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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

hätte werden können. Unter den Coburger Constablern der Veste war ein besonders aufgeweckter Kopf, Namens Conrad Rüger. Dieser hat handschriftlich eine „kurze, jedoch gründliche und wahrhafte Relation von der Stadt Coburg und des ganzen Landes erbärmlichen Kriegspressuren von unterschiedlichen mächtigen Feinden de anno 1631–1661“ hinterlassen, in welcher sich folgende Stelle findet: „Den 30. September ritt der Herzog von Friedland, mit zwei Laquaien bei sich laufend, aus der Stadt, die Vestung zu recognosciren, auf welchen, als er von den Dragonern erkannt wurde, alsbald eine Feldschlange von mir gerichtet und Feuer gegeben wurde, und traf dasselbe Stück gerade vor ihm in die Erde, daß diese um ihn herum und auf den Leib sprang, worauf er seinem Pferd, welches davon stutzig worden und still gestanden, die Sporen gegeben und durchgegangen. Er hat aber, wie man nachher erfahren, heftige Drohworte ausgestoßen, nämlich selbige Bestie, die ihm dies gethan, gleich aufhängen zu lassen, wenn er solche in seine Hände bekäme. Das war aber das Beste, daß er sie nicht hatte.“

Nach dem Abzüge Wallenstein’s ward Herzog Bernhard, ihr Retter, der Veste Gast. Er ordnete die Ausbesserung der nicht geringen Schäden an, welche sie während dieser kurzen Belagerung erlitten, und ließ einen Hügel, der sich zwischen ihr und dem nächsten Berge, dem Bausenberge, erhebt und vom Volksmund der „Fürwitz“ genannt ist, bedeutend abtragen, weil von ihm aus die Friedländischen der Veste am gefährlichsten geworden waren. Solche Schäden und Gefahren ließen sich beseitigen; die tieferen , welche die furchtbare Zeit, die unermeßlich steigende Noth, die wie Gift um sich fressende Entsittlichung der Volksmassen mit sich brachte, wurden mehr und mehr unabwendbar. Selbst in diesen letzten Wall des verödeten Landes brachen Zwietracht und Wankelmuth ein, und als im Jahre 1635 ein weit schwächerer Feind, der kaiserl. General Lamboy, sich vor die Veste legte, leistete die Besatzung zwar vier Monate lang Widerstand, ließ sich aber schließlich durch den plumpsten Betrug, durch einen angeblich landesfürstlichen, aber gefälschten Befehl, zur Uebergabe der Veste berücken. Die „erbärmlichen Kriegspressuren“ dauerten in der That bis 1661; die Veste hatte jedoch ihre Beschützerrolle ausgespielt.

Damit sind wir am Ende der Geschichte unserer Coburg als Kriegsplatz. Von jetzt an stand sie als grauer Invalid auf dem Berg, und es rostete ihr das Schwert in der Scheide. Wohl ward sie äußerlich noch lange als Waffenplatz gehalten und gehütet; allmählich sank sie aber von Stufe zu Stufe abwärts, bis man sie endlich nur noch als Zucht- und Irrenhaus und als Rumpelkammer für altes Waffengeräth auf ihrer Höhe stehen ließ. Erst nachdem die langen Leiden der napoleonischen Kriege im Lande einigermaßen verwunden waren, erhoben sich die Blicke mit anderen Wünschen auch wieder zu ihr, es wurde wieder an ihre Erhaltung gedacht und endlich zu ihrer Wiederherstellung und Verschönerung geschritten.

Die Resultate dieser Bemühungen sehen wir schon am Aeußern der ehrwürdigen Lutherburg vor uns; in noch bedeutenderem Maße treten sie uns im Innern entgegen. Diese und die gehobene Stimmung der Zeit, wie nicht weniger das edle Beispiel von hohem nationalem Sinn, durch welchen die Fürsten dieses Hauses sich auszeichnen, bewirkten, daß die vom Schutt der Jahrhunderte gereinigten Räume der Veste Coburg gegenwärtig ein nimmer leerer Wallfahrtsort für alle Freunde der Natur und der Kunst und ein stets bereiter Festplatz für die verschiedenartigsten Vereine und Genossenschaften für alle großen und schönen Bestrebungen geworden sind. Seit der Gustav-Adolph-Verein im Jahre 1853 seine Helden hier gefeiert, ist der Veste fast kein Jahr ohne Fest vergangen; die deutschen Naturforscher und die deutschen Landwirthe, die deutschen Apotheker und die deutschen Lehrer, die deutschen Forstmänner und die deutschen Turner, die deutschen Sänger und der deutsche Nationalverein – Alle haben ihre Fahnen auf diesen Berg getragen und Alle haben ihn reicheren Herzens verlassen. – Das neueste aller Feste ist in diesem Sommer in der geschmückten Veste begangen worden, ein Fest, dessen Bedeutung es werth macht, daß wir ihm eine besondere Beschreibung widmen, ein echt coburgisches Fest, das der coburgischen Bauernsingvereine und der coburgischen Veteranen des Befreiungskriegs. Die Illustration zu dieser Festbeschreibung bietet uns dann Gelegenheit, unsere Freunde auch durch das Innere der Veste, durch ihre Räume voll werthvoller Schätze der Wissenschaft, der Kunst und der Geschichte zu führen und zum Schluß mit ihnen das Herz zu laben an der Rundschau in den Bilderkranz ihrer Thäler voll Anmuth und ihrer lockenden Fernen.





