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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

der herzlichen Theilnahme vieler Gönner in Klausenburg, die sich für seine Stellung bemüht hatten, er sagte: „Diese vielen Beweise von Freundschaft und Theilnahme, die ich hier erfahren, thun meinem Herzen ungemein wohl und würden gewiß zu einem günstigen Resultat geführt haben, wenn man nicht hier durchaus einen zweiten Robert Blum aus mir hätte machen wollen. Nun, es sei! Es soll mich wenigstens Niemand mit weniger Fassung als diesen sterben sehen.“

Oben auf dem Felek, dem Executionsplatz, angekommen, übergab Roth Gintz sein Schnupftuch mit der Bitte: „Lieber Bruder, tauchen Sie dieses Tuch in mein Herzblut und überschicken Sie es meiner ältesten Tochter.“ Hierauf wurde Stille geboten, und einer der Blutrichter verlas den Urtheilsspruch, bei dessen Beginn Roth zu Gintz sprach: „Hören Sie jetzt das Lügengewebe.“ Und als der Richter die Stelle las: „Der Verurtheilte hat die heilige Schrift mit dem Schwert vertauscht,“ rief er: „Das ist nicht wahr, ich habe nie ein Schwert geführt.“ Da alle Hoffnung auf Begnadigung geschwunden, ließ sich Roth auf’s Knie nieder und betete ein Vaterunser. – Seinen Hut rückwärts werfend, sagte er zum commandirenden Officier sich wendend: „Nun stehe ich zu Ihrem Befehle, Herr Hauptmann.“ Die Anordnung, ihm die Augen zu verbinden, wies er mit den Worten zurück: „Verzeihen Sie, auch als zum Tode Verurtheilter habe ich das Recht darüber zu bestimmen. Ich werde die Augen ohnehin bald auf immer schließen, bis dahin aber will ich Gottes schöne Welt schauen, so lang es mir nur möglich ist. Wohin soll ich mich stellen?“ – Auf dem angewiesenen Platz stand die hohe Gestalt des edeln deutschen Mannes mit über die Brust gekreuzten Armen, die schönen, geistvoll schwarzen Augen gen Himmel gewendet, – ein Anblick zum Beten. – Nun erscholl das schreckliche „Feuer!“ und in kurzen Zwischenräumen fielen drei Schüsse. Der erste traf den rechten Oberarm, den der Arme sogleich sinken ließ, ohne seine Stellung zu verändern. Der zweite traf die linke Lendengegend. Jetzt sank Roth auf’s Knie und bedeckte mit der linken Hand die Wunde, und in dem Augenblick fuhr die dritte Kugel durch das theuere Haupt. –

Lautlose Stille herrschte bei der unabsehbaren Volksmenge, als das Opfer gefallen war. Da trat der commandirende Hauptmann, hingerissen von der Größe des Augenblicks, von der Seelengröße des gefallenen Mannes, vor und rief mit bebender Stimme: „Soldaten! lernt von diesem Manne, wie man für sein Volk stirbt.“ –

Ein Jahr später, als wieder Ruhe im Lande war, wurde die irdische Hülle Roth’s durch seine Anverwandten in seine Vaterstadt Mediasch zurückgebracht und am 19. April 1850 in heimischer Erde auf dem Mediascher Friedhofe zur Ruhe gelegt.

Vier Jahre später (1853), nachdem die österreichische Regierung für die Erziehung der Kinder Sorge getragen, setzte sein Völkchen als ein Zeichen seiner Liebe und Dankbarkeit auf sein Grab ihm ein einfaches Denkmal. Ein desto reicheres bewahrt es in seinen Herzen, denn so lange das Sachsenvolk in Siebenbürgen noch nicht untergegangen ist, ja, so lange Deutsche in der Welt leben, wird ein so mannhafter und reiner Charakter unvergessen bleiben.


Menagerie-Bilder.

Nr. 4. Die Riesenelephanten.

Wie es in der Menageriesprache eine Masse von Ausdrücken überhaupt giebt, von denen die Naturgeschichte nichts weiß, so ist dies auch mit dem Wort „Riesenelephant“ der Fall. Der Naturforscher kennt diese Species nicht, desto besser der Menageriebesitzer und dessen Personal. Für sie ist jeder Elephant, welcher zur Menagerie gehört, wenigstens dem Publicum gegenüber, ein Riesenelephant, und fast eben so zahlreich sind die Rieseneisbären, und natürlich auch die Riesenlöwen u. s. w. Das Publicum ist eben gutmüthig genug, dergleichen hinzunehmen, wenn auch wohl bei Manchem der stille Wunsch aufkeimen mag, auch einmal einen ganz gemeinen Elephanten zu sehen.

