Seite:Die Gartenlaube (1862) 470.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

dem Hohenstaufen Friedrich II. zum Kreuzzug nach Palästina gefolgt und stand hoch in Ehren bei Kaiser und Papst; und dem Einfluß Hermann’s, dessen Gemahlin Margarethe von Holland war, verdankte hauptsächlich deren Bruder, Wilhelm von Holland, die deutsche Königswürde, ja, nach dessen Tode ward ihm selbst die Kaiserkrone angetragen, und er war der Mann dazu, sie auszuschlagen. Seine Hofhaltung war eine der glänzendsten jener Zeit, und sie war veredelt durch die Pflege der Dichtkunst, der er selbst huldigte. Daß von diesem Glanze auch die Coburg mitgenoß, ist kein Zweifel. Die luftstrahlende Residenz dieses Dynasten war aber die Burg Strauf, deren Trümmer auf ihrer grünen Höhe bei dem Städtchen Rodach ehedem Tausende von Reisenden, die auf der Landstraße von Coburg nach Hildburghausen fuhren, wohl sehen mußten, doch vielleicht kaum der Beachtung würdigten.

Im Jahre 1353 kam Coburg durch die Vermählung einer hennebergischen Erbin, Katharina, mit Friedrich dem Strengen von Meißen, an das Haus Wettin, dem es noch heute angehört. – Diese Vererbung machte das Land und die Veste zum Schauplatz vieler verheerenden Fehden, bald zwischen den sächsischen Fürsten und der fränkischen Ritterschaft, bald zwischen den Fürsten unter sich; am wildesten tobte hier der bekannte „Bruderkrieg“ zwischen den Söhnen Friedrichs des Streitbaren, Wilhelm und Friedrich, in welchem die Veste Coburg eine besondere Rolle spielte. Wilhelm hatte die „fränkischen Lande“ (Coburg, Königsberg, Hildburghausen, Heldburg, Neustadt und Sonneberg) um 42,000 Gulden an seine Räthe, Apel und Busso von Vitzthum (die ihm dafür ein böhmisches Hülfsheer gegen seinen Bruder herbeigezogen) verpfändet, und diese behaupteten sich als Herren des Landes auch nach der Versöhnung der Fürsten und bis sie durch ein vereinigtes Heer derselben, im Jahre 1451, durch Aushungern zur Uebergabe der Veste gezwungen wurden.

Wilhelm starb kinderlos, und so fiel das fränkische Land an seines Bruders Söhne, Ernst und Albrecht, später, nachdem dieselben ihre Länder getheilt, an des Ersteren Söhne, Kurfürst Friedrich den Weisen und Johann den Beständigen, denen die Veste den Ehrenkranz der Reformation verdankt; beide gehören zu den edlen Gestalten der Vorzeit, die der Geist sich gern in ihren Räumen wandelnd denkt. Gleich in der ersten Zeit der Reformation hatte die Burg einen harten Stand gegen einen Auswuchs derselben, wie man den „Bauernkrieg“ bezeichnet. Ein Haufen von 14,000 Bauern lagerte vor der Veste, in welche der gesammte Adel des Landes, soweit er der Wuth des aufgestandenen Volks entgangen war, sich geflüchtet hatte. Erst im Mai 1525 befreite Herzog Johann mit einem Heere die arg Bedrängten.

Fünf Jahre später, im Frühling 1530, zog ein einfacher Mann, mit Bibel und Aesop unterm Arme, in die Veste Coburg ein, und er war es, der den bisher wenig beachteten Fürstensitz zu einer Stätte von deutscher, ja von weltgeschichtlicher Bedeutung erhob. Denn wer die Erkämpfung des freien Gedankens, des ungefesselten Forschens – in der Schrift und in der Natur – die Erlösung des Geistes vom Druck der Pfaffenmacht – mit uns als die höchste Errungenschaft preist, zu der jeder Schritt vorwärts eine Wohlthat für die ganze Menschheit ist, der wird, hat er es noch nicht gethan, an dieser Stelle sich gern belehren lassen über das Weltwichtige, das Luther hier vollbracht. Es ist von neuern Forschern[1] dargelegt, wie nahe am Untergang in Augsburg das Reformationswerk stand, wie die Verzagtheit, der Wankelmuth um sich griff, und daß nur an Luther’s Felsenfestigkeit die Vertreter seines Worts am Reichstag sich wieder aufrichteten. Wie rastlos er auf der Veste gearbeitet, wie seine Briefe und Sendschreiben von seiner „Burg der Winde“, von „Grubok“, wie er es häufig schrieb, um seinen Aufenthalt den Feinden nicht zu verrathen, nach allen Richtungen liefen, das beweisen die „Coburgischen Schriften Lutheri“, die später gesammelt wurden. Zu seiner Erholung übersetzte er hier auch den Aesop und arbeitete fleißig an den Psalmen. Der Psalter aber und der Drang der Zeit, sie stimmten in seiner Heldenseele auf dieser Bergeshöhe jenes Kampf- und Siegeslied des Protestantenthums an, das Millionen Herzen zum Himmel erhoben, das Tausende in muthigen Tod geführt hat, den Hochgesang:

Ein’ feste Burg, ist unser Gott!