Wanderungen in und um Berlin.

1.
(Schluß.)


Das älteste Privathaus Berlins – Wie man König in Preußen wurde – Ein Literaturhaus – Das Haus der Aussätzigen – Der Hosenteufel.


In der Spandauer Straße steht auch das älteste noch vorhandene Privathaus in Berlin, welches gegenwärtig die Nummer 49 führt. Es gehörte dem berühmten und reichen Geschlechte der Blankenfelde, das außerdem noch die Güter Pankow und Weißensee besaß. Wie eine im Hause befindliche Tafel besagt, wurde das Haus im Jahre 1380 von einer Feuersbrunst verzehrt und später in seiner jetzigen klosterähnlichen Gestalt wieder aufgebaut. Besonders schön soll das Eckgemach gewesen sein, in Form einer Kapelle mit herrlichen bunten Glasfenstern und mit einem mächtigen Pfeiler in der Mitte, der die gewölbte al fresco gemalte Decke trug. In diesen Räumen wurde der allgemein gefürchtete Dietrich von Quitzow zur Zeit, wo er mit den Berlinern auf einem freundschaftlichen Fuße stand, von dem damaligen Bürgermeister Blankenfeld bewirthet und, wie der alte Chronist Engel naiv erzählt, „zu herrlichen Panketen geladen, dabei köstliche Weine, allerlei Saitenspiel, schöne Weibsbilder und was dergleichen mehr zur Freude und Fröligkeit dienen möge, gewesen. Ihn auch Abends mit Laternen, Fackeln, Gesängen und andern Freudenspiel nach Hause beleitet.“ In den katholischen Zeiten war hier eine Zeit lang ein Convent, der durch die Reformation beseitigt wurde. Der Sage nach führte ein unterirdischer Gang von dem alten Gebäude bis nach dem grauen Kloster in der Klosterstraße; jedoch hat man trotz aller Nachforschungen keine Spuren einer derartigen Verbindung aufgefunden. An der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts kam das Haus in den Besitz des berühmten Kammergerichtsraths Seidel, später war es Eigenthum des Geheimraths Stephani, der es 1721 einem Kaufmann Röben überließ. Wie die meisten Häuser der Spandauer Straße dient es gegenwärtig zum Geschäftslocal.

Das Haus Nr. 72 in der Spandauer Straße gehörte dem Etatminister Freiherrn von Bartholdi, der, wie der bekannte Baron von Pöllnitz in seinen Memoiren behauptet, durch ein glückliches Mißverständniß dem Hause Hohenzollern die preußische Königskrone erwarb. Seitdem August der Starke von Sachsen König von Polen geworden, hatte der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg keinen andern Wunsch, als ebenfalls die königliche Würde zu erlangen. Vergeblich hatte sich sein Gesandter in Wien, Graf Christoph von Dohna, bemüht, die nöthige Einwilligung des Kaisers Leopold zu diesem Schritte zu gewinnen. Was jedoch der feinsten Diplomatie nicht gelang, sollte der wunderliche Zufall bewirken. Der Gesandte, an dem glücklichen Ausgange der bisher gepflogenen Unterhandlungen verzweifelnd, hatte um seine Abberufung gebeten und sie auch erhalten. In seiner Abwesenheit versah der preußische Resident in Wien, Geheimer Rath Bartholdi, die Geschäfte. Dieser erhielt vom Hofe in Berlin eine Depesche in Chiffreschrift, worin ihm aufgetragen wurde, noch einen Versuch zu machen und einen einflußreichen kaiserlichen Minister zu bestechen. Der Name des Betreffenden war jedoch unleserlich; Bartholdi glaubte, daß damit der Pater Wolff, ein Jesuit und Beichtvater des Kaisers, gemeint sei. Der Jesuit fühlte sich geschmeichelt, daß einer der mächtigsten protestantischen Fürsten sich an ihn wendete; er gebrauchte seinen bedeutenden Einfluß und zwar mit so gutem Erfolge, daß Leopold seinen bisherigen Widerstand schwinden ließ

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