Es möchte dies immerhin angehen, denn Klappern gehört, nach dem eigenen einst gegen mich gethanen Ausdruck eines berühmten Menageriebesitzers, auch hier zum Handwerk, und im Grunde kann man schon jedem Beschauer zumuthen, sich solche Bezeichnungen richtig zu deuten. Nicht zu billigen ist es aber, wenn, wie dies großentheils noch in den wandernden Menagerien geschieht, die gezeigten Elephanten als afrikanische erklärt werden. Sehr oft weiß allerdings der Erklärende, der „Explicateur“, nicht, was er thut, dann ist es aber Pflicht des Besitzers, ihm reinen Wein einzuschenken, denn dieser weiß recht gut, woran er ist. Aber man will das oft nicht, man weiß wohl, daß die gesehenen Elephanten immer asiatische sind, traut aber dem Publicum die Kenntniß der Unterschiede zwischen beiden Arten nicht zu und will nun mit der Vorführung eines „afrikanischen“ ein besseres Geschäft erzielen. Daß dadurch das Publicum gerade wieder von solchen „afrikanischen“ Elephanten überschwemmt wird, daran denkt man nicht. Eine anerkennenswerthe Ausnahme hat von jeher, in dieser Beziehung überhaupt, ein lange im Ausland gewesener Menageriebesitzer gemacht, nie ist mir in seiner großen Menagerie eine falsche Bezeichnung aufgefallen, obgleich er gerade der Freund vom „Klappern“ war, aber er wandte es eben blos in harmloser Weise, z. B. bei dem „Riesenelephanten“, an.

Kommt man gerade an dem Eröffnungstage einer Menagerie sehr früh in dieselbe, so kann man es wohl treffen, daß der etwa da befindliche Elephant so eben lackirt worden ist oder noch wird. Es war mir dies, als ich zum ersten Mal dazu kam, um so auffallender, als ich zwar immer, wenigstens sprüchwörtlich, von lackirten Affen gehört, aber noch keinen gesehen hatte, und nun einen dergleichen Elephanten sah, ohne davon gehört zu haben. Das Thier sah wenigstens ganz glänzend schwarz aus, fast wie ein gewichster Stiefel. Die Manipulation, welche diese Wirkung hervorbringt, besteht nämlich darin, daß das Thier über und über mit Oel, vielleicht mit einem Zusatz von Ruß oder dergleichen, überstrichen wird, und zwar zu dem doppelten Zweck, die Haut des Thieres geschmeidig zu erhalten und zugleich mit dem Aussehen vor dem Publicum zu paradiren. Zu dem Erstern hat offenbar die Nothwendigkeit geführt, denn die dicke Haut des Thieres würde sonst durch die zunehmende Trockenheit springen und wund werden. Zwar würden häufig Wasserbäder das Oel ersetzen und wären dem Thiere, das ja ein halbes Wasserthier ist, naturgemäßer, aber der Elephant ist immer sehr geneigt, Unfug zu treiben, und so könnte, da ja „Mißverständnisse“ nicht blos in der Politik, sondern auch bei Elephanten vorkommen können, derselbe in Folge eines solchen, statt sich, auch einmal das gerade anwesende Publicum begießen.

Wie begierig übrigens diese Thiere auf das Wasser, nicht blos zum Trinken, sind, davon will ich aus eigener Anschauung ein Beispiel erwähnen. Ich war einst gerade in der Kreuzberg’schen Menagerie mit Zeichnen beschäftigt, als ein furchtbares Gewitter losbrach. Der Regen goß in den üblichen „Strömen“, und die meisten der Thiere wurden durch die krachenden Donnerschläge in nicht geringe Aufregung versetzt. Nicht lange, so drang das Wasser von oben und unten in die Bude, von oben durch das Leinwanddach, von unten durch die Lücken in der Breterwand. Leider war der erste Rang nicht gedielt, sondern man wandelte auf Gottes freier Erde. So idyllisch dies sonst bei schönem Wetter war, so wurde es jetzt um so unangenehmer, da sich ganze Ströme bildeten, welche quer über den Raum rauschten und kaum zu überspringen waren. Der Elephant befand sich, angekettet wie immer an dem Hinterfuß, in der Mitte der Bude auf einer 2–3 Fuß hohen Bühne, und vor derselben sammelte sich jetzt das Wasser zu einem recht respectabeln Tümpel, der alsbald, so schmutzig wie er war, die Sehnsucht des Thieres erregte. Da dasselbe aber ziemlich bösartig war, so wurde es stets der Sicherheit des Publicums wegen sehr kurz angekettet, so daß es jetzt das Wasser im Stehen mit seinem Rüssel unmöglich erreichen konnte. Was that der Elephant? Er legte sich der Länge nach auf den Boden, so weit als möglich nach vorn, schob den Rüssel über den vordern Rand der Bühne herunter nach dem Wasser, obgleich er dasselbe seines niedrigen Stand- oder vielmehr Liegepunkts wegen nicht mehr sehen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_411.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2021)