Solche Thaten des Geistes fordern unsere Ehrfurcht, nach Jahrhunderten noch für die Stätte, wo sie geschehen sind; – „sie ist geweiht für alle Zeiten.“

Am 6. Oktober 1530 verließ Luther, im Geleite des Kurfürsten Johann und seiner Genossen am Reformationswerke, Melanchthon’s, Jonas’, Spalatin’s, Agricola’s u. A., die ihn auf der Heimreise von Augsburg in Coburg abholten, die alte Veste. Sie blieb nun im ganzen Laufe des Jahrhunderts verwaist, ja sie wurde es recht eigentlich, als der erste Landesfürst, der auf ihr geboren worden war, Johann Ernst, im Jahre 1547 die Ehrenburg in der Stadt Coburg erbaute und seine Residenz dorthin verlegte.

Nach dem 16. ist das schicksalreichste Jahrhundert der Veste das 17., und zwar in seiner ersten Hälfte. Seit dem Jahre 1586 regierte in Coburg der Herzog Johann Casimir, der Sohn jenes unglücklichen Johann Friedrich des Mittlern, welcher, in die „Grumbach’schen Händel“ verwickelt, in die Reichsacht fiel, Land und Freiheit verlor und – eines der erhabensten Beispiele deutscher Frauentreue von seiner Gemahlin Elisabeth bis zum letzten Augenblick in harter Gefangenschaft gepflegt, nach achtundzwanzig Jahren des Elends (1595) im Schloß Steher in Oberösterreich starb. Johann Casimir wurde der Gemahl jener nicht weniger unglücklichen Herzogin Anna, welche zwanzig Jahre lang, zuletzt, von 1603 an, droben auf der Veste Coburg, gefangen saß und dort 1613 starb, (Ueber das Schicksal dieses fürstlichen Ehepaars haben wir unseren Lesern einen besondern Artikel versprochen, den wir nächstens bringen. Wir beschränken uns deshalb hier auf diese kurze Notiz). Unter Johann Casimir geschah die Verstärkung der Vertheidigungsfähigkeit der Veste durch den Bau der Basteien. Sie sind, von der westlichen, der Bärenbastei, an, die wir oben kennen gelernt haben, zu beiden Seiten des Thors mit dem Thorthurme: die neue und die Sternbastei, den höchsten Punkt nach Osten nimmt die hohe Bastei ein, unter ihr sehen wir die Schindelbastei und noch tiefer steht der Eselsthurm. Die Nordseite der Veste, an welcher der Fels zu Tage tritt, ist nur durch eine ziemlich gerade laufende, durch zwei halbrunde Thürme verstärkte Mauer befestigt, weil hier der Berg steil und hoch in’s weite Thal abfällt; die Hauptvertheidigung mußte gegen Osten und Südosten gerichtet sein, wo Nachbarberge hart an die Festung herantreten. Von den uns zugekehrten Gebäuden nennen wir zwischen dem blauen Thurm und dem Thorthurm das alte Schloß (bis in die neueste Zeit Zucht- und Irrenhaus gewesen) und zwischen dem Thorthurm und der hohen Bastei das neue Wirthshaus. Die übrigen Bauten, namentlich im Innern, betrachten wir später in der Nähe.

Nachdem wir die Vertheidigungsmittel der Veste wenigstens oberflächlich kennen gelernt, wenden wir uns ihren letzten und größten kriegerischen Ehren zu. Wir stehen im dreißigjährigen Kriege. Johann Casimir hatte seinem Lande so lange als möglich den Schutz der Neutralität zu erhalten gewußt; als er sich aber endlich genöthigt sah, im Jahre 1631 der evangelischen Union in Leipzig beizutreten, ließ die Kriegsfurie auch hier nicht lange auf sich warten. Wallenstein blieb, nachdem er vor Nürnberg gegen Gustav Adolph (im September 1632) sein halbes Heer verloren hatte, auf seinem Zuge nach Sachsen vor dieser ersten Veste eines abtrünnigen sächsischen Fürsten stehen, um seinen vollen Zorn auf ihn und sein Land zu entladen. Letzteres geschah im vollsten Maße. Die Feuersäulen brennender Dörfer und Städtchen bezeichneten seinen Weg. Er und der Kurfürst von Baiern lagerten mit ihrem zahlreichen Heer im Itzgrund und forderten Stadt und Veste zur Uebergabe auf. Der versuchte Widerstand der Stadt war bald gebrochen, und die Kriegsfürsten nahmen in ihr Quartier. In der Veste lag jedoch eine schwedische Besatzung unter einem Oberst Taupadel, und dies kleine Häuflein trotzte selbst einem Wallenstein. Als alle Schrecken, die er über das offene Land ergoß, alle nächtlichen Brandfackeln der Dörfer und Städte den Commandanten der Veste nicht zur Uebergabe bewogen, suchte er durch Ueberfall und Sturm des „Nestes“ Herr zu werden. Aber der Ueberfall wurde vereitelt, der Sturm abgeschlagen. Es ist kein Zweifel, daß die ohnedies schlecht verproviantirte Veste ihren Widerstand gegen eine solche Kriegsmacht nicht auf die Länge hätte fortsetzen können, und daß nur das Herannahen des Herzogs Bernhard von Weimar den Friedländer bewog, ihr unverrichteter Sache den Rücken zu kehren; aber gleichwohl rechtfertigt den Stolz des Ländchens auf diese Tage die unleugbare Thatsache, daß Wallenstein vor der Coburg lag und sie nicht erobern konnte.

Aus dieser Belagerung muß ich noch ein kleines Curiosum erzählen, aus dem leicht ein Ereigniß von unberechenbarer Wichtigkeit

  1. E. Pfeitschmidt, Luther in Coburg, Dresden 1853.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_470.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)