Seite:Die Gartenlaube (1862) 400.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

und den Hofstaat seiner Eltern erschöpfte Staatscasse wieder zu füllen, sondern auch um desto freigebiger zweckmäßige Anstalten, die er in’s Leben rief, und Wissenschaft und Kunst unterstützen zu können. – Kein engherziger Aristokrat, war er hochbegeistert für die Freiheitsidee des nordamerikanischen Freistaates und schenkte auch der französischen Revolution die regste Theilnahme. Als diese aber in blutgierige Zügellosigkeit ausgeartet war, mißfielen ihm auf’s Höchste die Lobredner derselben in den Abendcirkeln seiner Gemahlin, die darin nur die gerechte Strafe für die übermüthigen Großen erblickte, die – wie sie sich ausdrückte – nichts gelernt hätten. Als die Gräuel der Anarchie eine nicht zu berechnende Ausdehnung anzunehmen drohten, wurde er von solcher Besorgniß für das längere Bestehen der oberen Stände erfüllt, daß er im Stillen auf seine fürstliche Würde so gut wie verzichtete, was er seinem zweiten Sohn, dem Prinzen Friedrich, damals (1793) Obersten des gothaischen Regiments in holländischen Diensten, in folgendem denkwürdigem Briefe ausdrückte. Gerade jetzt wird dieses Schriftstück Manchem lesenswerth erscheinen, da es außergewöhnliche Ansichten enthält.

„… O mein Kind! wir leben in schlimmen Zeiten und sehen einer unerwarteten Zukunft entgegen, deren Folgen und Endschaft Niemand zu bestimmen im Stande ist. Bedenke dies, mein lieber Sohn, und folgere die Lehren daraus, die ich Dir gegeben habe. Alles, ja Alles will unserem Stande zu Leibe, will ihn verdrängen und vernichten. An ihm selbst würde nach meinem Gefühle eben nicht sehr Vieles verloren gehen; dies giebt wohl ein Jeder zu; allein hiermit ist noch nicht Alles gethan, sondern die Ordnung der Dinge, die nun einmal in der Welt stattfindet, geht zu Grunde, die gesellschaftliche Verbindung löst sich auf, eine allgemeine Anarchie und Verwirrung der Gesinnungen und Leidenschaften muß jene Stelle in der Zukunft vertreten. Daraus folgt natürlich, daß alle Diejenigen, welche bisher zu irgend einem Stande erzogen worden sind, nicht mehr zu demselben taugen werden; daß Vermögensumstände, wo solche noch zu retten sind, nicht mehr in dem Maße werden angewendet werden können, wozu man solche anzuwenden gewohnt war; ja, daß die mehrsten Güter dieser Erde verloren gehen werden, und daß Diejenigen, die jetzt darauf rechnen, in der Folge sich in ihrer Rechnung gewaltig irren und verrechnen werden. Du siehst leichtlich ein, mein guter Fritz, daß Dir’s nicht besser als anderen ehrlichen Leuten gehen wird, und daß Du bei Zeiten Dich darauf vorbereiten mußt, um nicht, wenn das Schicksal auch uns, Dich und mich, trifft, in der Verlegenheit Dich zu befinden, einmal betteln zu gehen. Noch bist Du jung genug, etwas Ernsthaftes zu erlernen, was es auch sei, um einmal Dein Brod zu verdienen und der dann noch übrigen menschlichen Gesellschaft nicht zur unnützen Last zu sein. Bedenke dies, mein guter Fritz, und bedenke es ernstlich wie ein Mann. Etwas mußt Du doch anfangen, um Dir nicht selbst zur Last zu bleiben. Ich für mein Theil, ich bin ganz gefaßt. Kann ich nicht mit dem Kopfe arbeiten, so habe ich von Gott Gesundheit, Hände und Muth als Gnadengeschenk erhalten, so daß ich hoffen darf, nicht für Hunger zu sterben; aber Du und Dein Bruder,[1] Ihr macht mir Sorgen und Kummer. Ich bitte Dich, fange an, ernstlich über die Zukunft nachzudenken und irgend einen vernünftigen Plan zu entwerfen, was Du dermaleinst anfangen willst, wenn ich Dich nicht mehr zu unterstützen im Stande sein werde. Du hast mir Dein Bildniß überschicken wollen, mein guter Fritz, es soll mir herzlich lieb sein, und ich danke Dir auch aufrichtigst dafür; aber schicke mir Deinen festen ernsten Entschluß, ein Mann – ein deutscher Mann zu werden, damit wirst Du mich noch weit mehr verbinden; denn Du wirst mir die Sorge erleichtern, die mir Dein künftiges Schicksal macht. Nur werde bestimmt Etwas, damit Du Dich nicht vor Dir selber zu schämen brauchst. Nun leb’ wohl! behalte mich lieb! und sei von meiner treuen Zärtlichkeit überzeugt! Ich habe Dir vielleicht unangenehme Dinge gesagt: mög’s sein, wenn Du nur noch ein brauchbarer Mensch wirst, der nur zu Etwas nütze ist. Aber mein Ernst, mein voller Ernst ist es; denn die Zeiten werden immer verworrener und am Ende kommt das Auswandern gar an uns selbst … Ernst.“

