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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

eine harte, sehr harte Schule hat derjenige durchzugehen, der von diesen Leuten als Camerad begrüßt und aufgenommen sein will. –

Unter den Pelzjägern, die gewissermaßen als zur Charakteristik des westlichen Nordamerika gehörig bezeichnet werden können, unterscheidet man zwei besondere Classen, nämlich die sogenannten Voyageurs, die im Dienst der Pelzcompagnien stehen, für diese Tauschhandel mit den Indianern treiben und die Verbindung zwischen den verschiedenen abgelegenen Posten aufrecht erhalten, und dann die vollständig unabhängigen Freitrapper.

Letztere beziehen zwar auch hin und wieder auf dem Wege des Tausches Pelzwerk von den Eingeborenen, doch bleibt ihr Haupterwerbzweig immer die Jagd und der Biber- und Otterfang. Da sie nun beim Aufsuchen ihrer Beute und in Verfolgung derselben bis in die verborgensten Winkel der Rocky-Mountains vordringen, namentlich gern solche Flüsse und Flüßchen zu ihren Revieren und Wegweisern wählen, von denen sie vermuthen, daß sie in neuerer Zeit nicht von weißen Biberfängern besucht wurden, so erlangen sie allmählich eine so merkwürdige Kenntniß der ungeheuern Länderstrecken zwischen dem Missouri und den Küsten der Südsee, und nebenbei eine so wunderbare Orientirungsgabe, eine so eigenthümliche Manier mit den Eingeborenen zu verkehren und deren Zutrauen zu gewinnen oder ihnen Furcht einzuflößen, daß es oft an’s Unbegreifliche grenzt. Pelzcompagnien, Emigrantenzüge und Forschungsexpeditionen schätzen sich daher immer glücklich, wenn es ihnen gelingt, einen gediegenen Freitrapper, in deren Reihen auch Indianer und Halbindianer (Halfbreeds) vertreten sind, als Führer und Dolmetscher zur Wanderung durch die Wildnisse zu gewinnen. Doch hohe Preise müssen geboten werden, um diese Leute zu bewegen, sich ihrer Freiheit, wenn auch nur auf Monate, zu entäußern, trotzdem es oft mehr als zweifelhaft ist, daß sie auf ihren Privatjagdzügen große Erfolge erzielen.

In Gesellschaften von zwei bis hundert und mehr Mitgliedern unternehmen die Freitrapper ihre Expeditionen. Jeder Einzelne hat sich mit einem Reitpferde, einem bis drei Packthieren, einigen Decken, etwas Lebensmitteln, Fallen und einem hinlänglichen Vorrath von Munition auszurüsten, doch ordnen sie sich insoweit, gleichsam militärisch, zu einem Ganzen, daß sie aus ihrer Mitte den ältesten und erfahrensten Jäger zum Reisehauptmann wählen, dessen Befehlen sich unterzuordnen durch Uebereinkommen Allen zur Pflicht gemacht wird. Die Richtung der Reise wird in einer allgemeinen Berathung bestimmt und ist eben von den Gerüchten abhängig, die über die Ergiebigkeit dieses oder jenes wildreichen Landstriches in Umlauf sind. In den Revieren oder in der Nähe von Biberdörfern angekommen, wird nicht lange mit dem Beginn der Jagd gezögert. Bei kleinern Abtheilungen legen alle Mitglieder, bei den Lagerarbeiten wie beim Fallenstellen, gemeinschaftlich Hand an’s Werk; bei größern dagegen fällt die Sorge für die Pferde, für die Sicherheit des Lagers und für Speise und Trank den jüngern, weniger erfahrenen Cameraden zu, während diejenigen, die sich als Jäger und Fallensteller den größten Ruf erworben haben, nur der Jagd obliegen.

Jahrelang treiben sich dergleichen Banden von Freitrappern in der Wildniß umher, ohne daß Jemand eine Ahnung davon erhielte, wo sie ihr Ende genommen, bis sie dann plötzlich wieder einmal beutebeladen in einer Grenzstadt erscheinen, um die Erfolge ihrer Mühen, ohne Rücksicht auf die Art der geleisteten Arbeiten, gleichmäßig unter sich zu vertheilen. Mancher, der im Jahre vorher die Ansiedlungen in der Gesellschaft lebenslustiger, tollkühner Cameraden verließ, kehrt auch wohl gar nicht zurück; er liegt vielleicht in irgend einem Felsenwinkel oder in der unabsehbaren Steppe, wo die treuen Gefährten seine einsame Ruhestätte durch Anhäufungen von Steinen und Zweigen gegen die Eingriffe der wilden Bestien sicherten. Wenn seine Thaten auch wohl im Munde bleicher und rothhäutiger Jäger fortleben und diese veranlassen, seiner gelegentlich mit Theilnahme zu gedenken, so ist sein Name doch verschollen, und nur in den wenigsten Fällen hinterläßt er Jemand, der tiefer um ihn trauerte.

