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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

schleppte es zu seinem Neste und nahm dann aus seinem früheren Standpunkte wieder Posto, so gelassen, als wenn er kein Wässerchen getrübt hätte. Der rückkehrende Stahr mochte nicht wenig über das Verschwinden seines eben Eingebrachten erstaunt sein, denn kaum war er mit der zweiten Tracht in’s Loch geschlüpft, so erschien er auch wieder auf der Stange, das eben Mitgebrachte noch im Schnabel haltend. Er drehte den Kopf mit langem Halse höchst verwundert nach allen Seiten, recognoscirte dann von außen den Kasten und die nächste Umgebung, und als er hier noch Alles in der alten Ordnung gefunden, brachte er endlich die zweite Tracht ein, hielt dann auf dem Stängelchen noch eine Weile Umschau und strich endlich wieder ab. Der Spatz wollte sofort sein früheres Manöver wiederholen, aber jetzt kam er übel an. Der Stahr, der sich wahrscheinlich auf die Lauer gestellt, kehrte eilends zurück. Er ertappte den Dieb auf der That und nahm nun furchtbare Revanche. Der Spatz, der unter den Dachsparren retirirt war, wurde, trotz alles Schreiens und Lamentirens, bald aus seinem Schlupfwinkel getrieben, und unbarmherzig zerzauste nun der Stahr Alles, was er an Hausrath vorfand, während das in anständiger Ferne umherhüpfende Spatzenpaar ein wahres Zetergeschrei aufschlug; allein das störte weder den Stahr, noch kam eine Hülfe.

Von da an durfte sich kein Spatz mehr in der Umgebung des Stahrkastens sehen lassen, und erst im Herbst, nachdem die Stahre wärmeren Gefilden zugezogen, vernahm man wieder in Hof und Garten das monotone Gezirp.




Afrikaner über Eis und Schnee. Im Jahre 1846 wurde zum ersten Male durch einen speculativen Amerikaner eine Schiffsladung Eis nach Batavia gebracht. Da die amerikanischen Schiffe sonst großentheils in Ballast nach Ostindien gingen und auch die Zurichtung des Eises zur Verpackung nicht mit großen Kosten verbunden ist, so konnte es zu ziemlich billigen Preisen in den Handel gebracht werden und ist in Folge dessen auf Java rasch von einem Luxusartikel zu einem Bedürfniß geworden. In den Krankenhäusern bewirkte die Anwendung des Eises zum Theil glänzende Erfolge, und es wurde in Folge dessen sehr bald regelmäßig eingeführt. In größeren Hotels, sowie in jedem bedeutenderen Haushalte spielt Eis eine wichtige Rolle: die sonst halbflüssige Butter steht auf Eis, zu jedem Glase Wasser gehört ein Stückchen Eis, mit einem Worte: Eis ist ein unentbehrlicher Artikel geworden. Man kann begreifen, daß die Ankunft des erstes Eises zu manchem Spaße und zu mancher komischen Scene Anlaß gab. Denn in diesem heißen Tropenlande kennt man selbst auf den Gipfeln der höchsten Berge nie Schnee oder auch nur Reif. Am überraschendsten erschien der erste Eindruck der Eiskälte auf die dort zu Lande Geborenen, sowohl Javanen und Malaien als Halbblütige und Kinder von Europäern, indem Alle diese ohne Ausnahme bei der ersten Berührung des Eises ausriefen: „es brennt!“

Einen der gelungensten Scherze führte aber Herr K–r nebst einigen Freunden aus, indem diese ein paar eingeborene Diener gegen Mittag nach dem Magazine in Batavia schickten, um eine Quantität Eis nach Weltevreden zu holen. Mit dem Unternehmer des Magazines war es vorher verabredet, daß er den Leuten einen Block Eis gab, der bloß fest umschnürt an die Mitte eines Bambus gehängt wurde. Die Enden des Bambus nahmen zwei Träger nach inländischer Sitte auf die Schultern, ein inländischer Aufseher ging nebenher, und so ging es in der brennenden Mittagssonne fort nach dem etwa eine Stunde entfernten Weltevreden. Natürlich brachten sie nichts mit, als den Bambus und die leeren Stricke. Eine der possirlichsten Scenen wurde nun durch ein ernsthaftes Verhör über den Verbleib der seltsamen Waare hervorgerufen, die trotz mehrmaligen festen Schnürens verschwunden war. Sie war nicht gestohlen, auch nicht verloren, und die verdutzten Javanen konnten nicht erklären, was vorgegangen war, und auf alles Befragen mir immer wiederholen, das Eis habe sich heimlich, ganz heimlich entfernt, mit unbegreiflicher Heimlichkeit sei es fortgeschlichen.

