatte die Seele der neuen Schifffahrt geliefert, und der Seehund, welcher vor Bauer’s Augen an Schleswigs Küste in die Ostsee sprang, gab dem ersten Schiffe die Gestalt. (Wir bitten, hierüber Gartenl. Nr. 41, Jahrg. 1861, S. 648 ff. nachzulesen und Jahrg. 1862, Nr. 21, S. 331 f. zu vergleichen.) Mit dem Grundsatz aber, daß sein Taucherschiff luftdicht verschlossen sein müsse, damit die im Raume abgeschlossene Luft dem Druck der Wassersäulenschwere nicht ausgesetzt werde und darum selbst in der größten Tiefe den menschlichen Athmungswerkzeugen für eine gewisse Zeit angemessen bleibe – mit diesem Grundsatze sagte Bauer sich von dem bis dahin herrschenden Principe der Tauchapparate los und betrat seine eigene Bahn.

Mit dem Brandtaucher begann also die unterseeische Schifffahrt, und Rußland bot unserm Bauer die Mittel, sie bis auf den damals möglichen Grad auszubilden. Die Schicksale Bauer’s in Rußland und die Ursachen seines Scheidens aus dem Lande seiner ersten Erfolge erfahren die Leser der Gartenlaube, wenn wir ihnen mit Bauer’s Bildniß seine Lebensbeschreibung mittheilen. Jetzt haben wir es nur mit den Erfindungen zu thun und gehen gleich zur zweiten über.

Eine unterseeische Corvette zu 24 Kanonen, die Bauer in Rußland construirte und im Auftrag des Großfürsten Constantin, seines von ihm stets mit herzlicher Ehrerbietung genannten damaligen Beschützers, im Modell zu 1/12 Mßstb. ausführte, ist eine geniale Verbindung der Triebkraft des Dampfes mit der Sicherheit des unterseeischen und der Zerstörungskraft des oberseeischen Kriegsschiffes. Diese Corvette ist berechnet für eine Besatzung von achtzig Mann, die in einem Luftraume von 28,800 Kubikfuß leben. Ganz dieselbe innere Einrichtung, äußere Form, Bewegkraft und Thätigkeit haben seine unterseeischen Kanonenboote. Diese sind bei einer Länge von 140 Fuß nur 12 Fuß hoch, dagegen 20 Fuß breit. Eine gewöhnliche Hochdruckdampfmaschine bringt sie, und zwar auf dem Wasser, mit der nöthigen Schnelligkeit in die Nähe der feindlichen Schiffe. Hier schließen sich plötzlich alle Oeffnungen, das Schiff sinkt unter das Niveau und wird durch Repulsionskraft stark comprimirter Luft weiter bis in die wirksamste Nähe des Feindes

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 566. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_566.jpg&oldid=- (Version vom 17.2.2021)