Seite:Die Gartenlaube (1862) 519.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

dienstfähig, denn der „Hella“ war gleich zu Anfang des Gefechts durch einen glücklichen Schuß seines Steuers beraubt worden, so daß er nicht weiter am Kampfe Theil nehmen konnte. Beiläufig mag hier gleich eingeschaltet werden, daß auch die Corvette „Galathea“, nachdem sie zu Anfang einige Schüsse mit der Nordbatterie gewechselt, den Kampfplatz geräumt hatte, – aus welchem Grunde, ist nicht recht klar.

„Geyser“ nun dampfte, dem ihm gegebenen Befehle folgend, heran und zog natürlich sofort ein heftiges Feuer vom Strande auf sich. Nichts destoweniger war es schon gelungen, das Bugsirtau an der Fregatte zu befestigen, da unterstützte wiederum ein äußerst glücklicher Zufall die Bemühungen der Schleswig-Holsteiner – eine Kugel zerriß das Tau! Zwar wurde es noch einmal befestigt, aber nun erhielt „Geyser“ selbst so gefährliche Schüsse in seinen Maschinenraum, daß er eiligst das Weite suchen mußte, wollte er nicht selbst vernichtet werden. Nach diesem gescheiterten Versuche, das Kampfverhältniß womöglich wieder zu ihren Gunsten zu gestalten, begannen die beiden Befehlshaber, die Nothwendigkeit des Rückzuges einzusehen. Nicht mehr Sieg über den Gegner, sondern Rettung ihrer eigenen Fahrzeuge war jetzt das Ziel ihrer Thätigkeit geworden.

Da beide Dampfer unfähig waren, Bugsirdienste zu leisten, so ward zunächst mit dem Linienschiff der Versuch gemacht, es durch Warpen dem Ausgange des Hafens zuzubewegen, eine höchst mühselige, nur langsam fördernde Arbeit, die bei dem heftigen Gegenwinde und unter dem feindlichen Geschützfeuer bald als eine vergebliche erkannt und aufgegeben werden mußte. Während dieser Anstrengung hatten übrigens beide Schiffe ihr Feuer aus allen ihnen noch zu Gebote stehenden Kräften fortgesetzt; es war ihnen schon anzumerken, daß es die Wuth der Verzweiflung war, mit der sie kämpften. Und auch das war vergeblich. Es dauerte nicht lange, so erklärte Capitän Mayer, der Befehlshaber der „Gefion“, seinem Vorgesetzten, dem Chef des Linienschiffs, daß es ihm wegen der in seinem Segel- und Tauwerk angerichteten Verwüstungen und wegen der zahlreichen Todten und Verwundeten an seinem Bord unmöglich sei, sowohl unter Segel zu gehen, als auch den Kampf fortzusetzen.

Da stieg auf beiden Schiffen die weiße Waffenstillstandsflagge in die Höhe; der Kampf, der nun volle sieben Stunden getost hatte – es war bereits 1 Uhr geworden – schwieg, und Unterhandlungen begannen. Ein Boot brachte einen Parlamentair an’s Land, der folgenden an die „Militär- und Civilbehörden der Stadt Eckernförde“ gerichteten Brief zu übergeben hatte:

„Der Unterzeichnete schlägt eine Einstellung der Feindseligkeiten unter der Bedingung vor, daß die Schiffe frei auspassiren, ohne daß von den Batterien auf sie geschossen wird. Wird dieser Vorschlag nicht angenommen, so wird Eckernförde in Brand geschossen, und die Folgen werden Sie zu verantworten haben.

(gez.) Paludan, Commandeur-Capitän.“

Welche Antwort militärischer Seits auf diese Mittheilung erfolgen mußte, war nicht zweifelhaft; führte doch Jungmann in dem Kriegsrathe, der darüber zu beschließen hatte, die entscheidende Stimme. Er aber war, koste es, was es wolle, für Fortsetzung des Kampfes bis zur Vernichtung der feindlichen Schiffe, deren bedenkliche Lage übrigens aus dem Waffenstillstandsgesuche ihres Befehlshabers deutlich genug hervorging. Die übrigen Militärs stimmten Jungmann bei. Aber der feindlichen Drohung nach stand das Schicksal einer unbewehrten, von friedlichen Bürgern bewohnten Stadt auf dem Spiele, zu deren Vernichtung der Feind noch Mittel genug besaß, und daß er in seiner Verzweiflung und Erbitterung sie anwenden würde, daran konnte kein Zweifel sein. So hing denn die Sache von der Entscheidung der Bürgerschaft von Eckernförde ab. Sie aber bewies sich des großen Augenblicks, in dessen Mitte plötzlich das Schicksal sie gestellt hatte, vollkommen würdig. Hoher Ruhm blüht den braven deutschen Männern, die, wo des Vaterlandes Heil und Ehre mahnten, den Gedanken an ihre sonst theuersten Güter, an Weib und Kind, an Habe und Haus, in den Hintergrund treten ließen. Einstimmig sprachen sie sich dafür aus, daß der Kampf ohne Rücksicht auf das Schicksal der Stadt fortgesetzt werden möge. So erging denn an den feindlichen Befehlshaber die nachstehende Antwort:

„Wir sehen uns nicht veranlaßt, Ihre Schiffe zu schonen. Sollten Sie Ihre Drohung, eine offene Stadt zu beschießen, verwirklichen, so würde ein solcher Vandalismus der Fluch Dänemarks werden, dessen Repräsentant Sie hier sind.