C. P.



Von Max Wirth’s deutscher Geschichte ist im Laufe des verflossenen Winters der Schluß des ersten Bandes erschienen, welcher die Periode der Bildung der germanischen Staaten abschließt und an und für sich als ein selbstständiges Ganze zu betrachten ist. Wenn der Verfasser uns auch ganz außer Stande zu sein scheint, die Versprechungen des Verlags hinsichtlich der kurzen Frist des Erscheinens des ganzen Werkes, welches nunmehr von 3 auf 4 Bände ausgedehnt wird, ohne Erhöhung des Preises (von 6 Thlr.) zu erfüllen, weil der Verfasser fast wider Willen durch die Natur des Gegenstandes in tiefes Quellenstudium versenkt worden ist, so hat er doch in Beziehung auf den Inhalt redlich Wort gehalten. Seine Methode ist wirklich eine neue und kann mit Recht eine volkswirthschaftlich-pragmatische genannt werden. Dem Leser wird so wohl dabei, daß er zuversichtlicher in die Zukunft schaut, weil er aus den Beweisführungen des Verfassers, der alle Begebenheiten auf ihre innersten Ursachen zurückführt, sich die Ueberzeugung schafft, daß die Geschichte kein Werk des Zufalls ist, daß der Einzelwille nur da mächtig, und öfter verderblich als segensreich, durchgreift, wo das Volk roh und ungebildet oder an Geist, Körper und Muth entartet geworden ist; daß der Fortschritt der Cultur und die wahre Macht der Staaten von der wachsenden Vernunft und Kraft des Volkes abhängt. Der Verfasser hat uns Wort gehalten, indem er die Resultate der gelehrten Forschungen der letzten 20 Jahre in seinem Werk wiederzugeben und der wirthschaftlichen Thätigkeit des Volkes mehr als bisher Aufmerksamkeit zu scheinen versprach. Die ganze zweite Hälfte des ersten Bandes ist daher mit einer Fülle neuer Anschauungen und Schilderungen des inneren Lebens der Germanen in Hinsicht auf sämmtliche Gebiete der wirthschaftlichen und geistigen Thätigkeit des Volkes bereichert, welche man im Kreise des größeren Publicums noch gar nicht gekannt hat; das Land, seine Beschaffenheit und seine Bewohner, Gewicht, Geld, Maß, Preise, Landwirthschaft, Transportwesen, Handel, Gewerbe, Genossenschaftswesen, Capital, Stände, Verfassung, Rechtspflege, Wehrwesen, Finanzen, Literatur und Kunst, Religion, Armenwesen, Kleidung, Nahrung und Sitten sind mit Hülfe der neuesten Forschungsresultate wie noch in keinem anderen Werke vollständig in ihrem Zustande in der ältesten Zeit durch genaue Erforschung der Quellen mittelst der volkswirtschaftlichen Kritik dargestellt, so daß der Leser ein ganz neues, aber zugleich, was die Hauptsache ist, ein in möglichster Annäherung wahres Bild der ältesten Zustände erhält, die noch viel mehr, als man anzunehmen pflegt, in die Gegenwart hinein greifen, wie aus dem vorliegenden Bande zu ersehen ist. Wir schließen mit dem Wunsche und der Aufforderung, daß der Verfasser sich in der Vollendung seiner Arbeit durch kein anderes Motiv als die völlige Ergründung der Wahrheit in den Quellen leiten lassen und, so sehr die baldige Vollendung des Werkes wünschenswerth sein mag, die Gründlichkeit desselben dem letzteren Motiv nicht unterordnen möge.

