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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

dem zweiten Rohr, welches am Boden des Kessels beginnt, steigt der Saft; wir aber steigen vier Treppen in die Höhe und sehen hier oben in der „Saturation“ den Saft wieder, wie er eben in kupferne Gefäße fließt. Durch den auf 100° erhitzten Saft leitet man hier Kohlensäure, die durch Verbrennung von Coaks bereitet wurde. Dies hat folgenden Zweck. Der in den Scheidepfannen zugesetzte Kalk ist theils verbraucht zur Fällung schädlicher Stoffe, ein Theil aber ist mit dem Zucker verbunden als Zuckerkalk gelöst geblieben. Diesen zu entfernen, ist die Aufgabe der Saturation, und sie wird durch Kohlensäure erreicht, da diese den Zuckerkalk zersetzt und kohlensauren Kalk als Schlamm abscheidet. Durch Absetzen und systematisches Abzapfen klärt man den saturirten Saft, um ihn in den Verdampfpfannen sogleich bis zu einer bestimmten Concentration abzudampfen. Hier in diesen großen Kesseln, in denen der Saft so lebhaft kocht, erkennen wir aber die „blanke“ schöne Flüssigkeit der Scheidepfannen nicht wieder. Eine fast braune, wenigstens dunkelgelb gefärbte Brühe läuft er aus den Verdampfpfannen auf die Filter. Diese sind die größten Helfer des Fabrikanten. Dem Beinschwarz oder der Knochenkohle dankt er Alles, und man verwendet deshalb die größte Sorgfalt auf dieselbe. Unten im Gährlocal können wir erstaunliche Mengen davon finden, wie sie mit Wasser übergossen, nach dem Gebrauch gereinigt wird. Gährung und Fäulniß reichen sich die Hand und zerstören alle organischen Stoffe, die die Kohle dem Saft entzogen hatte. Ein Zusatz von Salzsäure löst den aufgenommenen Kalk, die so weit gereinigte Kohle sehen wir dann sorgfältig gewaschen, indem sie wiederholt durch reines, stetig fließendes Wasser gezogen wird, endlich sehen wir sie in eisernen geschlossenen Cylindern geglüht, in denselben abgekühlt und so zu neuem Gebrauch wieder bereit. Bei allen diesen Operationen giebt es Abfall, der als werthvoller Dünger verkauft wird, trotzdem aber ist der Verbrauch der Kohle ein so bedeutender, daß ihr Preis den des Zuckers mit bestimmt. Darum dürfen wir diese schwarzen berußten Männer, die „die Filter packen“ und „abtragen“, die die Kohle waschen und glühen, nicht geringschätzend ansehen; von ihrer Treue in der Arbeit hängt sehr viel ab.

Das etwa 12 Fuß hohe Filter ist gepackt, mit Kohle gefüllt, ein Strom heißen Wasser fließt dann zunächst hindurch, die Kohlen anzufeuchten. Würde man dies verabsäumen, so liefe man Gefahr, einen verbrannten Saft zu erhalten, denn die Hitze, die bei Berührung des Saftes mit trockner Kohle auftritt, steigert sich oft bis zur Rothgluth.

Ist nun der Saft filtrirt, so begrüßen wir ihn wieder als Dünnsaft in seinem goldenen hellen Kleide; ja wir haben die Freude, diesen oft wasserhell ablaufen zu sehen. Man sieht ein, daß nun Alles gethan wäre, könnten wir plötzlich das Wasser entfernen. Dies geht aber leider nicht so schnell, wie es sich wünschen läßt. Man muß kochen, und das kann man nur bei erhöhter Temperatur, und diese hohe Temperatur kann der Zucker, können die andern im Saft enthaltenen Stoffe durchaus nicht vertragen, vollends nicht, wenn ungehindert die Luft den kochenden Saft berührt. Darum ist es ein großer Fortschritt in der Zuckerfabrikation, daß man gelernt hat, bei Abschluß der Luft und bei niedriger Temperatur zu kochen. In geschlossenen Gefäßen und bei vermindertem Luftdruck wird dies ausgeführt. Luftpumpen arbeiten kräftig, saugen den aus dem Saft sich entwickelnden Dampf ein und verdichten ihn mit Hülfe von kalten: Wasser. Die Heizung geschieht durch Dampf wie überall. So ist es denn gelungen, den Saft einzukochen, ohne ihm sehr zu schaden; schöne Apparate gestatten überdies ununterbrochenes Kochen, hier fließt dünner Saft ein, dort verläßt „Dicksaft“ den Apparat. Freilich ist er etwas gebräunt, aber diese Bräunung ist unvermeidlich. Man filtrirt ihn dafür noch einmal und zwar über neue Kohlen, während der Dünnsaft, was ich vorher nicht erwähnte, jedesmal nur auf solche Kohlen fließt, über welche schon Dicksaft gegangen ist.

