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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

den ihm mehr zusagenden Boden der zweiten Kammer betrat, auf welchem er bis zum Jahre 1840, d. h. bis zu seinem Tode wirkte. Seine erste Motion in der ersten Kammer war ein Antrag auf die Aufhebung der aus der finstern Barbarei des Mittelalters stammenden Frohnden und Zehenten. Man kann sich sehr leicht denken, wie ein solcher Antrag in der „ersten Kammer“ aufgenommen werden mußte. „Wo sind denn,“ rief einer der hochadeligen Gegner, „die Urkunden der Bauern, welche ihr Recht begründen sollen?“ – „Seht hin,“ antwortete der begeisterte Rotteck, „seht hin, er trägt sie auf sich herum, er hat ein menschliches Antlitz, dies sind seine Urkunden, welche die Vorsehung selbst bei seiner Geburt ihm gab!“

Rotteck’s Denkmal in Freiburg.

In dieser Weise wirkte Rotteck mit seinen Freunden, und theils auf seine Veranlassung, theils unter seiner thätigsten Mitwirkung entstanden nach und nach das Ablösungsgesetz der Frohnden, die Aufhebung der Censur, das Gesetz über Studienfreiheit, Ministerverantwortlichkeitsgesetz, Vereinsgesetz u. a. m. Eine solche Persönlichkeit konnten die Machthaber jener Zeit auf einem so einflußreichen Lehrstuhl, wie der des Naturrechtes ist, nicht dulden, und er sowohl als Welcker wurden von der Universität entfernt. Im Herbst 1840 erst wurde ihm die hohe Genugthuung zu Theil, wieder reactivirt zu werden; er konnte aber das neu verliehene Lehramt nicht mehr antreten, denn am 26. November 1840 ereilte ihn der Tod mitten unter den Seinen im 65. Jahre seines Lebens. Weder Bänder noch Ordenssterne schmückten seine Brust, aber in seinem Busen schlug ein großes, edles Herz voll glühender Vaterlandsliebe, mit den reinsten Empfindungen für Freiheit, Recht und Ehre. Seine Vaterstadt hat dies auch anerkannt und ihm im Jahre 1847 ein Denkmal gesetzt, welches als Zeugniß für Freiburgs Dankbarkeit gegen ihren größten Bürger dastehen sollte.

Da geschah, was man im neunzehnten Jahrhundert nicht für möglich halten sollte – in einer Nacht des Juni 1851 wurde das Denkmal heimlich und gewaltsam zertrümmert und beseitigt, die Stadt gezwungen an dieselbe Stelle ein anderes zu setzen, wozu man in boshafter Ironie Berthold Schwarz, den Erfinder des Schießpulvers, wählte. Es gewährt Befriedigung, daß der Urheber dieses vandalischen Actes kein Deutscher ist. Herr Mariano v. Sarachaga Uria, damals Stadtdirector in Freiburg, ist ein Spanier von Geburt, welcher als Kind auf die abenteuerlichste Art der Welt nach Deutschland kam. Er war es, der unter dem Schutze der Nacht, welche allerdings besonders geeignet ist zu Thaten, die das Licht zu scheuen haben, jene fluchwürdige Handlung beging. In edler Entrüstung erhob sich der ganze Gemeinderath Freiburgs, mit Ausnahme eines einzigen Mitgliedes (Bürgermeister Rieder), und protestirte gegen dieses Verfahren, natürlich vergebens. Die drei muthigsten Männer darunter, Schreinermeister Schmid, Instrumentenmacher Hausmann und Wirth Trescher mußten ausscheiden, Ersterer wurde sogar in den Kerker geworfen, und erst der neuesten Zeit blieb es vorbehalten, jene Schuld zu sühnen.

Zum Theil aus Gemeindemitteln, zum Theil aus freiwilligen Beiträgen ist Rotteck’s Denkmal auf dem neuen schönen Platze vor seinem früheren Wohnhause aufgestellt worden, und feierlich beging die ganze Stadt das schöne Fest. Ehre den wackern Freiburgern, die so gehandelt; es ist eine That des Patriotismus, welche alle Anerkennung verdient und welche vom ganzen deutschen Volke gekannt und gepriesen werden muß; denn, wie Düntzer in seiner Vorrede zum Faust-Commentar sagt: „Ein Volk, das seine Dichter und Weisen nicht achtet, ist werth, daß es der allgemeinen Verachtung anheimfalle.“



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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_565.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)