Potsdam, im Juni 1862.

Schulze-Delitzsch.




Kleiner Briefkasten.

Fr. M. in Frankfurt a. M. Ihre Nachricht, daß das „Freie deutsche Hochstift“ dahin strebe, daß Ludwig Köhler’s „Dithmarsen“ beim großen deutschen Schützenfeste als Feststück zur Aufführung gebracht werde, hat uns sehr gefreut. Möge der gute Gedanke siegen; nur bei solchen Gelegenheiten kann der wirkliche Wille und wirkliche Geschmack des so viel geschmähten deutschen Theaterpublicums gegen die sonst allzu souverainen Dircetionen entscheidend hervortreten.

S. R. in D. Sie haben ganz Recht, die Portraits Serre’s und Hertel’s sind wirklich nicht aus dem xylographischen Atelier der Gartenlaube hervorgegangen, sondern uns von befreundeter Hand geliefert worden. Zeichnung und Schnitt der Gartenlaube-Portraits zeichnen sich stets durch vortreffliche Ausführung und Aehnlichkeit vor vielen andern aus.

A. v. S. in Hannover. Unter Chiffre werden von der Post keine Packete befördert. Wir bitten daher um Mittheilung Ihrer vollständigen Adresse, um das empfangene Manuscript, für welches wir keine Verwendung haben, zurücksenden zu können.

v. K. in Königsberg. Es fehlt uns zur Aufnahme Ihrer Gedichte an Raum. Wollen Sie dieselben zurück haben, so müssen wir um Mittheilung Ihrer Adresse bitten.



Für Wilhelm Bauer’s „Deutsches Taucherwerk“

sind ferner (bis zum 7. Juni) eingegangen: 5 Thlr. von der Gesellschaft „Lantane“ zu Buchholz, durch A. Fischer; 12 Thlr. als erste Sendung, ges. auf dem Rathskeller und dem Berge, sowie unter den Turnern zu Löbau; 3 Thlr. von einigen Postbeamten zu Riesa; 2 Thlr. vom Turnverein und 4 Thlr. 25 Ngr. von mehreren Lesern der Gartenlaube zu Zeulenroda, durch Cantor Fr. Solle; 4 Thlr. von der Familie Wintgens in Moers; 1 Thlr. von einem „Gutheil!“; 1 Thlr. von E., 1 Thlr. von G., 1 Thlr. von W. und 9 Thlr. 71/2 Ngr. von Mitgliedern des Turnvereins und Turnfreunden bei der Einweihung des neuen Turnlocals zu Vegesack, durch die Redaction der Vegesacker Wochenschrift; 1 Thlr. „Bauer baue – und vertraue – Deines Genius hehrer Kraft! etc. In der Tiefe – gern noch schliefe – was dem Licht sich scheu entzieht; – doch gehoben – werd’ nach oben – von einigen Mitgliedern der Gesellschaft „Erholung“ in Reichenbach, durch A. Hameyer; 1 Thlr. von Jacob B., Liqueurfabrikant zu Osterberg bei Memmingen; 4 Thlr. gesammelt von Schülern zweiter Classe der Annenrealschule zu Dresden; 5 Thlr. von dem Gewerbeverein zu Weißenfels durch Lehrer Felß; 6 Thlr. 15 Ngr. von Lesern der Gartenlaube zu Merseburg, durch Friedrich Stollberg; 525 Thlr. von dem Comité zur Unterstützung der Erfindung W. Bauer’s zu Stettin, durch Theod. Hellm. Schroeder daselbst.



Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das zweite Quartal, und ersuchen wir die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Leipzig, im Juni 1862

Ernst Keil
  1. August wurde der Nachfolger seines Vaters und Friedrich IV. der seines Bruders.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_400.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)