Und dennoch stößt man zuweilen auf Denkmäler, die nach einer langen Reihe von Jahren Kunde von einem verlorenen Trapper geben. Auf dem Hofe des in neuerer Zeit errichteten Forts Tejon in Californien steht eine Anzahl mächtiger, ehrwürdiger Eichen. Eine derselben zeichnet sich dadurch aus, daß vor langer, langer Zeit ein Theil der Rinde von dem Stamm entfernt wurde. Die geborstene, aber saftreiche Rinde des noch lebenskräftigen Baumes ist vernarbt und dehnt sich immer weiter über die glatte Fläche des eisenharten Holzes und die auf derselben roh ausgemeißelten Worte aus. „Peter Lebeck, killed by a bear, Oct. 17, 1837.“ (P. L. getödtet von einem Bären), läßt sich nur noch mit Mühe entziffern. Woher der unglückliche Jäger kam, der hier in der noch heute von Bären reich belebten Schlucht sein Ende fand und nothdürftig eingescharrt wurde, das ist vergessen. Man fragt auch nicht darnach, sondern wundert sich Angesichts der Inschrift, daß schon damals einzelne dieser verwegenen Abenteurer sich von Osten her über die Rocky-Mountains bis an die Küsten der Südsee durchschlugen. Derartig ist das Ende und das Grab eines Trappers.

Wie nun das Wild und die Indianer vor der Fluthwelle der Civilisation immer weiter zurückweichen und allmählich verdrängt werden, so verschwinden in gleichem Grade die markigen Erscheinungen der Trapper, die sich mit ihrem Gewerbe zuletzt nicht mehr in den beschränkten Revieren zu halten vermögen. Schon jetzt findet man sie nur noch äußerst selten in größern Gesellschaften, wie etwa vor zwanzig Jahren, als sie noch mit ihrem Troß von indianischen Weibern, Kindern und sonstigen rothhäutigen Verwandten und deren so wie den eigenen Pferden förmlich nomadisirende Colonien bildeten. –

Ja, auch die Trapper werden verschwinden. Aber wenn Fabriken und Bethäuser schon längst an Stelle der Biberdörfer und indianischen Wigwams getreten sind, dann wird das Andenken an die kühnen Männer, die im Charakter wie im äußern Wesen oft die merkwürdigste Zusammenstellung von Contrasten und Widersprüchen zeigen, noch lange frisch bleiben, und trotz ihrer zahlreichen Fehler werden sie noch lange glanzvolle Gestalten zu romantischen Schilderungen liefern.

Wer nun jahrelang mit Trappern verkehrte, sie auf ihren Irrfahrten begleitete, mit ihnen die schrecklichste Noth litt und mit ihnen schwelgte, wer auf einsamer Wanderung oder vor dem verstohlen geschürten Lagerfeuer ihren Erzählungen lauschte, die allerdings nicht immer ganz frei von Uebertreibung sind, der fühlt sich unwillkürlich zu ihnen hingezogen und übersieht gern, was an ihnen tadelnswerth genannt werden muß; und verzeihlich, ja, natürlich ist es, wenn er in der Erinnerung an die alten Gefährten vorzugsweise das hervorhebt, was Theilnahme und Achtung erwecken dürfte.

Ein Freitrapper.


Deutsche Colonisation in Brasilien.

Von Fr. Gerstäcker.

In den letzten Jahren ist das deutsche Publicum in Allem, was Brasilien betrifft, so verwirrt worden, daß sich wohl nur Wenige ein richtiges Bild davon entwerfen konnten. Ich selber wenigstens betrat mit einem großen Vorurtheil gegen Brasilien das Land, und zwar weniger der Berichte wegen, die Brasilien als eine Hölle schilderten, als um derer willen, die mit Hülfe von kleinen „Auswanderungsbüchern“ und „wohlgemeinter Rath für Auswanderer“ etc. das Land mit den rosigsten Farben beschrieben und eine Glorie darum flochten.

Meiner jetzigen Meinung nach, die ich mir gebildet, seitdem ich jenes Land theils selber kennen gelernt, theils an Ort und Stelle von Leuten die Jahre lang dort ansässig waren, viel und Ausführliches darüber gehört, bin ich der festen Ueberzeugung, daß Brasilien in seinen Verhältnissen wohl manches Tadelnswerthe und Gefährliche hat, im Ganzen aber dem deutschen Auswanderer auch große und gewichtige Vortheile bietet, und wenn ich selber auswandern und Ackerbau treiben wollte, so würde ich mir zum Ziel meiner Auswanderung jedenfalls Südamerika, aller Wahrscheinlichkeit nach das südliche Brasilien wählen.

Brasilien ist übrigens ein sehr weiter und unbestimmter Begriff, denn während der Norden des ungeheueren Landes seine pesthauchenden Sümpfe, seine allein tropische Vegetation und glühende

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_454.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2021)