Als ich nach etwa siebenjährigem Aufenthalte in Indien nach Europa zurückkehrte und in der strengen Winterkälte des Februars 1853 im Depot zu Harderwyk in Holland ankam, hatte ich Gelegenheit, die Eindrücke zu beobachten, die Schnee und Eis auf einen Schwarzen machten, der sie in seinen alten Tagen zum ersten Male kennen lernte. Die Holländer haben nämlich in früherer Zeit eine Anzahl von Negern als Soldaten von ihren afrikanischen Besitzungen in Delmina nach Java ausgeführt. Da aber keine directe Fahrt von Java nach Delmina besteht, so werden die ausgedienten Afrikaner zunächst nach Holland gebracht, von wo sie dann gelegentlich nach der Westküste von Afrika befördert werden. Mein Afrikaner, Kütjo Kobena, war nun ebenso wie ich im strengen Winter angekommen, hatte es aber noch übler als ich getroffen, indem das Schiff, auf dem er sich befand, bei der Insel Urk in der Zuider-See einfror; hierdurch wurde er genöthigt, dreißig Tage auf dieser armen Fischerinsel in der Winterkälte zu verleben. Höchst interessant waren die Beschreibungen, die er von der Kälte daselbst machte, besonders durch die Weise, wie er sich bemühte, Begriffe auszudrücken, die ihm neu und bis dahin gänzlich fremd gewesen, deren Natur er jedoch nun genügend erkannt hatte. So erzählte er mir unter Andern, daß es hier so kalt sei, daß alles Wasser von Kälte todt sei. „See ist todt,“ sagte er, „Fluß ist todt; Wasser ausgießen, ist auch gleich todt.“ Als ich, auf seine Ideen ganz nach Möglichkeit eingehend, ihm erwiderte: „Nein, Kütjo Kobena, todt ist es nicht –“ ließ er mich in seinem Feuereifer zunächst gar nicht ausreden, sondern unterbrach mich: „sungoh mati! (Wahrhaftig, bei meinem Leben!) es ist Alles todt; ich habe es selbst gesehen.“ Endlich zu Worte kommend erklärte ich ihm, daß es nicht todt sei, sondern nur schlafe. Ebenso rasch begriff er dieses und setzte mit gleichem Eifer hinzu: „sungoh! (wahrhaftig!) Sie haben Recht; auch ich, habe gesehen, Wasser warm werden, Wasser wieder laufen.“ – Dann erzählte er mir, wie eines Tages, als er aus der Hütte auf Urk trat, sein Mantel weiß geworden sei, ganz weiß; aber Farbe war es nicht, es konnte abgewischt werden; doch wenn er es abwischte, kam es wieder. Schließlich habe er dann begriffen, daß es hier so kalt sei, daß, wenn tuan allah, der Herrgott, es regnen lasse, sei der Regen, ehe er zur Erde komme „von der Kälte verdorben und ganz weiß geworden“. Er hatte demnach den Vorgang ganz wohl begriffen und drückte sich auch recht bezeichnend aus. Gefrieren ist ja für diese Tropenbewohner ein ganz fremder Begriff.

M.




Das deutsche Bundesbanner, von dem wir in der heutigen Nummer eine getreue Abbildung geben, ist bekanntlich durch Gaben deutscher Frauen und Jungfrauen gestiftet, nach einer Zeichnung von Professor Schneider in Hanau gefertigt und von dem Herzog Ernst in Frankfurt dem Schützenbunde übergeben worden. Der Herzog sprach bei der Uebergabe mit klangvoller Stimme noch folgende kräftige Worte:

Geehrte Versammlung!

Vor noch kaum einem Jahre ward mir die Ehre und Freude, unter Jubelruf den deutschen Schützenbund zu verkündigen. Heute gilt es, dem nun mehr vollendeten Bau die äußere Weihe, dem Bund sein Symbol zu geben.

