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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

konnte, füllte ihn an, und übergoß sich nun, immer im Liegen, den ganzen Körper fortwährend und mit dem unverkennbar größten Behagen mit der gelben Brühe, so daß sich nun um ihn selbst wieder eine neue Pfütze bildete. Der Anblick war in der That um so interessanter, je weniger schön es in „ästhetischer“ Beziehung war. Denn die Toilette des Elephanten litt natürlich nicht wenig, und als die Wärter sein Treiben bemerkten, so nöthigten sie ihn auch durch Andeutungen, welche kein Mißverständniß zuließen, zum Ausstehen. Kaum hatten aber die Störenfriede den Rücken gewandt, als der Elephant schon wieder auf der Seite lag und die verlorene Zeit durch um so größeren Eifer gut machen zu wollen schicn. Zuletzt, als der Regen nachließ und die Pfütze aufgebracht war, war es fast blos flüssiger Schlamm, den er noch sammelte, und man sah, daß es ihm, wie manchem Trinker, nur noch um etwas „Feuchtes“ zu thun war.

Viel besser sind in dieser Beziehung, wie überhaupt alle Thiere, so auch die Elephanten in zoologischen Gärten daran. Hier können dieselben ein Bassin zum Baden eingerichtet bekommen, und daher das Lackiren entbehren. Ich sage, sie können, denn der Elephant des Berliner zoologischen Gartens, welchen ich dort 1859 sah, hatte damals allerdings noch keins, wohl nur, weil sein einstweiliges Haus nicht an dem durchfließenden Wasser lag. Bei dem neuen Elephantenhaus wird man wohl diesem Mangel abgeholfen haben.

Gerade die Elephanten kann man übrigens nicht umhin zu bedauern, wegen der Langeweile, zu welcher sie gezwungen sind. Denn wenn man überhaupt annimmt, daß ein Thier zu diesem Gefühl fähig ist (und schon aus dem Gähnen läßt sich dies einfach schließen), so muß bei einem Geschöpf von so hoher Intelligenz, wie sie der Elephant besitzt, die Langeweile um so größer sein, wenn es zu dauernder Unthätigkeit und, was die Hauptsache, Bewegungslosigkeit verurtheilt ist. Denn das Letztere ist bei den angeketteten Thieren doch im Ganzen der Fall. Ein Affe in seiner lustigen Albernheit kann sich mit einem Strohhalme lange beschäftigen, wenn es sein muß. Nicht so der Elephant, seine ernste Natur verlangt gewissermaßen bei Allem einen Zweck. Der Berliner Elephant schlug sich auch stundenlang mit seinem großen Lumpen an Bauch und Seiten, immer im Kampfe mit den Stechfliegen; der Kreuzberg’sche Elephant riß, wo es immer ging, die Breter von den Wänden seiner Bühne, und hatte er endlich eins, wo möglich mit den Nägeln daran, losbekommen, so benutzte er es auch. Er packte es fest und begann nun damit ein gewaltiges Schaben am ganzen Körper, und während man es weithin rasseln hörte, schien ihm dies nur ein behagliches Krabbeln zu sein. Daß dem Thier seine Haut jucken muß, ist übrigens sehr begreiflich, denn aus dem fortwährenden Gemisch von Oel und Staub bildet sich auf der ohnehin dicken Haut eine förmliche Kruste, die gewiß nicht wenig beschwerlich ist.

Das gleichförmige Hin- und Herwiegen des Kopfes, oft auch des Vordertheils, welches man gewöhnlich bei den Elephanten in Menagerien beobachtet, scheint auch in Folge der Langeweile zu geschehen. Gleichwohl wollen mehrere Reisende dies auch bei den wilden Elephanten im freien Zustande beobachtet haben. Wenn dies der Fall, was dann eine Art Liebhaberei wäre, vielleicht aber auch wegen der Insecten geschieht, so macht es dort jedenfalls nicht den monotonen Eindruck, welchen diese Bewegung bei gefangenen Elephanten erregt, und die fast etwas Schwindelerregendes hat.

Bekanntlich kann man sich in Folge des altherkömmlichen Unterrichts als Kind einen Elephanten nur als den Inhaber sehr bedeutender Stoßzähne denken, um den Tiger, nachdem er denselben, wie billig, in die Luft geschleudert, damit durchbohren zu können. Fast immer aber wird man dann beim Anblick des ersten lebenden Elephanten gewaltig enttäuscht, denn statt der geträumten elfenbeinernen Hauer sieht man gewöhnlich kaum ein Paar kleine, nichts weniger als weiße Stifte zu beiden Seiten des Rüssels hervorragen, die zwar vom Erklärer als noch im Wachsen begriffen bezeichnet werden, da „das Thier noch jung sei“, die aber im Leben nicht größer werden. Denn die gezeigten Thiere sind fast ohne Ausnahme weibliche Elephanten, bei denen, d. h. den asiatischen, die Stoßzähne nur zu ganz geringer Entwicklung gelangen. Ja, selbst bei dem männlichen Elephanten kommt dies, wohl in Folge eines krankhaften Zustandes, nicht selten vor. Deshalb machte auch auf mich der endliche Anblick eines Elephanten mit vollständig entwickelten Stoßzähnen den Eindruck eines ganz neuen Thieres, oder wenigstens erst des fertigen. Es war dies der im Renz’schen Circus, und derselbe wurde später auch einzeln herumgeführt und gezeigt. Er gehorchte immer noch nur demselben Führer, einem Engländer; derselbe hatte aber in der Zwischenzeit, ehe ich den Elephanten zum zweiten Male sah, in Folge eines Sturzes sich ein Bein abnehmen lassen müssen und konnte sein Thier daher nicht mehr besteigen. Unglücklicherweise war dies gerade in der Zeit der Wuthperiode des Thieres geschehen, welcher bekanntlich die männlichen Elephanten alljährlich unterworfen sind, und während das wüthende Thier tobte und seine Fesseln zu sprengen drohte, schwebte sein Führer auf dem Schmerzenslager zwischen Tod und Leben. Einen eigenthümlich unheimlichen Eindruck machte es auf mich, als mir der Mann bei dieser Erzählung in einem Glaskasten die zersplitterten Knochen seines Beines zeigte, welche er sorgfältig aufgehoben hatte und mit sich herum führte.