(gez.) Jungmann, Hauptmann und Commandeur der Küstenbatterien.
Irminger, Hauptmann und Bataillons-Commandeur.
Wiegand, Stadtcommandant.“

Noch einmal versuchte Paludan den Weg der Unterhandlungen. Er sandte einen zweiten Parlamentär ab, aber diesem ward vom Volke das Betreten des Landes verwehrt und er gezwungen, unverrichteter Sache wieder zurückzukehren. Bald darauf sandte Jungmann ein zweites von ihm und dem Hauptmann Irminger, dem Chef des 3. Reserve-Bataillons, unterzeichnetes Schreiben an Bord des Linienschiffs. Es lautete kurz und bündig:

„Da eine längere Verzögerung des Wiederbeginns der Feindseligkeiten nicht in unserem Interesse liegt, so werden sie von unserer Seite nach zehn Minuten wieder beginnen.

Nordschanze, den 5. April 1849. Nachmittags 41/2 Uhr.“

Die durch die Unterhandlungen veranlaßte Waffenruhe hatte etwa drei Stunden gedauert. Von beiden Seiten war diese Zeit bestens benutzt worden. In den Batterien hatte man die zerschossenen Brustwehren leidlich wieder hergestellt und die demontirten Geschütze wieder brauchbar zu machen gesucht. Aber dies war nur mit der Hälfte der ursprünglichen Anzahl zu erreichen gewesen; zwei von ihnen wirkten in der Nordbatterie, drei in der andern Schanze. Da Capitän Paludan inzwischen zu der Ueberzeugung gekommen war, daß die „Gefion“ nicht mehr zu retten sei, beschloß er, mit ihrer Zurücklassung, den Versuch zu machen, ob es seinem Schiffe allein gelingen möchte, aus dem Hafen hinauszulaviren.

„Christian VIII.“ entfaltete denn alle ihm noch gebliebenen Segel, und langsam setzte sich unter ihrem Drucke der gewaltige Bau in Bewegung. Da aber waren die bewilligten letzten zehn Minuten der Waffenruhe zu Ende, und die Nordbatterie eröffnete von Neuem ihr Feuer, das die Südbatterie gleich darauf mit dem ihrigen unterstützte. Jetzt kamen auch die inzwischen zur Seite der Südbatterie aufgefahrenen übrigen sechs Geschütze der Nassauer zur vollsten, herrlichsten Wirksamkeit. Sie feuerten mit Granaten in die Takelage „Christian’s VIII.“ und zerfetzten sie dergestalt, daß bald kein Segel, ja fast kein Tau mehr unverletzt war. Zwar eröffnete das Schiff nunmehr mit seinen Spiegelkanonen das angedrohte Bombardement der Stadt, während es seine Breitseiten gegen Norder- und Süderschanze richtete, aber seine Furchtbarkeit war nur noch von kurzer Dauer.

Von den Fetzen seiner Segel konnte es nicht mehr vorwärts bewegt werden; völlig hülflos trieb daher der riesige Bau vor dem starken Ostwinde den Kanonen der Südbatterie näher und näher, bis er plötzlich in nur halber Schußweite von ihr auf den Grund gerieth. Nieder auf das Verdeck des Schiffes hagelten jetzt die Kartätschen der Strandbatterie, die Granaten der Nassauer, jeden Versuch der Mannschaft, das Schiff wieder flott zu machen, vereitelnd. Es war rettungslos verloren. Wenn „Christian VIII.“ auch jetzt noch fortfuhr, seine Geschütze gegen die Stadt spielen zu lassen, so glich das nur den letzten Zuckungen der Wuth und Rachsucht eines verendenden Ungeheuers. Uebrigens begleitete derselbe Mißerfolg, der alle Anstrengungen der Dänen an diesem Tage vereitelt hatte, auch diese Beschießung. Das Bombardement tödtete nur zwei Einwohner von Eckernförde und richtete auch an Dächern und Mauerwerk nur geringen Schaden an.

Verlassen wir mit unsern Blicken einen Augenblick das feindliche Linienschiff, dessen Schicksal so gut wie entschieden ist, und wenden wir sie zur „Gefion“. Dieses Schiff hatte nach Ablauf der Waffenruhe das Feuer nur mit geringer Energie wieder eröffnen können; allmählich wurde es schwächer und schwächer und verstummte endlich ganz. Und siehe da! Um halb sechs Uhr Abends senkte sich von der Spitze der Gaffel, an der er bis dahin stolz und herausfordernd geflattert hatte, der Danebrog herab, erst langsam, wie unwillig in die Demüthigung niedersteigend, dann pfeilschnell. Das Schiff hatte die Flagge gestrichen; Dänemarks schöne „Gefion“ war besiegt und hatte jetzt einen andern Herrn! Eine halbe Stunde später, nachdem ein von Capitän Paludan abgehaltener Kriegsrath einstimmig die Rettung des Schiffes für unmöglich, die weitere Fortsetzung des Kampfes für nutzlos erklärt hatte, folgte das Linienschiff dem Beispiel der Fregatte, – auch seine Flagge senkte sich herab.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_519.jpg&oldid=- (Version vom 12.8.2020)