Der Krieger schwört bei seiner Fahne. Ihm gleich lassen Sie mich in Ihrer Aller Namen, im Namen so vieler Tausende, die von der Düne der Nordsee bis zu den schneeigen Alpen hierhergezogen, bei dieser Fahne geloben: Treu zu stehen zum Vaterland und, seines Rufs gewärtig, zu wehrhaft ein Bund waffengeübt zu werden!

Und so mag es wehen, dies herrliche Banner! Von Frauenhand gewoben, sei’s Eurer Ehre anvertraut, – ein deutsches Banner, das deutsche Männer vereinigt!

Ein donnerndes „Hoch!“ folgte diesen mit kräftiger, weithin tönender Stimme gesprochenen Worten, und der Herzog überreichte sodann die Bundesfahne mit folgenden Worten:

„Ich übergebe hiermit diese Fahne der Stadt Frankfurt als dermaligem Festort. Möge das Gut, das uns Allen gehört, in ihren Händen treu behütet sein!

Begeisterter Zuruf begleitete den Schluß.

Das Banner macht sowohl durch seine Größe wie durch seine Pracht einen dominirenden Eindruck. In Betracht, daß die Bundesfahne sowohl im Festzug, als auf dem Festplatz vor allen übrigen Fahnen in die Augen springend sein müsse, verließ man die gewöhnliche Form und Größe und wählte eine dreizüngige Oriflamme. In einer Breite von 6 und einer Höhe von 8 Fuß hängt sie an einem Querstab, der mit goldenen Schnüren an der Fahnenstange befestigt ist, flach hernieder, und dadurch wird verhindert, daß die reiche Stickerei, wie es bei gewöhnlichen Fahnen der Fall ist, durch Faltenwurf verdeckt werde. Durchaus von rothem gemustertem Seidendamaste, sind beide Seiten des Fahnenblattes durch schwarze Lesinen und gothisch reich ornamentirte Goldstickerei in mehrere Felder getheilt, deren mittleres auf der Vorderseite den gestickten Doppeladler in einem Durchmesser von drei Fuß im goldenen Grunde trägt.

Im gleichen Feld auf der Rückseite ist ein Eichenkranz mit der Inschrift gestickt:

Deutscher Schützenbund
gegründet
zu Gotha. 13. Juli 1861.

Die übrigen schmalen Felder dieser Seite sind so eingetheilt, daß in ihnen die Wappen der Städte, in welchen Schützenfeste abgehalten wurden, angebracht werden können, wie denn mit den Wappen der Städte Gotha und Frankfurt bereits der Anfang gemacht ist.

Die Spitze der Fahnenstange endigt in einer Console, welche die Statuette eines Schützen in der Ordonnanzkleidung trägt, beide in vergoldeter Bronze. Große goldene Quasten hängen zu beiden Seiten an den Fahnenschnüren.

Das Ganze macht mit dem Schwarz und Gold aus dem prachtvollen Roth einen wahrhaft imposanten Eindruck. Getragen wird diese Fahne wahrscheinlich nicht wieder, denn sie ist so schwer, daß drei kräftige Männer kaum im Stande sind sie an den Tragstangen fortzubewegen.




Kleiner Briefkasten.


Kl. in Marburg. Wir kennen überhaupt nur ein gutes Panorama des Rheins, das Delkeskamp’sche. Es hat bis heute trotz der massenhaften Nachahmungen seinen alten guten Ruf zu wahren gewußt, zumal es in seinen vielen neuen Auflagen durch Nachträge oder Verbesserungen stets den Forderungen der Neuzeit nachzukommen wußte. Das Delkeskamp’sche Panorama ist in Treue der Darstellung, Eleganz der Ausführung und Brauchbarkeit noch von keiner der Nachahmungen erreicht worden. An der Hand dieses zuverlässigen Führers sind Sie sicher, keins der merkwürdigen Denkmale alter und neuer Zeit zu übersehen, noch durch vieles Fragen sich und Andere zu ermüden.

L. in F. Wir haben bereits früher darauf hingewiesen und müssen auch Sie daraus aufmerksam machen, daß die Herstellung einer Nummer drei Wochen Zeit erfordert, die Abbildungen des Schützenfestes, die bei ihrer Größe auch wieder einige Wochen in Anspruch nehmen, also erst in 4 bis 6 Wochen erscheinen können. Abbildungen konnten vor dem Feste doch unmöglich gefertigt werden.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_496.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)