Einen prächtigen Anblick bot übrigens dieser Elephant, als er noch zum Circus gehörte, wenn er, seinen Führer auf dem Nacken, mit leichtem Schritte in die Arena hereingerannt kam. Fast elastisch konnte man seinen Gang nennen, und es zeigte sich bei dieser Gelegenheit wieder, welcher Unterschied zwischen dem frei im Raume sich bewegenden und dem eingeschlossenen Thiere ist.

Natürlich muß bei einem so massigen Thiere der Transport immer große Schwierigkeit haben, und um diese zu beseitigen, sind die Besitzer auf verschiedene Arten des Transportirens gekommen. Einen sehr großen Elephanten, welchen ich vor vielen Jahren sah, brachte man dadurch von einem Ort zum andern, daß man ihn in einem von sechs Pferden gezogenen Wagen ohne Boden gehen ließ. Da der Wagen aber genau blos die Länge des Thieres hatte, so mag es schwierig genug für die Pferde und den Elephanten gewesen sein, immer den gleichschnellen Gang inne zu halten. Auch soll, wie mir erzählt wurde, der Elephant in einem Anfall von Eigensinn manchmal plötzlich stehen geblieben sein, wo es dann den sechs Pferden nicht möglich war, das Thier fortzubringen, ehe es wieder willig wurde.

Sehr oft werden die Elephanten auch einfach gefahren auf natürlich sehr massiv gebauten Wagen, welche zugleich den Transport auf Eisenbahnen sehr erleichtern. Die einfachste Art ist allerdings, wenn man den Elephanten seinen Weg selbst zu Fuß zurücklegen läßt, freilich wird dadurch oft viel Zeit eingebüßt im Vergleich zur Eisenbahn, und auch sonst hat diese Art und Weise ihr Unangenehmes. Noch im vorigen Jahre hatte sich, wie die Zeitungen berichteten, beim nächtlichen Transport ein Elephant von seinem Aufseher befreit, war querfeldein gerannt und zum Entsetzen des Nachtwächters in einem Dorfe erschienen. Der über das ihm fremde Ungeheuer entsetzte Wächter der Nacht wußte nichts Besseres zu thun, als Feuerlärm zu blasen, worauf die Bauern und glücklicherweise auch die Eigenthümer des Thieres erschienen, welche dasselbe vergeblich in einem benachbarten Walde gesucht hatten. Mir selbst klagte ein Elephantenwärter, wie viel er bei diesem Transport mit seinem Elephanten auszustehen habe. Einmal war es diesem, glücklicherweise auch in der Nacht, eingefallen, in ein Weizenfeld einzubiegen und sich da gütlich zu thun. Nicht eher, als bis er sich voll gefressen hatte, war er herauszubringen gewesen. Ein anderes Mal, wo der Führer in der Dunkelheit den Weg verfehlt und in einem Dorfe von dem Rücken des Elephanten aus an mehreren Fenstern im ersten Stock angeklopft hatte, um nach dem Wege zu fragen, hatte der Elephant bei dieser Gelegenheit einen ganzen Weinstock sammt Spalier von einer Wand abgerissen und mitgenommen, um die Blätter unterwegs zu verzehren. Es läßt sich begreifen, daß der Führer solchen Einfällen des gewaltigen Thieres gegenüber wenig oder nichts thun kann, wozu noch die Verantwortlichkeit gegen den Eigenthümer kommt, wenn dieser, wie oft, nicht dabei ist.

Schon die Größe des Thieres ist manchmal sehr störend. So sollte z. B. einst ein Elephant, welcher nach Leipzig zur Schau geführt wurde, vorher noch einmal in dem Dorfe Connewitz bei Leipzig übernachten. Aber die Thüre des dazu bestimmten Stalles war zu klein, um den Riesen einzulassen, da solche hohe Reisende in dem Gasthofe zu selten eintrafen. Doch siehe, was die Größe des Thieres verhinderte, machte dessen Intelligenz wieder möglich. Der Elephant ließ sich, dazu commandirt, auf die Kniee nieder, und auf diese Weise rutschend und sich möglichst bückend, gewann er den Eingang und andern Tages auf gleiche Weise den Ausgang.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_412.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)