Bis hierher haben, fast könnte man es sagen, die Maschinen ohne Menschenhülfe gearbeitet; wie in einem wohlgeordneten Organismus floß der Saft durch Röhren und Gefäße, und jedes Glied des Ganzen erfüllte seinen Zweck, der Arbeiter hatte nur Hähne zu öffnen und zu schließen, kaum ist in einer guten Fabrik Weiteres zu schaffen. Jetzt aber tritt der Meister ein. In dieser glänzenden kupfernen Hohlkugel von 6 Fuß Durchmesser kocht er den Dicksaft „auf Korn“. Man nennt den Apparat fälschlich das Vacuum, aber leer ist er ja nicht, leer ist nichts, man arbeitet nur, zu demselben Zweck wie vorher, unter vermindertem Luftdruck. Bei etwa 4 Zoll Barometerstand kocht der Saft nicht über 56° und kocht so lebhaft, daß in überraschend kurzer Zeit der Zeitpunkt gekommen ist, wo „das Korn sich bildet“. Nun stellt der Zuckersaft einen Syrup dar, von dem ein Tropfen zwischen Daum- und Zeigefinger zu einem Faden von bestimmter Länge sich ausziehen lassen muß. Füllt man dann den Zucker aus Kästen, so krystallisirt er in einigen Tagen und wir haben Rohzucker oder Farin, erstes Product; kocht man aber weiter, so erscheinen sehr bald kleine Krystalle wie Flimmer an dem Glase, welches zur Beobachtung in der Wand des Apparats eingefügt ist. Die Krystalle wachsen schnell, eine honigartige, breiige Masse bildet sich, und an einer leicht anzustellenden Probe sieht man den Augenblick, wo das Gut die Gahre hat, wo schnell das Kochen unterbrochen werden muß. Dabei hat es der Meister ganz in seiner Gewalt, feinkörnigen Zucker zu locken oder grobkörnigen. Höhe der Temperatur, schnelles oder langsames Kochen und ein wohl abgemessener Zusatz heißen Dicksaftes sind die Mittel, mir denen er jedes gewünschte Korn herstellen kann. Was er kochen wird, ist größtentheils abhängig von der Mode!

Das fertige Gut verläßt das Vacuum und wird in die Blechformen gefüllt, in denen es zu den Broden erstarrt, die nicht weiß, wohl aber gelb bis braun aussehen. Wie die nun weiß machen?

Das ist nicht schwer, denn die Farbe sitzt nicht in den kleinen Krystallen, sondern nur in dem Syrup, der zwischen diesen sich befindet. Man stellt also die gefüllten Formen auf-Gestelle, zieht den in der Spitze befindlichen Pfropfen und läßt ablaufen, was ablaufen will. Der „grüne Syrup“ sammelt sich von all den tausend Broden und wird dann wieder verkocht; was von diesen Broden abläuft, liefert ein drittes Product, dieses ein viertes, und dieses endlich ein fünftes. Zwischen den beiden letzten aber liegt ein rundes Jahr, unten im Syrupslocal können wir die großen Cisternen sehen, in denen das vierte Product langsam krystallisirt. Was dann noch flüssig bleibt, ist bis heute für die Fabrikation verloren.

Unsere Brode sind nun vollständig abgelaufen, und man „deckt“ sie nun, d. h. man giebt ihnen einen Aufguß einer starken Lösung weißen Zuckers in Wasser. Diese weiße Lösung, die „Deckkläre“, verdrängt allen gelben, noch an den Krystallen haftenden Syrup, allmählich wird das Brod von dem Boden nach der Spitze hin weiß, endlich ist auch diese vollkommen entfärbt, und das Brod ist „nett“. Dann setzt man es auf die „Rutsche“, man verbindet nämlich die Spitzen der Blechformen mit einem System von Röhren und dieses mit der Luftpumpe. So werden Hunderte von Broden auch vom letzten „weißen Syrup“ befreit, und triumphirend zeigt Ihnen der Fabrikant kunstgerecht auf einer Hand „das nette Brod“.

O. D.




Jungmann und der Sieg von Eckernförde.

Von Bernhard Endrulat.

Am 24. März d. J. feierten wir den 14. Jahrestag der Erhebung Schleswig-Holsteins gegen die dänische Vergewaltigung. Wir begingen ihn in ernster Trauer über die leidenschwere Gegenwart des uns so theuren Landes, aber auch voll feuriger Wünsche für seine Wiederauferstehung. Tags darauf schloß ein Mann für immer seine Augen, der unter den vielen tapfern Kämpfern für das Recht und die Freiheit der deutschen Herzogthümer einer der tapfersten gewesen war, und ohne allen Zweifel derjenige unter ihnen, dem das Glück einmal wenigstens den gebührenden Lohn für sein Verdienst nicht hat vorenthalten wollen.

Zu Hamburg, in einem Hause der Böckmannsstraße, in der freundlichen, stillen Vorstadt St. Georg, verschied am 25. März nach längerem Leiden im Alter von 47 Jahren Eduard Jungmann, Officier der Artillerie, Major der vormaligen schleswig-holsteinischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_505.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)